Hauptversammlung

Schwächen im Automotive-Bereich von Continental treiben Aktionäre um

Nach dem schwachen ersten Quartal im Automotive-Bereich von Continental zweifeln Aktionäre die bestätigte Jahresprognose des Autozulieferers an. Für Ratingagenturen ist eine Verbesserung der Bonitätsnoten derzeit nicht in Sicht.

Schwächen im Automotive-Bereich von Continental treiben Aktionäre um

Schwächen im Automotive-Bereich von Continental treiben Aktionäre um

Aufsichtsratschef Reitzle dringt auf Profitabilitätssteigerung – Ratingagenturen: Verbesserung der Bonitätsnoten derzeit nicht in Sicht

Von Carsten Steevens, Hamburg

Erstmals seit 2019 hat sich Continental zur diesjährigen Hauptversammlung wieder für das Präsenzformat entschieden. Das greifen Aktionärsvertreter nach Beginn der Generaldebatte im Kuppelsaal des Congress-Centrums von Hannover gleich auf. Christian Retkowski von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) lobt die Rückkehr und erinnert Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle an die technischen Probleme während dessen Rede beim virtuellen Aktionärstreffen im vergangenen Jahr.

Positiv äußern sich Redner wie Retkowski oder Arne Bruns von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in der Hauptversammlung des Autozulieferers und Reifenherstellers auch über „solide“ Zahlen des Konzerns im Geschäftsjahr 2023. Die Rahmenbedingungen seien „komplex“ gewesen.

Schlechter als Bayer

Den letztjährigen Anstieg des Continental-Aktienkurses um 37,4% auf knapp 77 Euro nennt der SdK-Sprecher „relativ erfreulich“. Dieser Eindruck, so fügt er hinzu, trüge aber mit Blick auf das Langfristchart. Über den Zeitraum der vergangenen fünf Jahre stehe ein Kursverlust von 45% zu Buche und damit die schlechteste Kursentwicklung aller Dax-Unternehmen in diesem Zeitraum. Continental schneide sogar schlechter ab als Bayer, moniert Retkowski: „Das ist sehr bedauerlich.“

DSW-Vertreter Bruns kritisiert den Dividendenvorschlag. Der sieht eine Anhebung um 70 Cent auf 2,20 Euro je Aktie und eine um 140 Mill. auf 440 Mill. Euro steigende Ausschüttungssumme vor. Die Dividendenquote von rund 38% liegt nach der Neudefinition beim Kapitalmarkttag von Continental im vorigen Dezember nahe am oberen Rand des erhöhten Zielkorridors von 20 bis 40% des Nettoergebnisses. Eine höhere Dividende wäre drin gewesen, sagt Bruns und signalisiert, dem Vorschlag der Verwaltung nicht zuzustimmen. „50% sollten es schon sein.“

Fragen zur Prognose

Fragen in der Debatte lösen die enttäuschenden Ergebnisse von Continental im ersten Quartal aus. Woher der Vorstand die Zuversicht nehme, die Geschäftsjahresziele zu bestätigen, will der DSW-Sprecher wissen. Vorstandschef Nikolai Setzer konzediert, man habe das laufende Jahr schwach begonnen. Vor zehn Tagen hatte der Konzern auf vorläufiger Basis darüber informiert, im Automotive-Bereich mit einer bereinigten operativen Rendite von −4,3 (i.V. +0,8)% im ersten Quartal tiefer als von Analysten erwartet in die Verlustzone geraten zu sein. Der Aktienkurs rutschte weiter ab und hat seit Ende 2023 fast ein Fünftel verloren.

Dass die Prognose für den Konzern und alle Unternehmensbereiche weiterhin Bestand habe, erklärt Setzer mit Verweis auf Preisverhandlungen mit Kunden im Automotive-Bereich, auf einen starken Start des Reifen-Bereichs im zweiten Quartal, auf die erwartete Erholung der Industrienachfrage bei Contitech sowie auf die Arbeit an Effizienzverbesserungen. Zugleich unterstreicht der Konzernchef, dessen Vertrag der Aufsichtsrat vor Jahresfrist bis Ende März 2029 verlängerte, dass Continental robuster aus dem vergangenen Turnus hervorgegangen sei.

Traditionelle Stärken

Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle erklärt, es sei sehr erfreulich, dass der Konzern auf seine traditionellen Stärken vertrauen könne und die Bereiche Tires (Reifen) und Contitech weiterhin mit guten Ergebnissen überzeugten. Er betont die Unterstützung für den Vorstand, hebt aber zugleich hervor, worauf es jetzt ankomme.

