Pro Kopf 400 Euro für Weihnachtsgeschenke

Prognosen der Einzelhandelsumsätze im Weihnachtsgeschäft und der individuellen Geschenkebudgets sind fast immer zu hoch

Pro Kopf 400 Euro für Weihnachtsgeschenke

An Prognosen für das Weihnachtsgeschäft mangelt es nicht. Der Handelsverband HDE und Banken schätzen den Umsatz im deutschen Einzelhandel, der Marktforscher GfK und die Unternehmensberatung Deloitte ermitteln das durchschnittliche Geschenkebudget und wofür es verwendet werden soll. Alle haben sie eines gemein: Sie liegen mit ihren Angaben oft meilenweit von den realen Werten entfernt.Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtEs ist nicht nur die Zeit, in der Lebkuchen, Dominosteine und Schokonikoläuse die Regale und Schaufensterauslagen erobern, sondern auch die, in der Prognosen des Weihnachtsgeschäfts gestellt werden. Viele Marktforscher, Beratungsgesellschaften und neuerdings auch noch Banken fühlen sich dazu berufen, entweder repräsentative Umfragen zu den geplanten Geschenkebudgets durchzuführen oder Einschätzungen der Einzelhandelsumsätze abzugeben.Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Schätzungen der Erlöse im Handel bzw. der Veränderungsraten fast immer zu hoch sind. Und den Studien, aus denen hervorgeht, wie viel jeder Erwachsene im Schnitt für Weihnachten auszugeben gedenkt und wofür, sollte ohnehin mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnet werden.Der Handelsverband Deutschland HDE definiert das Weihnachtsgeschäft zum Beispiel als den Umsatz, den die Einzelhändler im November und Dezember machen. Natürlich ist darin der Erlös enthalten, der auch ohne das Weihnachtsfest und die damit verbundenen Verbraucherausgaben entstanden wäre. Der HDE erwartet für das Weihnachtsgeschäft in Deutschland ein “moderates” Umsatzplus von 1,2 % im Vergleich zum Vorjahr auf 80,6 Mrd. Euro. (Vor Jahresfrist war ein Plus von 1,5 % erwartet worden; tatsächlich wurden es nur 0,2 %; siehe Grafik.)Der Anteil des Online-Handels werde dabei weiter steigen (siehe Bericht auf dieser Seite). Eine Wachstumsrate von 1,2 % prognostiziert der HDE für Deutschland übrigens auch für das Gesamtjahr, für das ein Umsatz von 434 Mrd. Euro vorausgesagt wird. Die Umsätze im Einzelhandel liegen in den beiden letzten Monaten des Jahres dem HDE zufolge um rund 15 %, in einzelnen Branchen sogar um bis zu 100 % über dem Durchschnitt der anderen Monate. Spielwarenhändler etwa machten fast 30 % und Buchhändler rund ein Viertel ihrer Erlöse im November und Dezember.Die HDE-Definition von Weihnachtsgeschäft hat sich auch die Deutsche Postbank zu eigen gemacht, die als einer der ersten Schätzer für dieses Jahr Ende Oktober einen Umsatzanstieg im Vergleich zu 2012 von gut 1,5 % auf mehr als 80 Mrd. Euro voraussagte. “Höher war sie zuletzt Ende 2006, als die Ankündigung einer Anhebung des Mehrwertsteuersatzes um gleich drei Prozentpunkte die Verbraucher zu vorgezogenen Käufen animiert hatte”, sagte Marco Bargel, Chef-Investmentstratege der Postbank.Die Diskrepanz zur HDE-Prognose – der Verband ist beim Wachstum weniger optimistisch, kommt aber dennoch auf einen höheren absoluten Wert – erklärt sich aus der unterschiedlichen Basis: Gemäß der Postbank wurden im Weihnachtsgeschäft des Vorjahres 78,8 Mrd. Euro (-0,7 %) umgesetzt, laut HDE waren es 79,6 Mrd. Euro.Einen anderen Ansatz hat die GfK. Der Marktforscher aus Nürnberg fragt jährlich von Ende Oktober bis Anfang November etwa 4 150 Personen nach ihren Geschenkeplanungen. Für 2013 ergab sich, dass das Budget, mit dem der Handel als Umsatz rechnen kann, gegenüber dem Vorjahreswert um insgesamt 2 % auf 15,2 Mrd. Euro gestiegen ist. Laut der Umfrage entfallen auf jeden Bürger im Alter von 14 bis 75 Jahren Geschenke im Wert von 288 (i.V. 285) Euro.Gemäß einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte, die insgesamt über 17 000 Menschen in 18 Ländern befragen ließ, plant jeder Deutsche etwa 399 Euro für Geschenke ein; das seien 6,7 % mehr als im Vorjahr. Obwohl offenbar eine ähnliche Frage gestellt wurde wie bei der GfK, ist die Differenz zwischen den beiden Geschenkebudgets von 111 Euro frappierend. Ein solcher Unterschied kann weder mit Hinweisen auf im Detail unterschiedliche Befragungsgruppen oder -ansätze noch mit statistischen Schlagworten wie Standardabweichung befriedigend erklärt werden. Keine Soll-Ist-VergleicheDoch ganz gleich, ob 2 % oder 6,7 % mehr als 2012 ausgegeben werden sollen bzw. insgesamt 288 oder gar 399 Euro – all diese Werte sorgen für Verwunderung. Zum einen, weil die Umfragen fast immer ergeben, dass mehr als im Vorjahr für Präsente aufgewendet werden soll, was im Gegensatz zur Wahrnehmung vieler Menschen steht. Tatsächlich hört man eigentlich immer nur, dass Weihnachten “dieses Jahr” ruhiger und bescheidener (!) werden soll. Zum anderen wecken die Summen, die die Bürger im Durchschnitt angeblich auszugeben planen, Misstrauen. Die Zahlen scheinen so überdimensioniert, dass sich die bösartige Frage aufdrängt, ob die Verbraucherinterviews nicht vielleicht ausschließlich in den Lobbys von Golfclubs und Reitvereinen durchgeführt wurden.Natürlich ist dem nicht so. Doch überprüfen GfK und Deloitte die Angaben der Befragten nicht, denn ein Soll-Ist-Vergleich – also eine Gegenüberstellung der geplanten und der tatsächlichen Ausgaben für Weihnachtsgeschenke – bleibt aus. Dabei wäre interessant zu sehen, ob diese Schätzungen womöglich ebenso weit oder noch weiter von der Realität entfernt liegen wie die Prognosen des HDE von den tatsächlichen Umsätzen im Handel.