Wirecard-Skandal

SdK empfiehlt Einzelklagen gegen EY

Im Betrugsskandal um Wirecard bringen sich die Aktionärsschützer von der SdK gegen den früheren Konzernabschlussprüfer EY rechtlich in Position.

SdK empfiehlt Einzelklagen gegen EY

sck München – Die juristische Aufarbeitung des Betrugsskandals um Wirecard nimmt eineinhalb Jahre nach dem Zusammenbruch des Zahlungsabwicklers Fahrt auf. In der Causa bringt sich die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) gegen den Abschlussprüfer EY in Position. „Der Skandal um Wirecard hätte früher erkannt werden können, wenn EY seine Aufgaben richtig gemacht hätte“, folgerte SdK-Vorstandsmitglied Marc Liebscher in einem Pressegespräch anlässlich der Präsentation des Schwarzbuchs Börse 2021 des Münchner Aktionärsschützervereins.

Liebscher, zugleich Rechtsanwalt bei der Kanzlei Späth & Partner, hält die Chancen von geschädigten Wirecard-Kleinaktionären für gut, erfolgreich gegen EY auf Schadenersatz zu klagen. Als Grund nannte er die Erkenntnisse des Wirecard-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Er berief sich dabei auf den Untersuchungsbericht des Wirtschaftsprüfers Martin Wambach. Der sogenannte Wambach-Report wirft EY zahlreiche Versäumnisse bei der Prüfung der Wirecard-Bücher vor. EY weist ein Fehlverhalten zurück. Liebscher zufolge haftet EY uneingeschränkt, wenn vor Gericht nachgewiesen werde, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorsätzlich ge­handelt habe. Die allgemeine Haftungsgrenze für Wirtschaftsprüfer von 4 Mill. Euro gelte dann nicht. Darauf habe der Bundesgerichtshof in mehreren Hinweisebeschlüssen, zuletzt im März 2020, hingewiesen, so der SdK-Vertreter.

„Ins Blaue hinein geprüft“

Ein Vorsatz liege bereits vor, wenn ein Abschlussprüfer seine Aufgaben vernachlässigt habe. EY habe „ins Blaue hinein“ geprüft – das heißt, Angaben testiert, von denen die Gesellschaft wusste, diese nicht genau geprüft zu haben. Dabei geht es vor allem um die strittigen Treuhandkonten von Wirecard für Drittpartnergeschäfte in Südostasien. Nach Darstellung des Sonderprüfers KPMG und des Wirecard-Insolvenzverwalters Michael Jaffé sowie Er­kenntnissen der ermittelnden Staatsanwaltschaft München erwiesen sich die darauf angegebenen 1,9 Mrd. Euro als reine Luftbuchungen.

Liebscher hält Einzelklagen von Aktionären gegen EY für „sinnvoll“. Klagen nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz hätten den Nachteil, dass die Verfahren auf diesem Weg zu lange dauerten. Beim zuständigen Landgericht München lägen seiner Schätzung nach „über 1000“ Schadenersatzklagen gegen EY  vor, davon allein rund 700 aus seiner Kanzlei.

Dieser Tage rügte das Oberlandesgericht München (OLG) einen Be­schluss des Landgerichts, Klagen gegen EY ohne Beweisaufnahme ab­gewiesen zu haben. Das Landgericht begründete dies damit, dass keine Kausalität zwischen den behaupteten Pflichtverletzungen des Ab­schlussprüfers und dem damaligen Erwerb von Wirecard-Aktien bestehe. Dem widersprach die höhe Instanz. Das OLG forderte eine „um­fangreiche Beweisaufnahme“ und kündigte an, die Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen. Als Alternative empfahl das OLG, beim Landgericht eine Musterverfahrensklage einzureichen. Angesichts der sehr hohen Zahl an Parallelverfahren sei dies wohl der geeignetste Weg für eine grundsätzliche Klärung der Vorwürfe, teilte die Justizpressestelle mit. Letzteres wäre das, was der SdK-Vertreter vermeiden will.