Auch wenn guter Grund bestehe, an der Gesamtprognose für den Konzern festzuhalten, zeigten die Zahlen des ersten Quartals, dass der Automotive-Bereich auf dem eingeschlagenen Kurs „noch mehr Gas geben“ müsse, sagt der 75-Jährige, der sich anders als ursprünglich geplant in der Hauptversammlung für weitere zwei Jahre mandatieren lässt. Das gelte vor allem bei Umsetzungsstärke, Innovationen und bei der Gesamt-Performance. „Wir im Aufsichtsrat erhoffen uns hier schnelle und deutliche Fortschritte, denn nur so können die Automotive-Geschäfte für Continental zu einem Gewinn werden und für Continental auch Wert schaffen.“

Pläne für Ergebnissteigerung

Konzernchef Setzer verweist auf die beim Kapitalmarkttag im Dezember vorgestellten kurz- und mittelfristigen Zielsetzungen. Etwa die, sich im Automotive-Bereich auf stark wachsende und wertschaffende Geschäftsfelder zu konzentrieren. Damit die operative Rendite, die 2023 mit 1,9% im Gesamtjahr erstmals seit vier Jahren wieder positiv ausfiel, über den Zeitraum von drei bis fünf Jahren bei 6 bis 8% liegt, will Continental unter anderem Kosten in der Verwaltung um 400 Mill. Euro jährlich ab 2025 senken.

Strategische Optionen soll die organisatorische Eigenständigkeit des Geschäfts mit Anzeige- und Bediengeräten (User Experience) schaffen, zudem werden Portfoliomaßnahmen für weitere Automotive-Geschäfte mit einem Umsatz von zuletzt 1,4 Mrd. Euro geprüft. Die Nettokosten für Forschung und Entwicklung in dem Bereich sollen spätestens bis 2028 auf rund 9% des Umsatzes geschrumpft sein – von zuletzt knapp 12%.

Fortschritte bei der Verbesserung der Profitabilität des Autozulieferers und Reifenherstellers konstatieren auch Ratingagenturen. Die Bonitätsnote von Continental habe sich gefestigt, sagt Moody's-Analyst Götz Grossmann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Seit der Bestätigung des „Baa2“-Ratings und der Anhebung des Ratingausblicks auf stabil im August 2022 habe es das Unternehmen „solide geschafft“, Kennzahlen zu steigern. Eine Anhebung des Bewertung in absehbarer Zeit erwartet Grossmann gleichwohl nicht. Es sei mit Fortschritten bei der Profitabilität auch 2024 zu rechnen, aber vermutlich nicht auf ein Niveau, das per se zu einer Ratingverbesserung führen könnte.

Upside-Potenzial gering

„Das Upside-Potenzial in naher Zukunft ist eher gering, auch bedingt durch Unsicherheiten, die mit den angekündigten, weiteren Effizienzmaßnahmen, der angestrebten Reduzierung von Stellen und Fixkosten sowie mit der eventuellen Ausgliederung bzw. dem Verkauf von Geschäftseinheiten im Automotive-Bereich einhergehen“, erklärt der Moody's-Analyst.

Für Continental und andere Zulieferer bleibe es eine Herausforderung, in wesentlichen Geschäftsbereichen Investitionen stemmen zu können. „Das Ziel zu erreichen, wird voraussichtlich über den aktuellen Ratinghorizont, der die nächsten ein bis zwei Jahre berücksichtigt, hinausgehen“, schätzt Grossmann.

Bilanz „solide“

Standard & Poor's (S&P) äußert sich ähnlich. Das Potenzial für eine Ratingverbesserung in den nächsten 12 bis 18 Monaten sei begrenzt, sagt Analystin Margaux Pery. Notwendig seien eine operative Rendite vor Abschreibungen (Ebitda-Marge) in Richtung 14% und eine deutliche Steigerung des freien operativen Cashflows in Relation zur Verschuldung. Für 2024 rechnet Pery „im Basisszenario“ mit einer Ebitda-Marge von rund 11%. Die Ratingagentur stuft Continental seit März 2023 mit „BBB“ ein, der Ausblick wurde auf stabil erhöht.

Aufgrund von erwarteten höheren Investitionsausgaben sei 2024 von einem geringeren freien operativen Cashflow als im vergangenen Jahr auszugehen, so Pery. S&P rechnet mit rund 900 Mill. Euro nach 1,2 Mrd. Euro 2023. Dennoch sei zu erwarten, dass dieses Niveau dem aktuellen „BBB“-Rating entspreche. Die Analystin sieht die Bilanz des Konzerns als „solide“ an und attestiert Continental, nach dem Geschäftsjahr infolge der gestiegenen operativen Leistung des Automotive-Bereichs besser als vor Jahresfrist aufgestellt zu sein. „Das Management muss jedoch noch mehr tun, um die Ebit-Marge des Automotive-Segments kurzfristig auf das angestrebte Niveau von mehr als 6% und mittelfristig auf 6 bis 8% zu steigern.“

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