Agrarhändler in Schieflage

Rettung der Baywa unter strengen Auflagen

Eine Rettung der insolvenzgefährdeten Baywa steht bevor. Die Gläubigerbanken loten Details einer Finanzspritze unter strengen Auflagen aus. Im Gegenzug soll das SDax-Mitglied zerschlagen werden. Nur noch die Kernaktivitäten blieben übrig.

Rettung der Baywa unter strengen Auflagen

Rettung der Baywa unter strengen Auflagen

Gläubigerbanken loten Details einer Zerschlagung des Agrarhändlers bei Stützungshilfen aus

sck München

Das Schicksal des insolvenzgefährdeten genossenschaftlichen Agrarhandelskonzerns Baywa scheint besiegelt zu sein. Nach Informationen der Börsen-Zeitung haben sich die Gläubigerbanken und die beiden Ankeraktionäre des Münchner SDax-Mitglieds über die Eckpunkte eines finanziellen Rettungspakets verständigt. Die zuständigen Gremien der involvierten Geldhäuser und die des genossenschaftlichen Finanzverbunds in Bayern müssten dem Entwurf noch zustimmen. Dabei handelt es sich überwiegend um die Vorstandsorgane der Adressen, schließlich geht es bei dem Vorhaben um mindestens mehrere Hundert Millionen Euro.

Das bedeutet, dass mit einer substantiierten, ad-hoc-pflichtigen Meldung der Baywa erst in den kommenden Tagen zu rechnen ist, wie es heißt. In Erwartung einer positiven Entscheidung für den Fortbestand des hoch verschuldeten Traditionsunternehmens war die Aktie der Baywa am Donnerstag an der Börse sehr gefragt. Das Papier sprang im Xetra-Handel in der Spitze um 13% auf 14,70 Euro. Zuvor stürzte der Anteilschein aufgrund der Existenzkrise der Firma auf bis zu 9,50 Euro ab.

Stuhl des CEO wackelt

Für die Baywa selbst ist eine Kapitalspritze der Gläubiger ein Einschnitt. Der weit verzweigte Konzern mit seinen vielen Aktivitäten im Ausland steht vor einer Zerschlagung. Das wäre das Resultat strenger Auflagen der Gläubigerbanken an die Verwaltung der Baywa. Ohne diese „Gegenleistung“ könnte sich die Baywa kaum noch über Wasser halten. Am Donnerstag kursierte das Gerücht, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wegen der Schieflage des Unternehmens den Rücktritt von Vorstandschef Marcus Pöllinger gefordert haben soll. Das sei eine Bedingung dafür, dass auch die Landesregierung mit Steuergeldern sich an einer Auffanglösung für die Baywa beteiligt, war zu vernehmen.

Marcus Pöllinger
Baywa

Gut informierte Kreise wollten das zwar nicht bestätigen, angesichts der Gemengelage dürfte aber Pöllingers Stuhl heftig wackeln. Der Manager führt die Baywa erst seit April 2023. Seinerzeit folgte er auf den Langzeit-CEO Klaus Josef Lutz. Unter dessen Ägide wuchsen die Finanzschulden infolge einer überwiegend fremdfinanzierten Expansion mit Zukäufen. Zuletzt türmte sich ein Schuldenberg von insgesamt 11 Mrd. Euro auf, davon entfielen auf Finanzverbindlichkeiten 5,6 Mrd. Euro.

Existenzkrise ein Politikum

Söder selbst steht wohl wegen der Causa im engen Kontakt mit Baywa-Aufsichtsratschef Gregor Scheller. Der gut vernetzte Genossenschaftsbanker, der bis vor kurzem noch den Genossenschaftsverband Bayern als Präsident geführt hat, leitet das Kontrollgremium seit Anfang Mai. Beide stammen aus Franken, Söder aus Nürnberg, Scheller aus Forchheim unweit der fränkischen Großstadt. In Bayern können landsmannschaftliche Verbindungen hilfreich sein.

Die Krise des Unternehmens ist in Bayern zu einem Politikum geworden. Die Baywa beschäftigt weltweit 23.000 Personen. Sie ist ein wichtiger Akteur im Primärsektor.

Im flächenmäßig größten Bundesland ist die Firma ein bedeutender Arbeitgeber und zugleich „systemrelevant“. Der seit Mitte vergangenen Jahres hohe Verluste schreibende Mischkonzern kam zuletzt auf einen Jahresumsatz von 24 Mrd. Euro. Viele Landwirte, die die Baywa beliefern, sind zugleich auch Aktionäre des mit dem Genossenschaftssektor eng verbundenen Unternehmens. Aufgrund gestiegener Marktzinsen wachsen die Zinslasten dem Konzern über den Kopf. Zudem schreibt die Konzerntochter Baywa r.e., die Solar- und Windkraftanlagenprojekte betreibt, Defizite. Ursache dafür sind Lagerwertabschreibungen bei Solarpanels, seitdem China den Weltmarkt mit Dumpingangeboten überschwemmt.

