Umfeld für Chemieforschung trübt sich ein
Umfeld für Chemieforschung trübt sich ein
Branchenverband VCI fordert mehr politische Unterstützung für Innovationen
swa Frankfurt
Das schwierige Marktumfeld bremst nicht nur das Geschäft der deutschen Chemieindustrie, es sorgt auch für nachlassende Innovationsdynamik in der Branche. Während die pharmazeutische Industrie ihre Forschungsbudgets weiter ausdehnt, überdenken die Chemiekonzerne ihren Forschungsetat. „Hohe Kosten am Standort, eine schlechte Ertragslage und sich verschlechternde Innovationsbedingungen machen es immer schwerer, in Deutschland zu forschen“, unterstreicht Thomas Wessel, Vorsitzender des Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung im VCI, im Pressegespräch.
Nach Schätzungen des VCI sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F+E) in der chemisch-pharmazeutischen Industrie im Jahr 2023 um fast 4% auf 15,5 Mrd. Euro gestiegen. Der Zuwachs wird allein von der Ausweitung der Pharmaforschung getragen, während die Chemie bei einem Budget von 5,6 Mrd. Euro stagnierte. Wessel hebt hervor, dass auch die Chemie eine forschungsintensive Branche bleibe, in der Innovationen einen hohen Stellenwert haben.
Zug ins Ausland
Für den laufenden Turnus erwartet der VCI kaum Zuwächse in den F+E-Ausgaben, zumal sich die Mitgliedsunternehmen des Verbands in einer Umfrage zurückhaltend geäußert hätten. Das gelte vor allem für die Chemieforschung, während es in der Pharma „leicht besser“ aussehe. In Summe prognostiziert der VCI für 2024 branchenweit einen Anstieg der F+E-Etats um 2% auf 15,8 Mrd. Euro.
Der VCI registriert im Kreis seiner Mitglieder ein wachsendes Interesse am Aufbau von Forschungseinrichtungen im Ausland. Dabei spielen nicht nur Standortfaktoren eine Rolle, sondern auch die Nähe zum Kunden. Nach einer Umfrage des Verbands will jedes dritte Unternehmen, das außerhalb Deutschlands forscht, dort seine F+E-Investitionen ausweiten. „Es zeichnet sich also ein Bedeutungsverlust des Chemie-Forschungsstandorts Deutschland ab“, warnt Wessel. Dabei seien „eine exzellente Chemieforschung“ für den Wirtschaftsstandort, für die Transformation und die Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit „von herausragender Bedeutung“.
Stark in der Grundlagenforschung
Bei allen Defiziten könne Deutschland noch in vielen Aspekten punkten, räumt der Branchenvertreter ein und nennt eine „hervorragende Wissenschaftslandschaft“, eine „starke Grundlagenforschung mit einem hohen Grad an internationaler Zusammenarbeit“ sowie ein immer noch „gutes Bildungssystem in der Breite“.
An die Bundesregierung richtet Wessel den Aufruf, eine umfassende Innovationsstrategie aus einem Guss auf den Weg zu bringen − von der Grundlagen- bis zur Industrieforschung. Die Branche störe sich vor allem an einem Flickenteppich von Förderprogrammen sowie nicht abgestimmten Maßnahmen der Bundesregierung und ihrer Ressorts. Technologieentwicklung und Forschungsförderung müssten Hand in Hand gehen. „Ein Handeln nach Haushaltslage und parteipolitischen Bedürfnissen ist kontraproduktiv“, mahnt der Manager.