„Unser wichtiges Transatlantikgeschäft sieht weiterhin sehr gut aus“
Im Interview: Till Streichert
2025 "deutliche Ergebnisverbesserung“ erwartet
Der neue Lufthansa-CFO sieht ein positives Marktumfeld, „insbesondere auf dem Nordatlantik“, und Fortschritte im Turnaround-Programm
Obwohl es für Reisende in Richtung USA derzeit ungemütlich werden kann, bleibt die Lufthansa für das wichtige Nordatlantikgeschäft zuversichtlich gestimmt. Der neue CFO Till Streichert erwartet für 2025 insgesamt eine positive Entwicklung der Durchschnittserlöse und eine „deutliche Ergebnisverbesserung“
Herr Streichert, nach sechs Monaten bei der Lufthansa: Was für ein Unternehmen haben Sie als CFO vorgefunden?
Eines mit einer offenen Arbeitskultur, mit viel Energie und Leidenschaft und mit hochprofessionellen Kollegen. Dieses Unternehmen ist nicht nur eine Ikone in Deutschland, sondern genießt auch weltweit ein hohes Ansehen. All dies hat mir den Einstieg enorm erleichtert – auch wenn ich wie jeder „Neue“ anfangs eine steile Lernkurve hatte.
Gab es auch negative Überraschungen?
Nein. Aber ich habe im September 2024 angefangen, nachdem die Lufthansa Group zuvor zwei Gewinnwarnungen veröffentlicht hatte. Das lenkt den Fokus natürlich stark auf den CFO, und damit war der Anfang durchaus herausfordernd.
Die vielleicht größte Baustelle im Konzern ist das Turnaround-Programm der Lufthansa Airlines. Sie haben gesagt, das genieße absolute Priorität. Was bedeutet dies konkret?
Wir wollen und brauchen eine erfolgreiche Kernmarke. Das Turnaround-Programm ist für den gesamten Konzern von sehr großer Bedeutung, denn Lufthansa trägt etwa 45% zum Gesamtumsatz bei. Nach einem Gewinn von rund 900 Mill. Euro im Jahr 2023 musste die Airline 2024 einen Verlust verbuchen. Um den Turnaround zu schaffen, arbeiten der gesamte Konzernvorstand und der Bereichsvorstand eng zusammen, um die Lufthansa Airlines wieder zurück in die Profitabilität zu bringen.
Wie soll das gelingen? Problem sind ja unter anderem die hohen Kosten, die nur zum Teil in der Hand der Lufthansa sind.
Die Gründe für die aktuelle finanzielle Lage bei Lufthansa sind vielfältig. Da waren im vergangenen Jahr zum Beispiel die Streiks. Außerdem gab es eine Schwäche der Durchschnittserlöse vor allem in Asien. Zusätzlich stiegen die Kosten zum Beispiel für Personal, Gebühren oder Wartung stark an. Und unser Flugbetrieb lief nicht rund, weil wir – wie viele andere Airlines auch – die Kapazitäten in kurzer Zeit stark ausgeweitet hatten. Diese Unregelmäßigkeiten haben konzernweit in Summe rund 840 Mill. Euro an Ausgleichszahlungen gekostet, rund 340 Mill. Euro mehr als 2023. Oberste Priorität ist jetzt, den Flugbetrieb weiter zu stabilisieren. Im Januar und Februar hatten wir bei Lufthansa den operativ besten Jahresstart seit 2016. Wir weiten die Kapazitäten im Verlauf des Jahres bewusst etwas langsamer aus – das rechnet sich.
Was meinen Sie denn mit „das rechnet sich“?
Mehr Pünktlichkeit, größere Stabilität, höhere Zuverlässigkeit – eine bessere Performance der Airline steigert die Zufriedenheit unserer Kunden und motiviert unsere Mitarbeitenden. Crews werden eingesetzt wie geplant, es gibt deutlich weniger Folgekosten wie zum Beispiel Kompensationszahlungen oder Hotelkosten. Damit steigen Effizienz und Produktivität, zwei große Hebel im Turnaround-Programm.
Kann man das jetzt schon an den Zahlen ablesen?
Ja. Die Trendwende der letzten Monate gibt uns viel Zuversicht. Die Maßnahmen zur Stabilisierung des Flugbetriebs werden sich bereits 2025 für Lufthansa auszahlen.
