„Sicherheit spielt bei uns eine große Rolle“
Martin Dunzendorfer
Frau
Dohm, Herr Pelka, ich würde Ihnen nie unterstellen, über die Pandemie froh zu sein, aber rein geschäftlich war die Coronakrise nicht zum Schaden von Hornbach. Im Teilkonzern Baumarkt stiegen Umsatz und Betriebsergebnis um Prozentsätze, die zu normalen Zeiten selbst in einem positiven Umfeld kaum zu erreichen sind. Wie erklären Sie das?
Pelka: Zunächst freuen wir uns über das sehr erfolgreiche Rekordjahr. In der Tat gab es auf bestehender Verkaufsfläche ein nie dagewesenes Wachstum um 15,6 % auf 5,12 Mrd. Euro und einen überproportionalen Anstieg im um Sondereffekte bereinigten Betriebsergebnis (Ergebnis vor Zinsen und Steuern, Ebit; die Red.) um mehr als 50 % auf rund 280 Mill. Euro. Als es mit den Lockdowns im März 2020 losging, war das nicht abzusehen. Dann hat sich aber relativ schnell nach Wiedereröffnung der Baumärkte im April letzten Jahres gezeigt, dass die Umsätze enorm anzogen. Das hatte mit dem veränderten Verbraucherverhalten zu tun: Der langfristig beobachtbare Trend zum eigenen Zuhause – neudeutsch Homing oder Cocooning genannt – hat sich durch den Lockdown verstärkt, da man viel mehr Zeit in der eigenen Wohnung, im eigenen Garten verbringt. Davon haben wir profitiert.
Heißt das, es waren fast nur Privatkunden, die für Wachstum sorgten?
Pelka: Nein. Für uns werden gewerbliche Kunden immer wichtiger; auch dieser Trend hat sich in der Coronakrise verstärkt. Diese Profikunden, also vor allem Handwerker, entdecken Hornbach immer stärker als Einkaufsquelle.
Ist Hornbach überall gewachsen oder gab es Ausreißer?
Pelka: Die Sonderkonjunktur für Bau- und Gartenmärkte gab es in allen Ländern, in denen wir tätig sind. Dabei haben wir uns auf allen Märkten besser entwickelt als die Branche insgesamt, in Deutschland war diese Outperformance aber am stärksten. Auf unserem Heimatmarkt haben wir im Kalenderjahr 2020 das Wachstum der Baumarktbranche um 8 Prozentpunkte übertroffen.
Frau Dohm, Anfang April folgen Sie Herrn Pelka als CFO nach. Daher richtet sich diese Frage an Sie: Sind die Rekordergebnisse von 2020/21 auf Sicht von zwei, drei Jahren wiederholbar?
Dohm: Unsere Kunden haben in der Krise positive Erfahrungen mit den Features gemacht, die Hornbach anbietet, etwa unsere Erreichbarkeit auf jedem gewünschten Kanal. Diese Erfahrung bleibt hängen, und das ist eine gute Basis für die Zukunft. Außerdem wird es, wenn die Corona-Pandemie überwunden ist, nicht mehr so sein wie vorher. Im neuen Alltag werden die Orte, an denen wir uns aufhalten, und die Zeitspannen, die wir an diesen Orten verbringen, ganz andere sein als vor der Krise. Die Frage „Wie gestalte ich meine Wohnung, meinen Balkon, meinen Garten?“ wird also eine höhere Bedeutung haben als in der Vergangenheit. Sicher wird sich das Kundenverhalten nach der Krise abermals ändern, aber ich bin zuversichtlich, dass es anders als vor zwei Jahren sein wird – zu unseren Gunsten.
Wie stark hat Ihr Online-Angebot zu den Zuwächsen beigetragen?
Pelka: Nach den Investitionen der vergangenen Jahre waren wir in puncto E-Commerce bestens vorbereitet auf die Ausnahmesituation, die sich 2020 ergab. Inklusive des Vertriebs über „Reservieren & Abholen“ haben sich die Online-Umsätze 2020/21 im Vergleich zur Vorperiode annähernd verdoppelt.
Wie hoch ist der Anteil des Online-Umsatzes am Gesamtumsatz von Hornbach-Baumarkt?
Pelka: Wenn man den Direktversand und „Click & Collect“ zusammenzählt, lag der Erlösanteil bei 17%.
