Scheidender Thyssenkrupp-CFO Schulte unter Beschuss
Scheidender Thyssenkrupp-CFO Schulte unter Beschuss
Aufhebungsvertrag geschlossen – Harsche Kritik an Vorstandschef und Krupp-Stiftung – Viele Fragen zu Portfolioumbau
ab Köln
Unanständig, inakzeptabel, nicht tragbar. Das waren die Worte, mit denen die Aktionäre von Thyssenkrupp das vorzeitige Ausscheiden von Finanzvorstand Jens Schulte in der Hauptversammlung kommentierten. Dieser hatte im Dezember nach nur sechs Monaten im Amt um die Aufhebung seines Vorstandsvertrags gebeten. Schulte wechselt in gleicher Funktion zur Deutschen Börse. Insbesondere die vereinbarte Antrittsprämie von 1,8 Mill. Euro, die Schulte vor seinem Wechsel zu Thyssenkrupp ausgehandelt hatte, stieß auf breite Kritik. Geflossen sind bislang 600.000 Euro.
Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm berichtete, dass Schulte im Rahmen einer am Vortag geschlossenen Aufhebungsvereinbarung auf weitere Zahlungen verzichte. „Wir halten das für eine angemessene Lösung.“ Sign-on Boni seien nicht unüblich. „Wenn wir die besten Leute haben wollen, müssen wir uns daran halten“, rechtfertigte Russwurm.
Abgang spätestens im Mai
In der Aufhebungsvereinbarung ist auch festgelegt, dass Schulte spätestens Ende Mai 2025 aus dem Unternehmen ausscheidet. Sollte ein Nachfolger zu einem früheren Zeitpunkt gefunden sein, sei ein früheres Ausscheiden möglich, erläuterte Russwurm. Der Personalausschuss des Aufsichtsrats stehe mit potenziellen Kandidaten in Gesprächen. „Ich bin zuversichtlich, zeitnah zu einer Entscheidung zu kommen.“
Doch nicht nur Schulte, der sich auch nach direkter Aufforderung nicht zu der Vereinbarung äußerte, stand unter Beschuss. Kritik mussten sich auch Vorstandschef Miguel López und Aufsichtsratsmitglied Ursula Gather in ihrer Funktion als Chefin der Krupp-Stiftung anhören. Hendrik Schmidt von der DWS forderte ein „klares Konzept“, wie das Vertrauen am Kapitalmarkt zurückgewonnen werden könne. Die Bilanz für López, der seit Juni 2023 an der Vorstandsspitze steht, fällt wenig schmeichelhaft aus: 2024 ist der Kurs um mehr als 50% eingebrochen. Unabhängig davon, dass sich der MDax-Wert seit Jahresbeginn positiv entwickelt hat, bringt die einstige Industrieikone aktuell nur gut 3 Mrd. Euro auf die Börsenwaage.
Stahl-Deal „intransparent“
„Das aktuelle Kursniveau spiegelt nicht annähernd den Wert von Thyssenkrupp wider (…) und erst recht die sehr guten Zukunftsperspektiven“, räumte López ein. Doch während López betont, das Unternehmen brauche sein „Licht nicht unter den Scheffel zu stellen“, fällt die Bewertung der Aktionäre gänzlich anders aus. Bei Thyssenkrupp mangele es nicht an der Problemanalyse, sondern „umso mehr an der Umsetzung der erforderlichen Lösungsschritte“, sagte Schmidt. Zahlreiche Fragen rankten sich um den eingeleiteten Portfolioumbau. Neuigkeiten gab es dazu gleichwohl keine.
Auch Ingo Speich, der bei der Deka den Bereich Nachhaltigkeit und Corporate Governance leitet, sprach von einem „wieder einmal verlorenen Jahr“. Entgegen der Ankündigung habe sich der Umbau von Thyssenkrupp nicht beschleunigt. „Es herrscht Stillstand.“ Den eingefädelten Stahl-Deal wie auch das Performance-Programm Apex bezeichnete Speich als „intransparent“. Der Deka-Mann kündigte an, gegen die Dividende, die Entlastung des Vorstands und den Beschluss zur virtuellen Hauptversammlung zu stimmen.
Denkzettel bleibt aus
An den Abstimmungsergebnissen ließ sich scharfe Kritik jedoch kaum ablesen. Das dürfte auch an der geringen Präsenz von 48,8% des Grundkapitals gelegen haben. Allein die Stiftung hält knapp 21% am Grundkapital. Mit Ausnahme der Ermächtigung zur virtuellen HV (94,9%) wurden alle Tagesordnungspunkte mit über 96% der Stimmen angenommen.