Überfülle an Börsengängen drückt die Preise
cru Frankfurt
In Europa laufen gerade mit rund 40 IPOs so viele Börsengänge gleichzeitig ab, dass die Überfülle des Angebots an die Investoren es den Unternehmen erschwert, die erhofften Preise für ihre Aktien zu erzielen. Jüngstes Beispiel dafür ist Bike24: Der Dresdner Online-Fahrradhändler, der von Berenberg und J.P. Morgan begleitet wird, nimmt mit seinem Börsengang nur 322 Mill. Euro ein – und damit rund 20% weniger als erhofft.
Das Unternehmen teilte nach eigenen Angaben 21,5 Millionen Aktien zum Preis von je 15 Euro zu. Der Zuteilungspreis liegt damit am untersten Ende der Zeichnungsspanne, die bis 19 Euro reichte. 100 Mill. Euro gehen an Bike24 selbst.
Mit dem Geld will Firmengründer und -Chef Andrés Martin-Birner die Expansion in weitere europäische Länder finanzieren. Bis zu 222 Mill. Euro erhält der Mehrheitseigentümer Riverside. Der US-Investor war 2015 bei Bike24 eingestiegen.
Auf die Option, mehr Aktien zu verkaufen, verzichtete der Investor angesichts des niedrigen Ausgabepreises. Die Aktien von Bike24 sollen am Freitag erstmals an der Frankfurter Börse gehandelt werden. Das Unternehmen kommt zur Handelspremiere auf einen Börsenwert von 662 Mill. Euro.
Dass Bike24 nur einen Preis am untersten Ende der Spanne von den Investoren erhalten hat, ist ein schlechtes Vorzeichen für die nachfolgenden IPOs. Voraussichtlich Anfang der kommenden Woche wird der Solarparkbetreiber Blue Elephant aus Hamburg, bei dem die Unternehmerfamilien Wacker und Jahr engagiert sind, seine Preisspanne nennen. Der von Hauck & Aufhäuser begleitete Computertastaturenhersteller Cherry – an dem die Finanzinvestoren Argand Partners und Genui mit 66% bzw. 30% beteiligt sind – hat den endgültigen Angebotspreis am gestrigen Mittwoch auf 32 Euro festgelegt und landet damit in der unteren Hälfte der Spanne von 30 bis 38 Euro. Beim Online-Optiker Mister Spex, der von Berenberg, Barclays und Jefferies begleitet wird, hat die Zeichnungsfrist am gestrigen Mittwoch begonnen – mit einer Preisspanne von 23 bis 27 Euro. Luxottica Holland, eine Tochtergesellschaft des italienisch-französischen Brillenherstellers EssilorLuxottica (50 Mill. Euro) sowie Janus Henderson Investors (30 Mill. Euro) und M&G Investments (30 Mill. Euro) werden als Cornerstone-Investoren 110 Mill. Euro vom Emissionserlös einbringen.
Insgesamt bringen es die bisher rund 20 deutschen Börsengänge in diesem Jahr auf rund 9 Mrd. Euro Emissionserlös – so viel wie niemals zuvor in einem ersten Halbjahr. Auf der Kandidatenliste stehen noch der Müsli-Versender Mymuesli, der Auto-Zierteilehersteller Novem und das Continental-Spin-off Vitesco.
Auch im übrigen europäischen IPO-Markt laufen gerade so viele Börsengänge, dass die Investoren kaum wissen, wo sie zugreifen sollen. Die insgesamt weiterhin gute Stimmung für IPOs macht es den Emissionsbanken einerseits relativ einfach, vordergründig genügend Nachfrage zu generieren, um alle angebotenen Aktien loszuwerden. Andererseits geschieht das immer öfter zu niedrigeren als den erhofften Preisen.
Dass das Orderbuch ausreichend gefüllt ist, bedeutet nicht immer eine Garantie für ein erfolgreiches Listing. Zum einen blähen Investoren ihre Aufträge oft auf, um sicher zu sein, dass sie genügend zugeteilt bekommen. Wenn sie dann doch in voller Höhe berücksichtigt werden, stoßen sie einen Teil der überschüssigen Aktien direkt nach Handelsbeginn wieder ab – und der Kurs fällt.
Außerdem wollen die Emissionsbanken lieber langfristig orientierten Investoren mehr Aktien zuteilen als kurzfristig orientierten Hedgefonds, weil das den Kurs nach Handelsbeginn stützt. Einige der IPOs auf dem Markt, deren Orderbücher offiziell voll gedeckt sind, haben nicht die Art von Investoren im Orderbuch, denen die Banken Aktien zuteilen wollen. Daraus entsteht die Besorgnis, dass der Markt schlechter aussieht, als es die vordergründig gut abgedeckten Orderbücher vermuten lassen. Einige der Börsengänge könnten es deshalb schwer haben, über die Ziellinie zu kommen.
Der Online-Neuwagenanbieter Meinauto hatte sein IPO bereits inmitten eines vorübergehenden Ausverkaufs von Tech-Aktien in letzter Minute abgesagt. Hinzu kommt die schlechte Kursentwicklung einiger Börsenneulinge. So lag der Kurs des Online-Gebrauchtwagenhändlers Auto1 am gestrigen Mittwoch mit zeitweise 36,25 Euro unter dem Ausgabepreis von 38 Euro.