Schiedsverfahren gegen Gazprom

Schiedsgericht spricht Uniper 13 Mrd. Euro Schadenersatz zu

Recht bekommen: Das von Uniper angestrengte Schiedsverfahren gegen die russische Gazprom ist zugunsten der Deutschen ausgegangen. Bis Geld fließt, könnten aber noch Jahre vergehen.

Schiedsgericht spricht Uniper 13 Mrd. Euro Schadenersatz zu

Schiedsgericht spricht Uniper Schadenersatz zu

Gazprom muss mehr als 13 Mrd. Euro zahlen – Urteil rechtskräftig – Rechtsexpertin: Für Durchsetzung der Ansprüche braucht es langen Atem

ab Düsseldorf

Uniper hat das gegen Gazprom angestrengte Schiedsverfahren für sich entschieden. Ein Schiedsgericht in Stockholm sprach Deutschlands größtem Gasimporteur mehr als 13 Mrd. Euro Schadenersatz zu, teilte der Versorger mit. Mit dem rechtskräftigen Urteil in der Tasche wird Uniper die bestehenden Gasverträge kündigen. Damit beenden die Deutschen ihre historisch gewachsenen Vertragsbeziehungen mit dem russischen Staatskonzern nun auch rechtlich.

Gazprom war seinen Lieferverpflichtungen aus Langfristverträgen 2022 zunächst teilweise, später gar nicht mehr nachgekommen. Einzelne Verträge wären noch bis Mitte der 2030er Jahre gelaufen. Ende August 2002 hatte Gazprom die Lieferungen komplett eingestellt. Um den eigenen Lieferverpflichtungen nachzukommen, musste Uniper das Gas am Spotmarkt zu wesentlich höheren Preisen nachkaufen. Die Uniper-Kunden wiederum zahlten nur die in ihren Verträgen vereinbarten, deutlich geringeren Preise. Daraus entstanden Uniper milliardenschwere Verluste.

Für Uniper schafft dieses Urteil rechtliche Klarheit."

Uniper-CEO Michael Lewis

Letztlich musste der deutsche Staat den Versorger auffangen, ansonsten wäre Uniper in die Insolvenz geschlittert. Seit Ende 2022 befindet sich Uniper faktisch in Staatshand. Etwa zur gleichen Zeit leitete Uniper ein Schiedsverfahren gegen Gazprom ein. Die Möglichkeit der Streitbeilegung über ein Schiedsgericht hatten die Parteien vertraglich vereinbart. Als Gerichtsstand wurde Stockholm festgelegt, entschieden wurde nach Schweizer Recht.

„Für Uniper schafft dieses Urteil rechtliche Klarheit. Auch in der Frage des Anspruchs auf Schadenersatz wurde die Rechtsauffassung von Uniper bestätigt. Etwaige Zahlungen würden dem Bund zufließen“, kommentierte Uniper-CEO Michael Lewis, den Richterspruch. Ob Beträge in signifikanter Höhe zu erwarten seien, lasse sich derzeit nicht abschätzen. Zum weiteren Vorgehen will sich Uniper nicht äußern.

Freiwillig wird Gazprom nicht zahlen

Nach den Angaben ist das Urteil „rechtlich bindend und final“. Doch der Rechtsanspruch auf Schadenersatz ist nur die eine Seite der Medaille, die Durchsetzbarkeit die andere. „Uniper wird einen langen Atem brauchen“, schätzt Anke Meier, Partnern der Kanzlei Noerr und Leiterin der Praxisgruppe Schiedsverfahren. Würden Schiedsurteile normalerweise freiwillig erfüllt, um die Vertragsbeziehungen nicht zu gefährden, „wird Uniper freiwillig wahrscheinlich keinen Euro, Rubel oder Dollar bekommen“, sagt Meier im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Zwar hat Gazprom die Möglichkeit, das Schiedsurteil anzufechten. Doch sind die Möglichkeiten sehr begrenzt, ist es doch Ziel von Schiedsverfahren, die Streitigkeit in einer Instanz beizulegen. „Eine Anfechtung gelingt nur, wenn ganz elementare Verfahrensgrundsätze verletzt wurden“, sagt die Rechtsexpertin und verweist darauf, dass Schiedsrichter in aller Regel äußerst erfahren seien. Gleichwohl schätzt Meier, dass Gazprom gegen das Urteil vor einem staatlichen Gericht vorgeht. Das staatliche Gericht muss allerdings am Schiedsort ansässig sein.

Geringe Erfolgschancen

Damit sind die Erfolgschancen für Gazprom nicht eben rosig: „Bei aller gebotenen Neutralität sind die schwedischen Gerichte dafür bekannt, sich für Schiedsverfahren starkzumachen. Urteile werden nur bei gravierenden Mängeln aufgehoben. Das kann man in diesem Fall so gut wie ausschließen", sagt Meier.

Zwar würden russische Gerichte, wenn es um Eigentum russischer Unternehmen geht, Urteile nicht vollstrecken. Uniper könne aber auf Assets des russischen Staatskonzerns im Ausland zugreifen. „Assets können beispielsweise Forderungen von Gazprom gegen Unternehmen aus anderen Ländern sein.“ Voraussetzung ist, dass diese Länder die Schiedsbarkeit anerkennen. Dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche sind mehr als 150 Staaten beigetreten.

„Schiedssprüche können über etliche Jahre hinweg vollstreckt werden."

Anke Meier, Leiterin Praxisgruppe Schiedsverfahren bei Noerr

Seit Ausbruch des Ukrainekriegs sind zahlreiche Schiedsverfahren westlicher Unternehmen gegen russische Unternehmen anhängig. Die Causa Uniper dürfte allerdings das spektakulärste Verfahren sein, allein aufgrund der aufgerufenen Schadenssumme. Auch RWE hatte im Dezember 2022 ein Schiedsverfahren gegen Gazprom eingeleitet. Dieses läuft jedoch noch, wie eine RWE-Sprecherin sagte.

Die Chancen, dass Uniper jemals Geld sieht, hält Meier für sehr hoch. „Gazprom ist ein international aufgestellter Konzern. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es Assets außerhalb Russlands gibt, an die man rankommt“, erläutert die Juristin. Das werde allerdings sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. „Schiedssprüche können über etliche Jahre hinweg vollstreckt werden. Vielleicht wartet Uniper jetzt auch erst einmal ab, bis die Zeiten politisch weniger angespannt sind", zeigt Meier alternative Vorgehensweisen auf.

Das von Uniper angestrengte Schiedsverfahren gegen die russische Gazprom ist zugunsten der Deutschen ausgegangen. Der Schadenersatzanspruch beläuft sich auf mehr als 13 Mrd. Euro. Bis Geld fließt, könnten aber noch Jahre vergehen. Uniper brauche „einen langen Atem“, sagt Noerr-Partnerin Anke Meier.

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