Dohm: Wir bieten stationären und Online-Handel in allen Ländern an, in denen wir vertreten sind. Dennoch haben wir festgestellt, dass es ganz unterschiedliche Präferenzen für die eine oder andere Vertriebsart gibt. So war für mich überraschend, dass in Schweden relativ wenig online eingekauft wurde – ich hätte vermutet, dass ganz Skandinavien eine deutlich ausgeprägtere E-Commerce-affine Region ist. Auf der anderen Seite wurde der Direktversand in Österreich und der Schweiz stark genutzt.
Was hat die Corona-Pandemie bei Hornbach an Kosten verursacht?
Pelka: Für Schutz- und Hygienemaßnahmen – etwa Mund-Nase-Masken, Desinfektionsmittel und Spuckschutzscheiben – sowie den Einsatz von Wachdiensten, die unter anderem die Einlassbeschränkungen überwachten, fielen knapp 20 Mill. Euro an.
Wie beurteilen Sie die Maßnahmen der Politik, die zur Eindämmung der Pandemie führen sollen und den Handel betreffen?
Pelka: Ich will es mal so sagen: Die Corona-Bekämpfungspolitik der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten der Länder hat nicht die Bestnote verdient. Der Handelsverband Deutschland weist ja immer wieder darauf hin, dass der Einzelhandel nachweisbar kein großes Infektionsrisiko darstellt. Die Verbreitung findet ganz überwiegend im privaten Bereich statt. Und gerade was Baumärkte angeht: Allein aufgrund der großen Verkaufsfläche – bei uns im Schnitt 11800 Quadratmeter pro Markt – ist hier die Ansteckungsgefahr, wenn Masken getragen und Hände desinfiziert werden, minimal. Mir ist daher auch kein Superspreader-Event im Handel oder gar in einem Baumarkt bekannt. Daher sollten die bestehenden Einkaufsbeschränkungen gründlich überdacht werden.
Dohm: Europaweit sind wir in fünf von neun Ländern, in denen wir aktiv sind, wieder im Normalbetrieb. In Deutschland ist das je nach Bundesland unterschiedlich. Der entscheidende Parameter für die Wiedereröffnung der Märkte wird die Durchimpfung der Bevölkerung sein.
Hatte die Pandemie abseits des Offenkundigen Einfluss auf das Geschäft? Wurde zum Beispiel die übliche Zyklizität ihres Baumarktgeschäfts durchbrochen? Oder gab es auffallende Nachfrageverschiebungen bei Produktgruppen?
Pelka: Was die Zyklizität betrifft, gab es nur im Detail Verschiebungen. Trotz Corona waren auch 2020/21 das Frühjahrs- und das Sommerquartal die stärksten Jahresviertel, gefolgt vom Herbstquartal. Im Winterquartal zwischen Dezember und Ende Februar wurde in den letzten Jahren immer Verlust gemacht. Im abgelaufenen Geschäftsjahr war das vierte Quartal aber besonders schlecht, weil in diese Zeit in allen Regionen die für Hornbach härtesten Lockdown-Maßnahmen der ganzen Berichtsperiode fielen.
Hornbach hat nach eigenen Angaben 2020 – wie schon in den Vorjahren – Marktanteile in Deutschland gewonnen. Was machen Sie besser als andere?
Pelka: Niemand in der Branche hat ein so homogenes Filialnetz mit einer im Schnitt so hohen Verkaufsfläche und einer so hohen Warenbevorratung. Bei uns können sich auch Profikunden mit allem eindecken, was sie brauchen. Wichtig sind natürlich auch unsere günstigen Preise. Zudem ist die Verzahnung unseres stationären Geschäfts mit unserem Online-Handel wettbewerbsentscheidend. Die Investitionen, die wir in den vergangenen Jahren in Infrastruktur, IT, Logistik und nicht zuletzt in Menschen getätigt haben, haben sich hier voll ausgezahlt. Außerdem sind wir kaum von externen Dienstleistern abhängig, um die gekaufte Waren zum Kunden zu bringen. Das hat sich gerade in der Krise voll ausgezahlt. Zeitweise hatten wir 2020 über 50 eigene Marktversandstellen – das sind quasi Baumärkte mit Zusatzfunktion – in Betrieb, parallel zu unseren Distributionszentren.
Wo rangiert Hornbach in Deutschland beziehungsweise Europa im Vergleich zu den Wettbewerbern?
Pelka: Nach Umsatz in Deutschland stehen wir auf Platz 4 hinter Obi, Bauhaus und Toom. Hagebau haben wir 2020 überholt, obwohl wir hierzulande keinen einzigen Markt eröffnet haben. In der Europa-Rennliste haben wir Rang 5 inne; nur die französische Groupe Adeo mit ihrer Baumarktkette Leroy Merlin, die britische Kingfisher-Gruppe sowie Obi und Bauhaus rangieren vor uns.
