Im GesprächAndreas Reichel

Steag klagt gegen Bundesnetzagentur

Der Versorger Steag legt Klage gegen die Bundesnetzagentur ein, um für die Backup-Kohlekraftwerke mehr Geld zu bekommen. CEO Andreas Reichel schlägt der Politik zugleich vor, diese Kraftwerke künftig wieder stärker zu nutzen.

Steag klagt gegen Bundesnetzagentur

Im Gespräch: Andreas Reichel

Steag klagt gegen Bundesnetzagentur

CEO verlangt angemessene Entlohnung für Reservekraftwerke – Neue Einsatzoptionen der Anlagen gefordert – Dämpfende Wirkung bei Strompreisspitzen

Von Andreas Heitker, Berlin, und Annette Becker, Köln

Der Versorger Steag Iqony wehrt sich juristisch gegen die nach eigener Anschauung unzureichende Vergütung für Backup-Kraftwerke. „Wir reichen bis Ende Februar die Klagebegründung beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein“, kündigt CEO Andreas Reichel im Gespräch mit der Börsen-Zeitung an. „Die Klage richtet sich gegen die Bundesnetzagentur. Wir verlangen eine angemessene Vergütung und nicht nur eine reine Kostenerstattung.“ Vom Energiewirtschaftsgesetz ist diese Forderung nach Ansicht des Managers gedeckt.

Nicht nur für Netzstabilität

Bei der Steag – einst der größte deutsche Steinkohleverstromer – sind von der aktuellen Reserveregelung sechs deutsche Kohlekraftwerke betroffen. Sie waren eigentlich zur Stilllegung vorgesehen, wurden jedoch von der Bundesnetzagentur als systemrelevant eingestuft. Das heißt, dass diese Reservekraftwerke immer betriebsbereit sein müssen, um gegebenenfalls mit ihrer Stromproduktion das Netz stabil zu halten. „Wir müssen alles hierfür in vollem Umfang vorhalten – inklusive des kompletten Personals“, so Reichel.

Dass es hierfür zwar eine Kostenerstattung gibt, aber keinerlei „Unternehmerlohn“, wurmt den Steag Iqony-Chef. „Das ist weder fair noch klug.“ Doch Reichel hat noch einen weiteren Vorschlag, mit dem er jetzt an die Öffentlichkeit tritt. Dabei geht es um die effizientere Ausgestaltung der Energiewende. So sollen die nur noch selten benötigten, aber systemrelevanten Kohlekraftwerke, die sich in der Reserve befinden, nach seinen Vorstellungen wieder stärker eingesetzt werden können. Das wäre „energiewirtschaftlich sinnvoller und effizienter“, sagt Reichel. „Die Kraftwerke sollten nicht nur Strom produzieren dürfen, um das Netz stabil zu halten, sondern auch, um Preisspitzen im Strommarkt zu dämpfen.“

Das ist heute aufgrund eines Marktteilnahmeverbots für systemrelevante Backup-Kraftwerke nicht möglich und auch der Grund, warum bei jüngsten „Dunkelflauten“ nicht alle theoretisch verfügbaren konventionellen Kraftwerke am Netz waren und Strom produzierten. Infolgedessen war etwa Anfang Dezember der Preis an der Strombörse auf zwischenzeitlich knapp 1.000 Euro je Megawattstunde emporgeschnellt.

Mehr Kohlestrom könnte Preisspitzen abfedern

„Die Idee ist, die Reservekraftwerke zeitlich begrenzt einzusetzen – beispielsweise wenn der Day-Ahead-Strombörsenpreis länger als drei Stunden über einer Marke von 150 Euro je Megawattstunde liegt“, plädiert Reichel für eine Reform dieser Regelung. Das wäre seiner Ansicht nach für alle Seiten sinnvoll: „Für die Stromverbraucher hätte dies einen preisdämpfenden Effekt. Und die Kraftwerksbetreiber könnten zugleich Geld verdienen, das sie wiederum für Investitionen beispielsweise für die geplanten neuen, wasserstofffähigen Backup-Gaskraftwerke einsetzen könnten.“

