Strategiewechsel in der Telekommunikation

Telefónica kehrt den ehemaligen Kolonien den Rücken

Der spanische Telekomkonzern Telefónica bläst in Lateinamerika zum Rückzug und trennt sich auch vom Geschäft in Peru. Die Priorität liegt auf Europa.

Telefónica kehrt den ehemaligen Kolonien den Rücken

Telefónica kehrt den ehemaligen Kolonien den Rücken

Spanischer Telekomkonzern trennt sich auch vom Geschäft in Peru – Priorität ist „Europa, Europa, Europa“

ths Madrid

Ende des letzten Jahrhunderts gingen spanische Großkonzerne und Banken in Lateinamerika auf eine ausgedehnte Einkaufstour. In den ehemaligen Kolonien machte das Wort der neuen „conquistadores“ die Runde. Einer der aktivsten Eroberer war Telefónica. Der frühere staatliche Telefonkonzern baute eine bedeutende Marktstellung in fast allen Ländern der Region auf.

Doch seit einiger Zeit sind die Spanier dabei, sich aus Lateinamerika zurückzuziehen. Der jüngste Schritt ist der Verkauf der Tochter in Peru, der Anfang der Woche verkündet wurde. Der argentinische Investor Integra, der auf Restrukturierung spezialisiert ist, zahlt 900.000 Euro und übernimmt die Schulden von Telefónica del Perú von immerhin 1,24 Mrd. Euro. Der Schritt hatte sich angedeutet, da der Konzern im Februar die Insolvenz der Tochtergesellschaft in Lima angemeldet hatte aufgrund eines jahrelangen, sehr teuren Streits mit dem peruanischen Finanzamt über Steuern. Auch operativ mehrten sich im Andenstaat zuletzt die Verluste.

Pandemie bremste

Der Ausstieg aus Peru reiht sich ein in die jüngsten Veräußerungen der Geschäfte in Argentinien und Kolumbien, alle unter dem neuen Executive Chairman Marc Murtra, der im Januar den langjährigen Chef von Telefónica, José María Álvarez-Pallete, etwas überraschend abgelöst hatte. Álvarez-Pallete hatte 2019 im Rahmen eines Strategiewechsels angekündigt, dass mit Ausnahme von Brasilien alle Aktiva in Lateinamerika zum Verkauf stünden. Telefónica wolle sich auf die vier Kernmärkte Spanien, Deutschland, Großbritannien und eben Brasilien konzentrieren. Es folgte der Verkauf der kleinen Töchter in Mittelamerika, bevor die Pandemie den Plan erst einmal unterbrach.

Murtra hat den Verkaufsprozess nun wieder beschleunigt. So stehen auch die Geschäfte in Mexiko, Chile, Uruguay und Ecuador zur Disposition. Bei der Tochter in Venezuela gestaltet sich ein Verkauf aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Krise eher schwierig. Wie sein Vorgänger betont auch Murtra, dass man keine Eile bei der Suche nach Käufern habe und solange das Kapital in der Region optimieren möchte. Brasilien, der nach Spanien zweitgrößte Markt von Telefónica, bleibt auch für den neuen Chef einer der vier Kernmärkte.

Konsolidierung in Europa

Murtra richtet den Fokus vor allem auf den heimischen Kontinent. „Die Priorität von Telefónica ist Europa, Europa, Europa“, sagte der Vorsitzende auf der Hauptversammlung am 10. April. Sein neuer CEO, Emilio Gayo, hatte zuvor erklärt, man schaue sich „jede Chance“ für einen Zukauf in Spanien, Deutschland und Großbritannien genau an. Die Spanier halten die nationale Konsolidierung der Branche in Europa für den ersten Schritt hin zur ersehnten kontinentalen Flurbereinigung. Angesichts der Herausforderung durch die US-Regierung von Donald Trump und die viel betonte „strategische Autonomie“ Europas, hofft man in Madrid, dass die Europäische Kommission nun ihre Wettbewerbsbedenken fallen lässt und die Entstehung großer europäischer Telekomkonzerne fördert, die mit den US-Unternehmen mithalten können.

Positive Marktreaktion

Bei den Analysten und an der Madrider Börse wurde der Verkauf des Peru-Geschäfts überwiegend als positiv bewertet. Der Ausstieg passe zur „Vereinfachung des Portfolios“, kommentierten die Experten von Goldman Sachs. Auch manche Mitbewerber haben sich zuletzt aus einigen Märkten zurückgezogen, so etwa Vodafone in Spanien selbst. Die Details zur Neuausrichtung, weg von Lateinamerika und hin zu Europa, wird Telefónica im zweiten Halbjahr mit einem neuen Strategieplan vorstellen.

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