Agrarhändler in Existenznot

Sommerurlaubszeit verzögert Rettung der Baywa

Das Rettungspaket für den Agrarhandelskonzern Baywa verzögert sich. Wesentlicher Grund sind noch fehlende Unterschriften von Bankmanagern unter einem entsprechenden Dokument. Derweil läuft dem Unternehmen die Zeit davon.

Sommerurlaubszeit verzögert Rettung der Baywa

Sommerurlaubszeit verzögert Rettung der Baywa

Dokument benötigt viele Unterschriften − Moral-Hazard-Problem der Kreditgenossen und Gläubigerbanken

sck München

Die geplante Rettung des insolvenzgefährdeten Agrarhandelskonzerns Baywa verzögert sich. Nach Informationen der Börsen-Zeitung sollte an diesem Wochenende ein Dokument unter Dach und Fach sein, mit dem die beiden Ankeraktionäre und die Gläubigerbanken Stützungshilfen über mehrere Hundert Millionen Euro unter Auflagen (Zerschlagung) zusagen und zugleich eine Umstrukturierung der Finanzschulden vorgeben. Eine Ad-hoc-Meldung des Münchner SDax-Mitglieds blieb aber zum Auftakt der neuen Woche aus.

Dem Vernehmen nach soll es an der Sommerurlaubszeit liegen, der Hauptreisezeit vieler Deutscher. In dem gegenwärtigen Sommerloch ist es wohl schwierig, sämtliche notwendigen Unterschriften von Vorständen für die Vereinbarung einzuholen. Eine entsprechende Urkunde müssen mehrere Dutzend Bankmanager signieren. Juristen sitzen an Formulierungen, um mögliche rechtliche Fallstricke zu vermeiden. Das kostet Zeit. Viele Verantwortliche befinden sich derzeit im Urlaub. Elektronische Signaturen sollen für manche nicht möglich sein. Deshalb müssen diese wohl ihren Urlaub unterbrechen, um in Präsenz abzuzeichnen, wie es heißt. Es muss also hinter den Kulissen recht hektisch zugehen, um eine Auffanglösung für das in eine Schieflage geratene Unternehmen auf die Beine zu stellen.

Erste Hilfszusagen

Die zum Genossenschaftssektor gehörende Baywa-Gruppe ächzt unter einem Schuldenberg von rund 11 Mrd. Euro. Davon sind etwas mehr als die Hälfte Finanzverbindlichkeiten. Einen Großteil davon bilden wiederum Bankkredite. Zu den größten Gläubigern des Konzerns zählen die zum kreditgenossenschaftlichen Finanzverbund gehörende DZ Bank, die LBBW, die HypoVereinsbank, die Commerzbank und die Deutsche Bank. Hinzu kommen auch österreichische kreditgenossenschaftliche Adressen wie die Raiffeisen Bank International und die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien. Ein Bankenkonsortium vergab vor drei Jahren an die Baywa einen Kredit, der nunmehr 2 Mrd. Euro umfasst. Diese Bereitstellung läuft im September 2025 aus.

Die beiden Hauptaktionäre der Baywa, die Bayerische Raiffeisen Beteiligungs-AG (BRB, 33,8%) und die Raiffeisen Agrar Invest (RAI, 28,1%) mit Sitz in Korneuburg bei Wien, haben bereits öffentlich ihre solidarische Hilfe zugesagt. Hinter diesen Beteiligungsgesellschaften stehen überwiegend Volks- und Raiffeisenbanken (VR-Gruppe) aus Bayern und genossenschaftliche Kreditinstitute aus Österreich. Über die BRB sollen bereits rund 70 Mill. Euro als Finanzierungshilfe an die Baywa gegangen sein, um kurzfristige Liquiditätsengpässe zu vermeiden.

Eigentümer im Dilemma

Unterdessen befinden sich die Anleger in einer Warteposition. Zum Wochenauftakt notierte die Baywa-Aktie mit 13,50 Euro zeitweise 0,4% schwächer. Ende Juli, als die BRB ihre Unterstützung kundtat, drehte der Titel ins Plus und machte einen kleinen Teil der Kursverluste wett. Am 24. Juli war das Papier auf bis zu 9,50 Euro abgestürzt. Seit Jahresbeginn büßte der Anteilschein nahezu 60% ein. Bayerns kreditgenossenschaftliche Primärbanken und die großen Gläubigerbanken befinden sich in einem Dilemma. Sollte das Rettungspaket doch noch scheitern und die Baywa in eine Insolvenz abgleiten, droht den Ankeraktionären ein Totalausfall ihres Investments. Die Banken, bei denen der Konzern in der Kreide steht, müssten hohe Wertberichtigungen vornehmen. Das würde deren Erfolgsrechnungen verhageln. Beides wollen die beteiligten Häuser unbedingt vermeiden, zumal der Baywa nachgesagt wird, aufgrund ihrer Systemrelevanz für die Landwirtschaft in Süddeutschland und Teilen Österreichs „too big to fail“ zu sein.

