Schwache Erträge aus der Mode
Preisdruck, gesättigte Märkte und vor allem der Zug ins Internet setzen der Modebranche zu. Hersteller und Handel geraten immer stärker unter Druck. Doch hohe Retourenquoten freuen nur Logistikunternehmen. Umwälzungen und Ertragsschwäche dünnen die Branche aus.Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtDer Modemarkt in Europa ist gesättigt; das gilt im Speziellen auch für den deutschen. Branchenkenner rechnen weder mit nennenswertem Wachstum noch mit markantem Erlösrückgang. Was sich aber verändert ist die Umsatzverteilung nach Kanälen. Wurden 2012 noch 80 % über den stationären Handel abgesetzt, so waren es 2015 weniger als 65 %. Im Gegenzug stieg der Anteil der Verkäufe über das Internet von 15 % auf über 25 %. Diese Verschiebung ist für viele, vor allem kleine und mittlere Unternehmen nur schwer zu verkraften, drückt das steigende Online-Geschäft doch aus verschiedenen Gründen die Marge. Multi-Channel verbreitetDas Problem für die Unternehmen ist nicht so sehr, den Umsatz mit steigendem E-Commerce-Anteil stabil zu halten. Viele Modehersteller und vor allem -händler haben den Trend schon vor Jahren erkannt und entsprechend gehandelt, indem sie einen Online-Shop aufmachten. Beispielhaft sei hier Peek & Cloppenburg genannt: Der Bekleidungshauskette mit Sitz in Düsseldorf sei es mit Hilfe des Internetgeschäfts gelungen, die Erlöse in den vergangenen vier Jahren zu halten, heißt es aus der Branche. Doch während P & C früher eine prozentual zweistellige Umsatzrendite erwirtschaftet habe, sei es mit der Profitabilität heute nicht mehr weit her, weil einst gewinnträchtiges stationäres Geschäft in den kaum rentablen Online-Handel abwanderte.Große Online-Händler mit starker Kundenfrequenz wie Zalando schaffen inzwischen die Gewinnschwelle. 2009 gestartet, wies das MDax-Unternehmen für 2015 erstmals positive Ergebnisse aus. Der steigende Umsatz, verbunden mit Marktanteilszuwächsen, hat also zu Gewinn geführt. Wer aber genau hinsieht, stellt fest, dass der Überschuss nicht aus dem Handelsgeschäft kommt, sondern aus dem Marktplatzgeschäft. P & C, Breuninger und viele andere Modeanbieter haben ausschließlich ein Handelskonzept – sowohl stationär als auch digital. Das heißt, die Ware wird eingekauft und verkauft.Dagegen betreibt Zalando nur zu einem kleineren Teil Handelsgeschäft; der größere Teil besteht darin, Markenherstellern die Webseite als Angebotsplattform zur Verfügung zu stellen. Diese müssen für Verkäufe über die Zalando-Seite an das Unternehmen Provision zahlen. Das war auch das Ziel von Zalando, denn die Firma investierte lange Zeit in steigende Frequenzen, sprich: Kundenbesuche, ohne zunächst Erträge daraus erzielen zu können. Inzwischen ist das Unternehmen mit Sitz in Berlin Europas größter Online-Modehändler mit entsprechend hohen Besucherzahlen auf seiner Webseite. Höhere KostenWenn nun Markenhersteller ihre Produkte über die Zalando-Seite verkaufen, kostet das Zalando keinen Cent mehr. Die Folge: Jeder Euro an Provision, der auf diese Weise in die Kasse von Zalando fließt, wird auch netto verdient. Das gilt für die Online-Einnahmen klassischer Händler wie P & C und Breuninger nicht.Lange Zeit haben Markenhersteller wie Hugo Boss und Tom Tailor Anbietern wie Hennes & Mauritz und Inditex, zu der die Einzelhandelskette Zara gehört, nachgeeifert. Denn die Schweden und die Spanier kontrollieren die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Verkauf und haben damit gezeigt, wie erfolgreich ein vertikales Geschäftsmodell