SAP-Zukauf Leanix soll Transformationen erleichtern
SAP-Zukauf Leanix soll Transformationen erleichtern
Lösungen sollen Kunden mehr Überblick über IT-Landschaft verschaffen – Investor: IPO war „valide Option“
sar Frankfurt
Mit der Übernahme des 600 Beschäftigte umfassenden Softwareunternehmens Leanix aus Bonn will SAP das Portfolio für Geschäftstransformationen erweitern. Leanix soll Kunden helfen, einen vollständigen Überblick über ihre IT-Landschaften zu erhalten und veraltete Anwendungen zu erkennen. Ein Überblick über die genutzten Anwendungen ist die Voraussetzung dafür, dass Unternehmen ihre IT-Infrastruktur modernisieren können. SAP-Kunden soll Leanix etwa bei der Transformation im Rahmen des Programms „Rise with SAP“ unterstützen, das Nutzern den Weg in die Cloud ebnen soll.
Viele Unternehmen scheuen Veränderungen an der IT-Landschaft, weil diese einen hohen Aufwand bedeuten. Leanix arbeitet an Lösungen, um solche Projekte zu erleichtern. Das 2012 von Jörg Beyer und André Christ gegründete Unternehmen ist seit zehn Jahren strategischer Partner von SAP sowie von Signavio, einem Spezialisten für Geschäftsprozessmanagement, den die Walldorfer vor zwei Jahren für knapp 1 Mrd. Euro übernommen haben. Einer Mitteilung zufolge hat Leanix derzeit mehr als 1.000 Kunden.
Leanix arbeitet an Lösungen mit künstlicher Intelligenz
Unter anderem bietet Leanix einen Assistenten an, der das Management von IT-Landschaften mithilfe generativer künstlicher Intelligenz (KI) unterstützen soll. So könnte die IT-Infrastruktur stärker automatisiert gesteuert werden. Perspektivisch könnte die KI Empfehlungen für weitere Veränderungen in der Systemlandschaft aussprechen.
Das Ziel seien „selbstoptimierende Anwendungen und Prozesse“ durch Einsatz generativer KI, sagte SAP-CEO Christian Klein. Die Walldorfer wollen ihr KI-Angebot deutlich ausbauen und für die Produkte bis zu 30% Preisaufschlag durchsetzen.
SAP rechnet damit, die Leanix-Übernahme im vierten Quartal dieses Jahres abschließen zu können. Details zum Kaufpreis wurden nicht bekannt. Das „Handelsblatt“ beziffert die Bewertung für Leanix unter Berufung auf Marktkreise auf knapp 1,2 Mrd. Euro.
Thomas Preuss, DTCPEin IPO war eine valide Option für Leanix.
„Es ist äußerst ermutigend, in der aktuellen Marktlage eine Akquisition von dieser Bedeutung in Deutschland zu verzeichnen“, sagt Thomas Preuss, Managing Partner bei Digital Transformation Capital Partners (DTCP), der die Gründer und das Management von Leanix seit 2017 begleitet.
Hinter DTCP, die zuletzt rund 22% an Leanix hielt, steht neben anderen institutionellen Investoren die Deutsche Telekom als Ankerinvestor. DTCP hat schon einmal einen Exit an SAP getätigt: Sie hatte sich 2019 im Zuge einer Finanzierungsrunde auch an Signavio beteiligt.
SAP habe für Leanix „ein sehr attraktives Angebot“ unterbreitet, sagt Preuss. Grundsätzlich sei auch ein Börsengang des Unternehmens denkbar gewesen. „Ein IPO war eine valide Option für Leanix“, sagt Preuss. Weitere Finanzierungsrunden seien dagegen nicht geplant gewesen. „Das Unternehmen brauchte kein zusätzliches Kapital, um sein Wachstum zu finanzieren.“
Auch Goldman Sachs Growth investierte in Leanix
Die Seed-Finanzierungsrunde hat Leanix 2016 abgeschlossen und im Sommer 2020 über eine Series-D-Finanzierungsrunde mehr als 80 Mill. US-Dollar eingesammelt. Angeführt wurde die Series D von Goldman Sachs Growth als neuem Investor. Zu den weiteren Geldgebern der Bonner zählten Insight Partners, Capnamic Ventures, Iris Capital und Dawn Capital. Insgesamt hat Leanix nach eigenen Angaben bei Investoren 120 Mill. Dollar eingesammelt.
Laut dem Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2021 – dem jüngsten, der im Bundesanzeiger verfügbar ist – erzielte Leanix 2021 mit damals noch gut 400 Mitarbeitern aufgrund starken Wachstums einen Jahresfehlbetrag im Konzern von 18,5 Mill. Euro. Das Unternehmen bezeichnet sich darin selbst als „Scale-up“ in einer Wachstumsphase, die Umsatzerlöse waren im Vergleich zu 2020 um 57% auf 37,4 Mill. Euro gestiegen.
Ein Drittel der Kunden kommt aus den USA
Die wichtigsten Märkte für Leanix sind die USA (30% aller Kunden) sowie Deutschland (25%). Das Unternehmen ist seit 2018 auf dem US-Markt präsent. „Leanix hat im aktuellen Jahr bei starkem Wachstum kein Geld mehr verbrannt“, kommentiert Investor Preuss die jüngste Entwicklung bei Leanix. Die zentrale Kennzahl ist für ihn der jährlich wiederkehrende Umsatz (Annual Recurring Revenue, ARR). Die Bonner streben bis zum Ende dieses Jahres einen ARR von 100 Mill. Euro an.
Preuss hofft, dass der Leanix-Verkauf an SAP dem zuletzt gebeutelten Transaktionsmarkt für jüngere Unternehmen wieder etwas Schwung verleihen könnte. „Nach schwierigen 18 Monaten könnte dies ein Leuchtturmdeal sein, der dem Markt wieder Vertrauen gibt.“
Allen & Overy hat SAP bei der Übernahme beraten. Der Kanzlei zufolge ist es eine der bisher größten Venture-Capital-Transaktionen in Deutschland.