Hornbach gilt in der Baumarktbranche als einer der Vorreiter in Sachen Digitalisierung. Sagen Sie bitte etwas zur Höhe der Aufwendungen.
Pelka: Im Dezember 2010 sind wir mit unserem Web-Shop in Deutschland an den Start gegangen. In den Folgejahren haben wir ihn in allen Regionen, in denen wir tätig sind, ausgerollt. Bis zum Geschäftsjahr 2017/18 haben wir noch Angaben zu den Aufwendungen beziehungsweise Investitionen in die Digitalisierung gemacht. Seither tun wir das nicht mehr, weil – Stichwort Interconnected Retail – alles miteinander verzahnt ist. Doch über den Daumen gepeilt würde ich sagen: Von den ersten Ausgaben bis heute haben wir insgesamt mehr als 500 Mill. Euro in unser E-Business investiert.
Worauf können sich die Aktionäre hinsichtlich der Dividende für 2020/21 einstellen?
Dohm: Der Jahresabschluss ist noch nicht aufgestellt, wir können also noch nichts zur Dividende sagen. Aber es ist unsere Politik, dass wir in normalen Zeiten die Dividende des Vorjahres – das waren zuletzt 1,50 Euro pro Holding-Aktie und 0,68 Euro je Baumarkt-Aktie – als Untergrenze sehen und nach Möglichkeit eine Aufstockung vornehmen. Aus Sicht der Investoren besteht natürlich auch Interesse daran, in Form der Dividende an einem so guten Geschäftsjahr wie dem abgelaufenen teilzuhaben.
Angesichts der Ergebnisse von 2020/21 und des sicherlich hohen Free Cash-flow: Kommen Aktienrückkäufe in Frage?
Dohm: Das steht derzeit nicht auf der Agenda. Und ich bezweifle, ob wir den Aktionären damit wirklich einen Gefallen täten. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass den Anteilseignern eine Erhöhung der Liquidität in der Aktie am Herzen liegt. Ein Aktienrückkauf hätte aber den gegenteiligen Effekt. Was dagegen auf meiner Arbeitsliste steht, ist, ein angemesseneres Kurs-Gewinn-Verhältnis, denn das KGV von Hornbach hat noch Luft nach oben.
Wie sehen Ihre Expansionspläne aus?
Dohm: Organisches Wachstum war immer ein fundamentales Ziel des Unternehmens. Wir planen, im laufenden Geschäftsjahr fünf Märkte zu eröffnen; langfristig streben wir zwischen vier und sechs Neueröffnungen pro Jahr an.
In Bezug auf Akquisitionen zeigt sich Hornbach grundsätzlich sehr zurückhaltend beziehungsweise wählerisch. Doch wird wohl nicht jeder Baumarktbetreiber die Coronakrise überstehen. Gibt es bereits Ziele im In- oder Ausland, die Sie ins Visier genommen haben, beziehungsweise Märkte, wo Sie sich nach Arrondierungen umschauen?
Dohm: Nein. Ich könnte mir aber vorstellen, dass aufgrund der schwierigen Verhältnisse der ein oder andere regionale Anbieter aus dem Markt aussteigen wird. Das beobachten wir genau, und wenn sich Gelegenheiten bieten, werden wir uns das selbstverständlich anschauen.
Börsennotiert sind sowohl Aktien der Holding als auch der Tochter Baumarkt, an der die Holding 76,4% hält. Wäre es nicht eine Option für die Holding, um die Strukturen zu vereinfachen, dem Baumarkt-Streubesitz ein Abfindungsangebot zu machen und anschließend ein Delisting durchzuführen?
Pelka: So lange ich für Hornbach arbeite, seit fast 25 Jahren, lebe ich mit der Kritik von Analysten und Investoren, die Konzernstruktur sei zu kompliziert. Genauso lange haben wir dem Wunsch widerstanden, daran etwas zu ändern, denn diese Haltung hatte immer gute Gründe.
Wie ist das Verhältnis in der Holding und bei der Baumarkt-Tochter von Eigen- zu Fremdkapital?