Was bedeutet das für die irregulären Kosten von zuletzt 840 Mill. Euro?
Ich erwarte, dass diese Kosten 2025 allein für Lufthansa deutlich um 100 bis 200 Mill. Euro sinken werden. Auch 2026 wird sich diese Entwicklung dank der Stabilisierung des Flugbetriebs fortsetzen. Eine bessere operative Performance ist aber nur einer von vielen Hebeln im Turnaround-Programm. Die Airline schaut sich jedes Detail an. Es gibt hunderte von Einzelmaßnahmen. Dabei geht es auch um Digitalisierung, Automatisierung oder Treibstoffoptimierung. Und natürlich sind auch die Kostenstrukturen ausschlaggebend dafür, wo Kapazitäten profitabel eingesetzt werden. Lufthansa City Airlines und Discover Airlines werden immer wichtiger für die Profitabilität unserer Drehkreuze in München und Frankfurt. Sie sind damit auch ein wichtiger Baustein für den Turnaround der Kernmarke. Alles in allem erwarten wir ein Drittel der Verbesserung auf der Umsatz- und zwei Drittel der Verbesserung auf der Kostenseite.
Und wie wollen Sie die Erlöse nach oben treiben?
Insbesondere durch das Premiumangebot, das Lufthansa ihren Gästen bietet und das wir kontinuierlich ausweiten werden. In diesem Jahr sehen wir auch erstmals den positiven kommerziellen Effekt aus der differenzierten Vermarktung der Allegris-Kabine in unseren Zahlen. Die Buchungen – vor allem der höherpreisigen Suiten und der zusätzlichen Sitzoptionen in der Business Class – liegen deutlich über unseren Erwartungen.
Sie wollen schon 2026 einen positiven Ergebniseffekt von 1,5 Mrd. Euro durch das Turnaround-Programm erzielen, der sich bis 2028 auf 2,5 Mrd. Euro ausweiten soll. Wie soll das gehen?
Durch striktes Kostenmanagement. Und indem wir zur nachhaltigen Steigerung der Erlöse weiter konsequent in das Premiumangebot für unsere Kunden investieren. Darüber hinaus werden wir fortlaufend die Effizienz verbessern und die Produktivität steigern.
Aber wenn weniger stark gewachsen wird als geplant, fließt doch auch weniger Umsatz rein, oder?
Wir profitieren von dem gesunden Marktumfeld. Die Nachfrage ist unverändert stark und wir haben zudem für 2025 einen positiven Ausblick für die Durchschnittserlöse.
Gilt das für alle Märkte?
Unser wichtiges Transatlantikgeschäft sieht weiterhin sehr gut aus, im Kontinentalverkehr sind die Yields stabil. Wir sind dank der Größe unserer Gruppe zudem in der Lage, das Netzwerk flexibel anzupassen. Asien war 2024 schwierig für uns mit deutlich rückläufigen Yields, weil chinesische Airlines, die den russischen Luftraum ohne Einschränkung nutzen können, viel Kapazität in den Markt gebracht haben. Ich glaube aber, dass sich das mittelfristig normalisieren wird.
Zielrendite sind 8%, davon war die Lufthansa 2024 mit 4,4% weit entfernt. Was sind die wichtigsten Hebel, um auf 8% zu kommen?
Rechnet man Lufthansa Airlines heraus, lagen wir 2024 bereits nahe an unserer Zielmarge. Und natürlich wollen wir das auch mit der wichtigsten Kernmarke schaffen. Das Marktumfeld für das laufende Jahr ist positiv, insbesondere auf dem Nordatlantik. Auf der Kostenseite ist die fortschreitende Flottenerneuerung ein wichtiger Hebel. Wir erwarten in diesem Jahr alle zwei Wochen ein neues Flugzeug. Die Treibstoffverbrauch dieser Flugzeuge liegt rund 30% unter den Vorgängern. Wir haben die größte Flottenerneuerung der Lufthansa-Geschichte vor uns, in unserem Orderbuch stehen fast 240 neue Flugzeuge für die kommenden Jahre.
Wie wird das finanziert?
Das verteilt sich auf rund zehn Jahre. Grundsätzlich finanzieren wir zunächst einmal aus dem freien Cashflow und nehmen bei Bedarf zusätzlich auch Fremdkapital auf.