„Too big to manage“

Vor diesem Hintergrund bleiben die Vorstandsmitglieder der Baywa bis auf Weiteres in ihren Positionen. Damit wollen die Banken verhindern, dass der Schaden noch größer wird. In anderen Gemengelagen hätten diese womöglich längst ihre Posten verloren. Vorstandschef ist seit April 2023 Marcus Pöllinger. Das Finanzresort verantwortete seit 2010 Andreas Helber. Für die österreichischen Hauptaktionäre sitzt Reinhard Wolf in dem obersten Führungsgremium.

Aufgrund seiner selbstverschuldeten Krise stellte sich aber heraus, dass der rund 23.000 Beschäftigte umfassende Konzern auch „too big to manage“ ist. Deshalb dringen dem Vernehmen nach die Gläubigerbanken darauf, die Baywa zu zerschlagen, damit das Unternehmen sich künftig auf seine Kernaktivitäten konzentrieren kann. Das entspricht in etwa dem Ende März vorgestellten Restrukturierungskonzept von Pöllinger.

Zusatzbelastungen drohen

Die Baywa häufte Schulden an wegen einer überwiegend fremdfinanzierten internationalen Expansion via Zukäufe in Zeiten des billigen Geldes. Nach der Zinswende gingen die Zinsaufwendungen durch die Decke. Das sorgt für hohe Verluste. Der Vorstand steuerte offensichtlich nicht rechtzeitig gegen, um der schwierigen Lage Herr zu werden.

Ungeachtet der öffentlich ausgetragenen Diskussion über die Notwendigkeit von Stützungsmaßnahmen unterliegen die beiden Ankeraktionäre und die Gläubigerbanken einem Moral-Hazard-Problem, wenn sie frisches Geld nachschießen, über dessen direkte Verwendung im operativen Geschäft allerdings jene drei noch aktiven Vorstände entscheiden würden, die für das Desaster die Hauptverantwortung tragen. Zugleich versagte der Aufsichtsrat jahrelang bei der Kontrolle der Führungsriege, als noch der Pöllinger-Vorgänger Klaus Josef Lutz (2008 bis 2023) den Konzern führte. Im Gremium sitzen Vertreter der BRB und der RAI.

Dieses Anderer-Leute-Geld-Problem wollen die Eigentümer und die Gläubiger lösen, indem sie die Unternehmensberatung Roland Berger damit beauftragten, ein Sanierungsgutachten mit einer Fortführungsprognose zu erstellen. Beides liegt voraussichtlich aber erst in der zweiten Septemberhälfte vor, wenn die Baywa ihre bis dahin verschobenen Halbjahreszahlen veröffentlicht. Aufgrund noch laufender Impairment-Tests könnte es ein böses Erwachen geben, wenn weitere hohe Belastungen dazukommen. Bis dahin muss aber das Rettungspaket längst stehen. Das heißt, schlimmstenfalls würde die Stützungssumme gar nicht ausreichen. Dann wären die Helfer gezwungen nachzubessern.

Vergangenheit holt die BRB ein

Die Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat holt damit ihre Vergangenheit ein. Das Baywa-Beben ähnelt in Grundzügen der Krise der schlussendlich implodierten BRB-Vorgängerin Bayerische Raiffeisen Zentralbank (BRZ), die sich mit Bauträgerdarlehen 1985 verhoben hatte. Damals reichte eine „bayerische Lösung“, d.h., die Primärinstitute stemmen es allein, nicht mehr aus, um die BRZ aufzufangen, nachdem sich der Bedarf an Wertberichtigungen Zug um Zug vergrößert hatte, bis eine Schadensumme von 1,5 Mrd. DM herauskam. Das hätte die VR-Gruppe mit in den Abgrund gerissen. Deshalb musste die DG Bank, eines der beiden Vorgängerinstitute der DZ Bank, einspringen.

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