Neues Research zeigt

Sanierungsfälle in Deutschland nehmen zu

Neues Research von Alvarez & Marsal zeigt eine Zunahme von Restrukturierungsfällen in Deutschland. Im europäischen Vergleich schocken vor allem die Performance-Probleme deutscher Unternehmen.

Sanierungsfälle in Deutschland nehmen zu

Mehr Firmenkrisen in Deutschland

Research von Alvarez & Marsal zeigt steigende Restrukturierungszahlen

phh Frankfurt

Die Probleme in den Bilanzen europäischer Unternehmen werden wieder größer. Wie neues Research der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal (A&M) zeigt, hat die Anzahl von notleidenden Unternehmen in Europa zuletzt wieder zugenommen. Dem Distress Alert von A&M zufolge hat sich im vergangenen Jahr der Anteil von Distressed-Unternehmen gegenüber dem Vorjahr von 8,3% auf 9,2% erhöht und befindet sich damit auf dem höchsten Stand seit Ausbruch der Coronapandemie im Jahr 2020.

Unter Distressed-Firmen versteht A&M Unternehmen, die sowohl Performance- als auch Bilanzprobleme haben. Der Anteil europäischer Unternehmen mit Performance-Problemen stieg 2023 von 4% auf 4,4%, während der Anteil von Unternehmen mit Bilanzproblemen um einen Prozentpunkt auf 22% zulegte.

Deutsche Unternehmen haben Performance-Probleme

Die deutschen Zahlen lesen sich sogar noch schlechter. So liegt die Distressed-Quote mit 9,4% leicht über dem europäischen Durchschnitt. Der Anteil deutscher Unternehmen mit Performance-Problemen ist auf 15,7% gestiegen, der von Firmen mit Bilanzproblemen auf 27,8%. Im europäischen Vergleich verfügen deutsche Unternehmen zwar über hohe bilanzielle Reserven, von denen sie in der Krise zehren können. „In nächster Zeit muss aber an der Performance gearbeitet werden. Da wurde in den vergangenen Jahren zu wenig gemacht“, sagt Volker Groß, Managing Director bei A&M.

Durch die Corona-Hilfen wurden Unternehmen am Leben gehalten, deren Geschäftsmodelle nicht mehr intakt waren.

Volker Groß, Alvarez & Marsal

„Durch die Corona-Hilfen wurden Unternehmen am Leben gehalten, deren Geschäftsmodelle nicht mehr intakt und mindestens transformations-, wenn nicht sogar restrukturierungsbedürftig waren“, so Groß. Diese Fälle kämen jetzt so langsam an die Oberfläche. Einige Branchen stehen dabei besonders im Feuer. In Deutschland sind das vor allem die Bereiche Infrastruktur, Immobilien, Energie, Einzelhandel, Automotive und Chemie.

Das Problem deutscher Chemieunternehmen

Infrastrukturprojekte laufen Groß zufolge in Deutschland zu langsam und seien aufgrund komplexer Genehmigungsverfahren schwer planbar. In der Chemie habe der Wettbewerb durch chinesische Unternehmen zugenommen und deutsche Firmen würden unter hohen Energiepreisen leiden. „Deutsche Chemieunternehmen sind noch profitabel, machen ihre Gewinne aber außerhalb von Deutschland. Die kritischen Anzeichen mehren sich, dass diese Unternehmen mit ihren Investitionen ins Ausland abwandern“, so Groß.

Deutsche Chemieunternehmen sind noch profitabel, machen ihre Gewinne aber außerhalb von Deutschland.

Volker Groß, Alvarez & Marsal

Die Immobilien- und Automobilbranche sieht Groß nicht grundsätzlich kritisch. Man müsse sich die Einzelfälle ansehen. „Vor allem bei Automotive verstehe ich nicht, warum insbesondere Zulieferer bei Banken derzeit pauschal abgestraft werden“, kritisiert Groß. Auch die großen Hoffnungen, die in Debt Funds gesetzt wurden, hätten sich bislang nicht erfüllt.

S&P warnt vor hohen Fälligkeiten

A&M erwartet einen weiteren Anstieg von Restrukturierungsfällen. Das umfasst dem Report zufolge auch sogenannte Waiver und Amend-and-Extend-Lösungen. Dabei einigen sich gestresste Unternehmen mit ihren Fremdkapitalgebern darauf, fällige Zinszahlungen auszusetzen oder eine fällige Fremdfinanzierung zu verlängern, anstatt diese zurückzuführen oder zu refinanzieren. A&M verweist dabei auf die aktuelle Schätzung der Ratingagentur S&P, derzufolge in Europa bis zum Jahresende Unternehmensschulden im Wert von 763,2 Mrd. Dollar fällig werden. Bis Ende 2025 soll die Summe auf 961 Mrd. Dollar steigen.

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