S & P nimmt auch den Mittelstand unter die Lupe

US-Ratingagentur rechnet mit starkem Wachstum von Privatplatzierungen in Europa - Andere Skala

S & P nimmt auch den Mittelstand unter die Lupe

md Frankfurt – Standard & Poor’s (S & P) führt in Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine Mittelstands-Bonitätseinschätzung ein, die Unternehmen Zugang zu neuen Finanzierungsquellen verschaffen soll. In der Einschätzung wird von “Analysten aus dem selben Kulturkreis”, die deshalb auch die Landessprache beherrschen, die relative Fähigkeit und Bereitschaft des Mittelständlers bewertet, seinen finanziellen Verpflichtungen bei Fälligkeit nachzukommen. Im Gegensatz zu Kreditratings werden die Ergebnisse nicht öffentlich bekannt gegeben, sondern nur einer begrenzten Zahl von Kreditgebern, Investoren oder sonstigen, durch das mittelständische Unternehmen ausgewählten Dritten zur Verfügung gestellt. Großes MarktpotenzialDer US-Dienstleister schätzt, dass die Mittelständler in Europa in den nächsten fünf Jahren Finanzierungen von bis zu 3,5 Bill. Euro benötigen. Davon entfielen etwa 2,7 Bill. Euro auf die Refinanzierung bestehender Kredite und circa 800 Mrd. Euro auf Investitions- und Expansionsvorhaben bis 2018.Entsprechend groß sei das Potenzial etwa von Schuldscheinen und privat platzierten Bonds durch Mittelständler, für deren Erfolg aber ein Rating bzw. eine Bonitätseinschätzung nötig sei. Laut dem S & P-Research wird der Markt für Privatplatzierungen in Europa dieses Jahr im Vergleich zu 2012 mit 20 Mrd. Dollar zwar nur stagnieren, doch für 2020 sagen die Amerikaner ein Volumen von mehr als 40 Mrd. Dollar voraus. Hinzu komme, dass allein im vergangenen Jahr europäische Unternehmen in den USA rund 22 Mrd. Dollar über Privatplatzierungen aufgenommen haben.Dagegen richte sich das neue Angebot der Bonitätsermittlung nicht anEmittenten von Mittelstandsanleihen, machte Torsten Hinrichs, Managing Director von S & P und Niederlassungsleiter in Deutschland, vor Journalisten deutlich. Mit Mittelstandsanleihen, die gerade einen Boom erleben, hat S & P keine guten Erfahrungen gemacht. Der einzige Emittent, der bewertet wurde, war Siag Schaaf. Der Zulieferer für die Windenergiebranche erhielt Mitte 2011 von den Analysten nur die Note “B- ” und der Bond sogar nur “CCC+”. Die Vorsicht war berechtigt: Siag Schaaf ist längst zahlungsunfähig.Nach der Definition des Finanzdienstleisters machen mittelständische Unternehmen zwischen 100 Mill. und 1,5 Mrd. Euro Umsatz und sind mit weniger als 500 Mill. Euro verschuldet. Nur für diese Gruppe, zu der in den drei Ländern, in denen die Bonitätseinschätzung eingeführt wird, etwa 5 400 Unternehmen zählten, erstellt S & P im Auftrag eine Bewertung, begleitet von einem Bericht zu den wichtigsten Bonitätsstärken und -schwächen.Das Paket solle pro Jahr 40 000 Euro kosten. Zum Vergleich: Der Aufwand für ein Rating, das bei der Emission einer Mittelstandsanleihe fällig wird, liegt je nach Unternehmensgröße und beauftragtem Bonitätsermittler (z. B. Creditreform oder Scope Ratings) zwischen 30 000 und 60 000 Euro. Nicht unter Mittelstand fallen bei S & P in jedem Fall Finanzinstitute, Projektfinanzierer, Versorger und LBOs (Leveraged Buy-outs, also fremdkapitalfinanzierte Unternehmensübernahmen). 40 000 Euro pro JahrDie Erstellung einer Bonitätseinschätzung werde im Schnitt etwa eine Woche dauern, sagte Hinrichs. Doch “eine Mittelstands-Bonitätseinschätzung ist kein Kreditrating, und es stellt keinen Ersatz für ein Kreditrating dar”, wie betont wird.Augenfällig ist, dass für die “Mid-Market-Evaluation” nicht die bei S & P übliche, 22 Noten umfassende Skala von “AAA” bis “C” plus “D” bei Zahlungsausfall gilt, sondern eine neue Skalierung mit neun Stufen von “MM 1” bis “MM 8” plus “MM D”. Die Note “MM 1” entspreche mindestens einem “BBB”-Rating, “MM 8” sei dagegen mit einem “CC”-Rating vergleichbar, sagte Tobias Mock, bei S & P Managing Director und Lead Analytical Manager für Unternehmensratings ind Europa, Mittlerer Osten und Afrika.Die Bewertungen der Mittelständler können das Zusatz “+” oder “- ” tragen; das habe aber nichts mit dem Sinn der Vorzeichen bei den üblichen Ratings zu tun (die dort den Unterschied von einem Notch zum nächsten ausmachen), sondern sei ein Zusatznutzen für die Gläubiger: Das Plus-Zeichen signalisiere einen Recovery-Wert von über 70 %, das heißt bei einem Zahlungsausfall dürften Gläubiger im Schnitt noch mehr als 70 % der gesamten Summe zurückerhalten. Analog gilt für das Minuszeichen, dass man mit weniger als 30 % rechnen muss.