„Slack wird sich als sehr guter Kauf erweisen“
Von Heidi Rohde, Frankfurt
Der Cloud-Software-Pionier Salesforce setzt darauf, dass das Angebot einer „europäischen Cloud“ in der Region und vor allem in Deutschland zu einem wichtigen Wachstumstreiber für den Konzern werden wird. Es werde sichergestellt, dass „nicht nur die Daten in Europa bleiben, sondern dass auch die Servicekräfte, die sie betreuen, in Europa sitzen“, betont Gavin Patterson, Chief Revenue Officer des US-Unternehmens. Es gelte „europäische Augen für europäische Daten“, sagt er mit Blick auf die Diskussion über eine heimische Datenhoheit, die vor allem hierzulande intensiv geführt wird und von Sicherheitsbedenken geprägt ist. Die in der Pandemie erneut angestiegene Welle von Cyberattacken weltweit tut da ihr Übriges. „Salesforce hatte bisher noch keinen Einfall von Cyberkriminellen in unsere Clouds, aber wir nehmen das Thema sehr ernst“, erklärt der Manager. Dass „eine private Cloud sicherer ist als eine öffentliche“, hält er allerdings für einen Trugschluss. „Das Gegenteil ist der Fall, denn Cybersecurity ist nicht die Kernkompetenz der meisten Unternehmen. Daher ist es viel sicherer, das Risiko zu teilen.“
Weiter nach oben
Der Spezialist für digitale Kundenbeziehungen (CRM) wächst in Europa mit 23% stärker als im Gesamtkonzern, wobei Deutschland auch für Salesforce in der Region der wichtigste Markt ist. „Wir wachsen hier sehr schnell“, erklärt der Manager.
Der US-Konzern hat im laufenden Turnus 2021/22 bereits zweimal das Umsatzziel angehoben und auch schon für das Geschäftsjahr 2022/23 (per 31. Januar) einen sehr konkreten Umsatzausblick in der Spanne von 31,65 bis 31,8 Mrd. Dollar gegeben. „Auf Sicht von 18 Monaten sind wir sehr zuversichtlich, das Wachstumstempo von 20% jährlich zu halten“, so Patterson. „Aber was noch wichtiger ist: Auch unsere operative Marge soll sich kontinuierlich verbessern in den nächsten Jahren. Das ist außergewöhnlich für Salesforce.“ Die operative Rendite (Non-GAAP) soll im kommenden Turnus 20% erreichen, nach gut 18,5% im laufenden Geschäftsjahr, und dann „weiter nach oben gehen“. Ein konkretes mittelfristiges Ziel nennt er nicht.
Verwässert wird der Gewinn durch eine Reihe milliardenschwerer Zukäufe, für die Salesforce in den letzten Jahren insgesamt 50 Mrd. Dollar hingeblättert hat und die bislang alle noch Verlustbringer sind. Vor allem der 30 Mrd. Dollar teure Kauf des Kommunikationssoftware-Anbieters Slack hat die Investoren bisher nicht überzeugt. Die Aktie des 274 Mrd. Dollar schweren Nasdaq-Konzerns liegt nach einem harten Dämpfer auf Jahressicht gerade mal 6% im Plus.
Patterson ist dennoch sicher: „Slack wird sich als sehr guter Kauf erweisen.“ Dabei räumt er durchaus ein, dass Salesforce „noch nicht alle Früchte aus unseren Akquisitionen geerntet hat“. Große Zukäufe seien daher auf Sicht nicht beabsichtigt, bekräftigte er, verweist jedoch auf das Beispiel Facebook, die allein 20 Mrd. Dollar für einen kleinen Messenger-Dienst mit damals minimalsten Umsätzen auf den Tisch gelegt hatte. „Wer würde heute behaupten, Whatsapp oder Instagram seien für Facebook kein guter Kauf gewesen?“
Slack habe in den Funktionalitäten ein absolutes Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt. „Es gibt nichts Vergleichbares“, unterstreicht Patterson. Junge Unternehmen hätten das schon vollständig erkannt, erklärt er mit Verweis auf Börsenneulinge. „100% aller Tech-IPOs in den USA verwenden Slack.“ Er zeigt sich überzeugt, dass bei den Kunden in der Breite der Lernprozess über die Vorteile von Slack sehr schnell einsetzen wird, und sieht vor allem darin erhebliche „Wachstumssynergien“ für Salesforce. „Wir wollen in den nächsten drei bis vier Jahren 50 Mrd. Dollar Umsatz erreichen. Den können Sie nicht zukaufen. Aber die Akquisitionen werden unser Tempo erhöhen.“
Schub durch Pandemie
Das Unternehmen profitiert dabei auch von den Auswirkungen der Pandemie, die eine „neue Normalität“ in den Arbeits- und Geschäftsbeziehungen geschaffen habe, die wiederum der Digitalisierung einen „Schub“ gegeben habe. „Den Kunden wird zunehmend klar, dass sie es sich nicht länger leisten können, auf eine effiziente digitale Kundenbeziehung zu verzichten“, sagt Patterson. In Deutschland bestehe auf jeden Fall noch „viel Raum für Wachstum“, unterstreicht der Manager, gerade auch mit Blick auf die deutschen Finanzinstitute. Dass diese in ihren IT-Systemen vielfach Modernisierungsdruck haben, ist kein Geheimnis. Salesforce-Rivale SAP hatte im April seine Sparte „Financial Service Industry“ in ein Joint Venture mit der Beteiligungsgesellschaft Dediq eingebracht, um hier agiler zu werden. Auch Patterson setzt auf den „Nachholbedarf“, den die Banken und Versicherer im digitalen Kundenmanagement haben. Zu den bisherigen Kunden in Deutschland zählen wenig überraschend Branchen-Newcomer wie N26 oder Wefox, aber auch Zurich Versicherung.
Indes will Salesforce die Konkurrenz auf Abstand halten. „Unser Ziel ist es, bei jeder Cloud-Lösung für eine Branche Nummer eins oder Nummer zwei zu sein.“ Dabei ist der Bankensektor global die stärkste Geschäftssäule von Salesforce, die praktisch alle großen US-Banken und auch viele europäische zu ihren Kunden zählt. Den Wettbewerb von SAP spürt der US-Konzern dabei ohnehin nicht. „Wir kommen uns nicht ins Gehege. Eher treffen wir auf Microsoft oder Adobe“, so Patterson.
Jenseits des Finanzsektors hebt der Manager hierzulande vor allem die Autobauer als wichtige Zielgruppe hervor, bei der Mercedes bereits zu den Salesforce-Kunden zählt. Die Branche, die vor großen Herausforderungen steht, habe wegen der bestehenden Absatzkanäle über das Händlernetz praktisch keine näheren Kenntnisse über ihre Kunden. Zudem habe die Pandemie auch im Einzelhandel zu stärkeren Anstrengungen in der Digitalisierung der Kundenbeziehungen geführt.