Kohleausstieg verzögert sich

Ungeachtet der Klage sieht es Reichel als Aufgabe der neuen Bundesregierung an, mehr Einsatzoptionen für die Backup-Kraftwerke zuzulassen. Das sei auch ein geeigneter Vorgriff auf den Kapazitätsmechanismus, der 2028 auf dem Strommarkt kommen soll, sagt Reichel. Vergleichbares gebe es bei der Regelung zur Stilllegung von Gasspeichern im Energiewirtschaftsgesetz, die mit Brüssel schon abgestimmt sei, sagt der Steag-Chef. Auf diesen regulatorischen Rahmen könne man aufsetzen. „Wenn man Strommengen oder Kapazitäten zur Abfederung von Preisspitzen zugleich auktioniert, wäre das neue System äußerst günstig zu organisieren.“

Mit den Energiepolitikern aller Parteien der demokratischen Mitte hat der 63-Jährige bereits über seinen Vorstoß zu den Reservekraftwerken gesprochen und nach eigenen Angaben auch sehr positive Resonanzen erhalten. „Es ist allen klar, dass der im Koalitionsvertrag der Ampel angestrebte Kohleausstieg 2030 so nicht mehr zu halten ist“, sagt Reichel unter Verweis auf Verzögerungen beim Kraftwerkssicherheitsgesetz, das die Ampel-Regierung nicht mehr durchs Parlament gebracht hatte. „Unser Vorschlag ist sehr pragmatisch, bedarf nur eines schlanken regulatorischen Rahmens und kommt auch zur richtigen Zeit.“

Regulierungsrahmen erst Mitte 2026 fertig

Reichel rechnet damit, dass der Regulierungsrahmen der neuen Regierung für die Gas- und Wasserstoffkraftwerke wohl erst Mitte 2026 steht. Damit dürften die ersten neuen Anlagen frühestens 2032 ans Netz gehen können – was entsprechend auch den Kohleausstieg verzögert. „Wir werden vorhandene Kohlekraftwerke wohl bis Mitte der 2030er Jahre laufen lassen müssen, um die Netzstabilität, aber auch die Versorgungssicherheit in Deutschland zu garantieren“, stellt der CEO klar. „Dies weiß auch die Politik.“

Aktuell gibt es Reservekapazitäten von insgesamt knapp 8,6 Gigawatt (GW) auf dem deutschen Strommarkt. Davon entfallen fast 6,4 GW auf Steinkohle. Unternehmen wie Uniper oder EnBW sind mit Backup-Anlagen beteiligt. Steag stellt allerdings für gut die Hälfte der Steinkohlekapazitäten und sieht sich daher auch als das vom aktuellen Regulierungsrahmen am stärksten betroffene Unternehmen an.

Neue Gaskraftwerke im Fokus

Zudem hat die Steag einen Eigentümerwechsel hinter sich, wodurch sie im Vergleich zum Wettbewerb bilanziell schwächer aufgestellt ist. 2023 hatte der spanische Infrastrukturinvestor Asterion den Versorger für 2,6 Mrd. Euro von den sechs Ruhrgebietskommunen übernommen. Diese hatten sich Steag von 2011 an in zwei Schritten einverleibt.

Gut gebrauchen könnte der Konzern zusätzliche Einnahmen aus den systemrelevanten Kraftwerken auf jeden Fall. Denn Steag will sich auch an den Ausschreibungen für die neuen Backup-Gaskraftwerke beteiligen, wie Reichel betont. Das werde zusammen mit Partnern angegangen, und der neue Eigentümer unterstütze diesen Weg. „Wir müssen aber einen Teil der Investitionssumme auch selbst tragen“, so Reichel und veranschaulicht: „Backup-Kraftwerke der neuen Generation kosten schnell 800 Mill. bis 1 Mrd. Euro.“

Der Versorger Steag legt Klage gegen die Bundesnetzagentur ein, um für die systemrelevanten Backup-Kohlekraftwerke mehr als eine reine Kostenerstattung zu bekommen. CEO Andreas Reichel schlägt der Politik zugleich vor, diese Reservekraftwerke künftig wieder stärker zu nutzen – als Maßnahme gegen hohe Strompreise.

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