Beteiligungsgeflecht als Schlüssel

Bei der Erstellung des Rettungsplans werden derweil dem Vernehmen nach alle möglichen Optionen durchgespielt. Am Donnerstag gab es ein weiteres Treffen der Gläubigerbanken. Erste Sondierungen am vergangenen Montag ergaben noch keine Ergebnisse. Bei den Verhandlungen ist die Tatsache entscheidend, dass die Kreditinstitute zusätzliche Sicherheiten einfordern, wenn sie frische Mittel in das Unternehmen nachschießen.

Für die Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern ist der größte Baywa-Einzelaktionär, die vom genossenschaftlichen Finanzverbund dominierte Bayerische Raiffeisen Beteiligungs-AG (BRB, 33,8%), Dreh- und Angelpunkt für eine Rettung. Die Kreditgenossen sind mit einem Anteil von 81% größter Anteilseigner der BRB, aber auch die Baywa selbst ist an der BRB beteiligt. Dessen Paket verbirgt sich hinter den 16%, die die BRB auf ihrer Internetseite bei den Angaben zur Aktionärsstruktur unter „genossenschaftliche Unternehmen anderer Rechtsform“ subsumiert. Die Kreditgenossen könnten diesen Baywa-Anteil erwerben, erfuhr die Börsen-Zeitung. Der Verkaufserlös daraus würde in die Kasse des Konzerns fließen, dessen Cash-Management bei der Liquiditätsbeschaffung zunehmend unter Druck gerät. Mit einer solchen Transaktion würde die Baywa allerdings Tafelsilber veräußern.

Große Gruppe von Gläubigern

Scheller und die BRB sicherten dieser Tage der Baywa eine „solidarische“ Hilfe zu. Als Überbrückungshilfe sollen dieser Tage über die BRB rund 70 Mill. Euro an die Firma geflossen sein. Auch der zweite Ankeraktionär, die Raiffeisen Agrar Invest AG aus Österreich (28,1%), drückte ihre Unterstützung aus.

Die drei größten Gläubigerbanken der Baywa sind die ebenfalls zum Genossenschaftsverbund gehörende DZ Bank mit Sitz in Frankfurt am Main, die Landesbank LBBW aus Stuttgart und die Münchner Unicredit-Tochter HypoVereinsbank. Dieses Trio schnürte vor vier Jahren federführend mit anderen Geldhäusern einen Konsortialkredit für den Konzern. Der 2 Mrd. Euro umfassende Kreditrahmen läuft im September kommenden Jahres aus.

Neue Belastungen drohen

Geht das Rettungspaket durch, dürfte die Wahrscheinlichkeit sehr hoch sein, dass die vom Baywa-Vorstand mit einem Sanierungsgutachten beauftragte Unternehmensberatung Roland Berger eine positive Fortführungsprognose für das Unternehmen abgibt. Dieser Tage verschob die Baywa ihre ursprünglich für den 8. August vorgesehene Vorlage des Halbjahresberichts auf den 27. September. Der Vorstand kassierte seine Prognose. Zugleich läuft ein Impairment-Test. Damit drohen dem Unternehmen zusätzlich hohe Firmenwertabschreibungen, die zwar nicht den Cashflow belasten, aber das Eigenkapital drücken.

Solange die Baywa noch ihre Schulden fristgerecht tilgen kann, ist eine Insolvenzanzeige beim zuständigen Amtsgericht in München wegen Zahlungsunfähigkeit nicht erforderlich. Aufgrund eines zuletzt angegebenen Eigenkapitalsockels von 1,59 Mrd. Euro ist die Baywa nach derzeitigem Stand nicht überschuldet, obgleich die Eigenmittel ebenfalls unter Druck stünden, sollten noch drastische Fehlbeträge hinzukommen. Für 2023 meldete der Konzern einen Nettoverlust von 93 Mill. Euro. Im ersten Quartal dieses Jahres ergab sich ein Defizit von 108 Mill. Euro. Zur Bilanzvorlage Ende März kündigte Pöllinger ein Restrukturierungsprogramm an, welches auch Stellenstreichungen umfasst. Mit der nun absehbaren Zerschlagung des Konglomerats wird die bevorstehende Sanierung eine noch viel größere Dimension annehmen.

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