Pelka: Wir haben traditionell eine sehr hohe Eigenkapitalquote. Zuletzt lag sie in der Holding bei 45% und bei der Baumarkt-Tochter bei 35%. Früher lagen die Quoten zeitweise sogar über 50%. Dann kamen aber die Umstellungen durch IFRS 16; unter anderem mussten die Mietverträge in die Bilanz aufgenommen werden, wodurch sich die Bilanzsumme in der Holding um mehr als 700 Mill. Euro und im Teilkonzern Baumarkt sogar um 1,2 Mrd. Euro vergrößert hat, was die Eigenkapitalquoten drückte. Diese sind aber auch heute noch gemessen an anderen Einzelhandelsunternehmen weit überdurchschnittlich.
Doch Eigenkapital gilt wegen der Kapitalkosten als teuer. Wäre eine Reduzierung der Quote nicht sinnvoll?
Pelka: Es ist richtig, dass Eigenkapital teurer als Fremdkapital ist. Aber Hornbach ist seit Generationen ein familiengeführtes Unternehmen. Sicherheit spielt bei uns eine große Rolle. Das ist uns wichtiger, als die Kapitalstruktur bis ins letzte Detail und bis zur letzten Nachkommastelle nach finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu optimieren.
Dohm: Die Eigenkapitalausstattung des Unternehmens ist in der Tat sehr gut, was aber auch meinen Vorstellungen von einer gesunden Bilanz entspricht. Wir leben ja auch nicht in einer Zeit, in der man sagen würde, viel Eigenkapital sei schlecht. Im Hinblick auf das Vorsichtsprinzip ist das derzeit sinnvoll. Und das Verhältnis von Nettofremdkapital zum Ebitda oder zum Ebit, auf das wir von Investoren angesprochen werden, ist bei uns daher günstig.
Wie ist Ihre Fremdfinanzierung strukturiert? Setzen Sie Schwerpunkte?
Pelka: Traditionell haben wir bei der Baumarkt-Tochter eine Anleihe ausstehen. Das Volumen des gegenwärtigen Bonds, dessen Laufzeit im Oktober 2026 endet, liegt bei 250 Mill. Euro; er wird mit 3,25% verzinst. Zudem haben wir unbesicherte Schuldscheindarlehen aufgenommen. Überhaupt haben sich die Kapitalmarktinstrumente Schuldverschreibung und Schuldschein als die Finanzierungsquellen gezeigt, die uns die größte Flexibilität bringen. Andererseits: Von bilateralen Krediten haben wir Abstand genommen. Da kann man ernsthafte Probleme bekommen, wenn der Wind mal etwas schärfer weht. Daher habe ich immer versucht, unsere Finanzierung möglichst breit aufzustellen.
Welche Entwicklung erwarten Sie bei den Zinsen?
Dohm: Ich gehe davon aus, dass die Zinskurven im Euro- und Dollar-Raum zunächst stabil bleiben werden; wir werden wohl weiter eine negative Verzinsung haben. Hier gilt es, das Vorsichtsprinzip mit der Bevorratung von Liquidität, die nötige Flexibilität und die Vermeidung von Negativzinsen auszutarieren.
Wie hoch ist der Anteil der von Hornbach genutzten Grundstücke und Gebäude, die dem Unternehmen gehören? Lassen sich die darin schlummernden stillen Reserven beziffern?
Pelka: Die Eigentumsquote bezogen auf die Verkaufsfläche der Hornbach-Baumärkte beträgt 60%. Aufgeschlüsselt hält der Teilkonzern Baumarkt selbst 33% und der Teilkonzern Hornbach Immobilien 27%. Der Verkehrswert dieser betrieblich genutzten Immobilien lag im Geschäftsbericht für 2019/20 nach einem konservativen Ansatz um 728 Mill. Euro über dem Buchwert. Und hier sind die vollständig im Eigentum des Konzerns befindlichen Grundstücke und Gebäude der Tochter Hornbach Baustoff Union noch gar nicht enthalten.
Inwieweit ist nach der Übergabe des CFO-Postens mit Änderungen in der Finanzierungspolitik zu rechnen?
Dohm: Kurzfristig wird sich am Refinanzierungsmix nicht viel ändern. Das Unternehmen ist derzeit sehr gut aufgestellt. Aber wir werden die Entwicklung des Umfeldes, etwa die Inflationsraten, sehr genau beobachten. Darüber hinaus könnte sich die Finanzierungsplanung mit Änderungen in der Konzernstrategie, etwa den Expansionsplänen, ändern. Vorerst liegt mein Fokus aus Unternehmenssicht aber mehr auf „Tue Gutes und sprich darüber“, damit sich das in einem angemessenen KGV niederschlägt.
Das Interview führte .