Auch im Geschäftsjahr 2024 hat Lufthansa den Kapitalmarkt angezapft. Insgesamt wurden über die Platzierung von drei Euro-Bond-Anleihen 1,7 Mrd. Euro aufgenommen.
2024 waren das im Wesentlichen Refinanzierungen. Wir haben zusätzlich die Liquidität erhöht, unter anderem für Flugzeugkäufe. Aktuell sind wir mit 11 Mrd. Euro leicht oberhalb des geplanten Liquiditätskorridors von 8 Mrd. bis 10 Mrd. Euro. Wir gehen aber davon aus, dass wir uns in den kommenden Monaten wieder in diesem Korridor einpendeln werden.
Warum waren Sie etwas höher gegangen?
Das stand auch im Zusammenhang mit der Beteiligung an Ita Airways, bei der wir flexibel vorbereitet sein wollten auf das Closing, das nun im Januar stattfand.
Während der Pandemie war die Existenz der Lufthansa bedroht, auch weil in den Jahren davor zu wenig Liquidität gebunkert wurde. Das hat sich unter Ihrem Vorgänger Remco Steenbergen geändert. Fühlen Sie sich mit jetzt rund 11 Mrd. Euro Polster krisenfest?
Weltweit hatte niemand aus der Reisebranche eine Liquiditätsdecke, die für die Corona-Pandemie ausreichend gewesen wäre. Das weiß ich auch aus meiner Erfahrung als damaliger Amadeus-CFO. Nie zuvor gab es in so kurzer Zeit derart gravierende und zum Teil auch langfristige finanzielle Folgen für die weltweite Luftfahrt. Es war deshalb absolut richtig, als Konsequenz dieser Erfahrungen das Liquiditätspolster zu vergrößern. Wir haben das entsprechend strukturiert, inklusive einer „Revolving Credit Facility“ über 2,5 Mrd. Euro. Diese wird breit getragen von insgesamt 29 Banken.
Vor vielen Jahren galt mal ein Aktienkurs von 20 Euro als erreichbare Zielgröße; davon ist der Lufthansa-Kurs weit entfernt. 2024 ging die Notierung im Jahresverlauf um 23% zurück. Wie soll es gelingen, dem Aktienkurs Beine zu machen?
Viele vergessen, dass es im Zuge der Pandemie Kapitalerhöhungen gab und sich infolgedessen die Zahl der Aktien mehr als verdoppelt hat. Unsere Aktie hat sich dieses Jahr bisher genauso gut entwickelt wie die unserer Wettbewerber. Am Ende entscheidet der Kapitalmarkt auf Grundlage finanzieller Erfolge. Für 2025 erwarte ich eine deutliche Ergebnisverbesserung für den Konzern. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir beim Aktienkurs noch Luft nach oben haben.
Im Geschäftsjahr 2024 war die Wertschaffung des Unternehmens negativ. Was ist für 2025 geplant?
Wir messen den Wert in Bezug auf das Adjusted Roce (Return on Capital Employed) und die durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC). Für die kommenden Jahre bleibt das erklärte Ziel, dauerhaft einen Adjusted Roce zu erzielen, der mindestens größer als der WACC ist. Unser Ziel einer Ebit-Marge von 8% korreliert dicht mit einer Kapitalrendite von ungefähr 10%. Für 2025 erwarte ich einen klaren Fortschritt beim Ebit-Wachstum im Vergleich zu 2024. Auf unserem Kapitalmarkttag im Herbst dieses Jahres werde ich unsere Mittelfristziele vorstellen.
Wie läuft eine Integration wie die von Ita bei finanziellen Themen?
Wir vollziehen derzeit die schnellste Airline-Integration unserer Geschichte: 18 Monate – dann sollte die operative Integration größtenteils abgeschlossen sein. Das heißt, Synergien werden schnell spürbar – zum Beispiel im Einkauf, in der Netzplanung, im Vertrieb oder in den Vielfliegerprogrammen. Ich erwarte positive finanzielle Effekte bereits dieses Jahr. Zuletzt ist Ita Airways in Frankfurt und München in die Lufthansa-Group-Terminals umgezogen, wodurch Umsteigezeiten für unsere Gäste deutlich verkürzt werden. Unsere Controller merken also genau so schnell wie unsere Kunden: Die Beteiligung an Ita Airways ist ein Meilenstein in der Weiterentwicklung der Lufthansa Group.
Das Interview führte Lisa Schmelzer.