RWE startet mit Rückenwind ins neue Jahr
ab Köln
– Bei RWE läuft es derzeit rund. Konnte der Kraftwerksbetreiber schon vor wenigen Wochen das Übertreffen der Planzahlen für 2021 verkünden, wird nun auch die Latte für den neuen Turnus höher gelegt. Demnach erwartet RWE für das bereinigte operative Konzernergebnis nun einen Wert in einem Korridor zwischen 3,6 und 4 Mrd. Euro, wie mitgeteilt wird. Damit wird der untere Prognoserand um 300 und der obere um 400 Mill. Euro erhöht. Für das Kerngeschäft (ohne Kohle und Kernenergie) wird ein bereinigtes Ebitda von 2,9 bis 3,3 (bislang: 2,75 bis 3,05) Mrd. Euro vorhergesagt. Doch auch für das Geschäft mit Kohle und Kernenergie wird die Latte um 100 Mill. Euro höher gelegt.
Rückenwind geben die hohen Energiepreise, welche die Margen steigen lassen und sich bis ins bereinigte Nettoergebnis durchziehen, das nun in einer Größenordnung von 1,3 bis 1,7 (1,1 bis 1,4) Mrd. Euro erwartet wird. Nach vorläufigen Zahlen hat RWE im abgelaufenen Turnus auf bereinigter Basis netto 1,6 Mrd. Euro erzielt. Dabei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass RWE im Energiehandel im vorigen Jahr außergewöhnlich gut verdiente. Mit einer Wiederholung wird 2022 nicht gerechnet.
An der Börse kam die Nachricht gut an. Mit einem Kurssprung um 4,7 % führte der Energiekonzern die Gewinnerliste im Dax an. Zugleich stellte RWE für das gerade erst angelaufene Geschäftsjahr eine unveränderte Dividende von 0,90 Euro in Aussicht. Das entspricht der auf dem Kapitalmarkttag im vergangenen November definierten Untergrenze.
Derweil geht die Auseinandersetzung mit dem aktivistischen Investor Enkraft Capital, der auf eine Abtrennung der Kohleaktivitäten dringt, in die nächste Runde. In einem der Börsen-Zeitung vorliegenden Brief weist Aufsichtsratschef Werner Brandt die zuvor gegen das Kontrollgremium erhobenen Vorwürfe entschieden zurück. Benedikt Kormaier, der hinter Enkraft stehende Investor, hatte bemängelt, dass sich die Kontrolleure nur bedingt inhaltlich mit der vom Vorstand erarbeiteten Strategie und deren zeitlicher Umsetzung auseinandersetzten.
Zugleich bemängelte Kormaier die im Kontrollgremium vorhandene Expertise mit Blick auf erneuerbare Energien. In deren Aufbau will RWE milliardenschwere Investitionen tätigen. Der Kritik hält Brandt entgegen, dass das Anforderungsprofil an die Aufsichtsratsmitglieder 2019 im Zuge der Neuausrichtung des Konzerns gezielt weiterentwickelt wurde. Insbesondere werde im neuen Anforderungskatalog auch auf Kompetenzen in den Gebieten erneuerbare Energien, neue Technologien und Digitalisierung Wert gelegt.
Entsprechend seien die Kandidaten, welche die Hauptversammlung 2021 mit über 90 % Zustimmung gewählt habe, ausgewählt worden. Zudem sei der Aufsichtsrat in die Ausarbeitung der auf dem Kapitalmarkttag im November vorgestellten „Growing Green“-Strategie „auf das Engste eingebunden“ gewesen.
Enkraft Capital, die RWE seit vorigem Herbst attackiert, verlangt den schnellen Rückzug aus der Braunkohleverstromung. RWE wehrt sich jedoch gegen einen Schnellschuss, bei dem sozial- und gesellschaftspolitische Interessen ins Hintertreffen gerieten. Der Aufsichtsrat lege ein besonderes Augenmerk auf die Steigerung des Unternehmenswertes. „Gleichzeitig galt und gilt es für Vorstand und Aufsichtsrat, die Interessen sämtlicher Stakeholder zu berücksichtigen“, bescheidet Brandt. Ohnehin hat sich die von Enkraft konstatierte Unterbewertung der RWE-Aktie im Vergleich zu reinrassigen Anbietern von erneuerbaren Energien wie der dänischen Ørsted seit Herbst spürbar relativiert.
Nach früheren Angaben besitzt Enkraft Capital 500000 Aktien an RWE. Das entspricht zwar nur einem Bruchteil der 672 Millionen ausstehenden Aktien, gleichwohl haben es einige Aktivisten in der Vergangenheit geschafft, andere Investoren hinter sich zu versammeln. So hatte es der Hedgefonds Engine No. 1 geschafft, mehrere Verwaltungsratssitze bei Exxon nach seinen Vorstellungen zu besetzen. Gerade Klimathemen haben sich zuletzt als beliebtes Einfallstor für Aktionärsaktivisten entpuppt.