sein kann.Die Vorteile liegen auf der Hand: Wenn der Hersteller in eigenen Geschäften direkt an den Endkunden verkauft, hat er mehr Kontrolle über die eigene Marke, kann die hohen Margen für den Groß- und Einzelhandel selbst kassieren und so die eigene Rendite steigern.Der Einstieg in den Einzelhandel ist für Modeproduzenten aber mit einem Fixkostensprung verbunden. Und es gibt viele Fallen, in die man tappen kann, etwa in der Standortakquise, der Logistik, der IT, der Warenpräsentation oder bei der Personalauswahl. Und selbst wenn all diese Klippen umschifft werden oder man wenigstens aus Fehlern gelernt hat, kann doch noch etwas schiefgehen, worauf man nur wenig oder keinen Einfluss hat (Wachstumsverlangsamung in wichtigen Abnehmerländern wie China, Wettereinflüsse etc.). So hat sich inzwischen angesichts verlangsamten Erlöswachstums bzw. sogar rückläufiger Umsätze in den eigenen Shops – nicht zuletzt aufgrund der Verlagerung ins Internet – die Begeisterung für den Ausbau dieses Vertriebskanals deutlich gelegt. Teilweise werden sogar Läden geschlossen. Den Vorteil einer vertikalen, also ungeteilten Marge bringt auch der Verkauf übers Internet an den Endkunden. Online-Anbieter müssen keine Miete zahlen. Und eine Software, die bei der Auswahl des richtigen Produkts (Größe, Farbe und sonstige Variationen) hilft, ist – selbst wenn sie noch so aufwendig ist – auf längere Sicht günstiger als ein Verkaufsberater. Dafür fallen bei Online-Händlern häufig Logistik- und Portokosten an, weil oft portofrei geliefert wird. Jedes zweite Teil geht zurückDas führt zu einem, speziell für die Profitabilität der Modebranche, wesentlichen Faktor: der Retourenquote. Sie liegt in der Regel zwischen 45 und 50 %. Das heißt, statistisch gesehen wird fast jeder zweite gekaufte Anzug, jedes zweite gekaufte Kleid wieder zurückgeschickt. Die Gründe lassen sich auf zwei reduzieren: passt nicht oder gefällt nicht. Dabei gilt: Je ausgefeilter das Passformangebot auf der Internetseite und je modisch unkomplizierter die Ware (Farbe, Druck etc.), desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Rücksendung. Eine hohe Retourenquote freut die Logistikunternehmen, denn sie verdienen an dem Hin und Her prächtig. Die Händler sind von der Rücksendung beinahe jedes zweiten Teils naturgemäß weniger angetan, da sie die Kosten zu tragen haben. Die Kombination aus geteilter Marge und hoher Retourenquote führt dazu, dass die meisten stationären Händler, die einen Online-Shop aufmachen, kaum noch Geld verdienen. Rabattschlachten onlineHinzu kommen gerade in der Bekleidung häufige Rabattschlachten im Internet, die auch die Hersteller treffen. Das erklärt, warum derzeit fast alle börsennotierten Modehändler und Textilproduzenten, die ihre Zahlen veröffentlichen müssen, so schwache Ergebnisse präsentieren.Als eine der Gegenmaßnahmen treiben die klassischen Fachhändler ihr Geschäft mit Eigenmarken voran, die “schon mal fünf Prozentpunkte mehr an Marge bringen als Fremdmarken”, so ein Manager aus der Textilbranche. Sie sind mit den eigenen Labels vor allem im Basic-Bereich unterwegs, peilen aber zunehmend – ermutigt von Erfolgen in der Grundausstattung – höherwertige Segmente an.Noch können sich Einzelhändler und Markenhersteller den Luxus leisten, Verluste im Online-Geschäft im Gesamtportfolio zu verstecken, doch irgendwann muss auch mit dem E-Commerce Geld verdient werden. Es wird Unternehmen geben, die das schaffen, andere nicht. Darunter werden einst rein stationäre Händler ebenso sein wie reine Online-Player.