Volkswagen

Streit um Umbaukurs in Wolfsburg

VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo übt scharfe Kritik an den Personalspekulationen von Konzernchef Herbert Diess. Dieser wirbt vor der Belegschaft im Stammwerk Wolfsburg für seinen Umbaukurs.

Streit um Umbaukurs in Wolfsburg

ste Hamburg

Nach der Eskalation des Streits um das Tempo des Umbaus von Volkswagen zu einem softwareorientierten Mobilitätsanbieter hat der zuletzt wieder stark in die Kritik geratene Konzernchef Herbert Diess bei einer Belegschaftsveranstaltung im aktuell schwach ausgelasteten Stammwerk Wolfsburg für seinen Kurs und für ein Zusammenrücken im Unternehmen geworben. In der neuen Welt erwarte Volkswagen ein Wettbewerb, den man so noch nicht erlebt habe, sagte er laut Redetext.

Es seien völlig neue Stärken gefragt, vor allem Software werde darüber entscheiden, wer sich wie viele Marktanteile sichern könne. Während Volkswagen bislang kaum Softwarekompetenz habe, setze Tesla heute die Standards. Zugleich habe der US-Elektroautobauer durch seine hohe Bewertung an der Börse einen unbeschränkten Zugang zu Geld und Ressourcen.

Volkswagen dürfe sich die Konzernzentrale durch das neue Tesla-Werk in Grünheide nicht kaputtmachen lassen, so Diess, der für seinen Auftritt nach Protesten der Arbeitnehmerseite kurzfristig eine US-Reise zu Investoren und Mitarbeitern abgesagt hatte. Die große Chance sei das mit einer neuen effizienten Autoproduktion in Wolfsburg einhergehende Elektroauto Trinity, mit dem das autonome Fahren zum „Mainstream“ werde. Das Level-4-Fahren werde die Branche noch stärker transformieren, Trinity werde Wolfsburg zur wichtigsten Fabrik des Konzerns machen.

Diess rief in der ersten Belegschaftsveranstaltung seit fast zwei Jahren dazu auf, gemeinsam umzusteuern und Volkswagen zukunftssicher zu machen. Kunden würden über Jobs entscheiden, indem sie entweder ein Auto aus Brandenburg oder eines aus Wolfsburg kaufen.

Die seit dem Frühjahr amtierende Konzernbetriebsratsvorsitzende Da­niela Cavallo attackierte Diess, der leichtfertig über Personalabbau spekuliere. Zu jüngsten Berichten, wonach die Arbeitnehmerseite kein Vertrauen mehr in die Konzernspitze habe, sagte sie, es gehe hier nicht um einzelne Personen. Das Einzige, was interessiere, seien Lösungen für die anstehenden Herausforderungen. Aus Arbeitnehmerkreisen hieß es, das Vertrauen zu Diess sei massiv beschädigt. Ob es irreparabel sei, werde sich in den nächsten Wochen zeigen. Als Nagelprobe gelten die Gespräche in den nächsten Wochen über einen gemeinsamen Plan für die Zukunft des Wolfsburger Werks bis zum Ende des Jahrzehnts (Vision 2030). Unter anderem deswegen war die für den 12. November angesetzte Befassung des Aufsichtsrats mit der Investitionsplanung für die kommenden fünf Jahre auf den 9. Dezember verschoben worden.

Dem Vernehmen nach bemüht sich ein kleinerer Kreis des Aufsichtsratspräsidiums um Schlichtung des aktuellen Konflikts. Cavallo, die Nachfolgerin des als Personalvorstand zur VW-Nutzfahrzeugholding Traton ge­wechselten Bernd Osterloh, betonte die aktive Rolle der Belegschaftsvertretung beim Umbau des Konzerns. Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung blieben gleichrangige Ziele. „Hier ist nicht ein Mensch zu viel an Bord“, sagte sie zu angeblich von Konzernchef Diess ausgelösten Spekulationen über einen Abbau von bis zu 30000 Stellen. Das Stammwerk müsse Motor des Konzerns bleiben. Dafür sei ein weiteres Elektromodell deutlich vor Trinity und 2026 essenziell.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) betonte, für den Standort seien Zukunftsprodukte erforderlich, die für wirtschaftlichen Erfolg und Arbeitsplätze sorgen. Insofern sei das Trinity-Projekt für Wolfsburg zu begrüßen, es werde aber nicht allein die Auslastung des Standorts sichern. Er könne, so Weil, sehr gut nachvollziehen, wenn der Betriebsrat ein weiteres Zukunftsprojekt für Wolfsburg und vor allem einen Einstieg in die Elektrifizierung auch in Wolfsburg fordere. Grundlage der Produktion müsse Wettbewerbsfähigkeit sein. Diese sei aber so zu erzielen, dass alle mitgehen können. Weil äußerte die Erwartung, dass mit der kommenden Planungsrunde die Verunsicherung ein Ende haben müsse und es klare Perspektiven gebe. Weil vertritt als Aufsichtsratsmitglied das Bundesland, das als Großaktionär an VW beteiligt ist.

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