Unter Gründern macht sich Pessimismus breit
kro Frankfurt
Deutsche Start-ups blicken angesichts von Finanzierungssorgen, Fachkräftemangel und der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit noch pessimistischer in die Zukunft als im Coronakrisenjahr 2020. Hatten damals gut 58 % eine positive Erwartung an ihre Geschäftsentwicklung, so belief sich der Anteil in diesem Jahr nur noch auf 54,2 %, wie der Bundesverband Deutsche Startups in einer Vorab-Analyse des Ende September erscheinenden 10. Deutschen Startup Monitors ermittelt hat.
Im Vergleich zu 2021 hat sich die künftige Geschäftserwartung noch stärker eingetrübt: Vergangenes Jahr hatten gute 72 % mit einer positiven Geschäftsentwicklung gerechnet. „Wir stehen vor großen Unsicherheiten und die Gründerinnen und Gründer gehen davon aus, dass das wirtschaftliche Umfeld auch im Start-up-Bereich zunehmend schwieriger wird“, kommentierte Gesa Miczaika, stellvertretende Vorsitzende beim Startup-Verband, die Ergebnisse.
Zumindest mit Blick auf die aktuelle Geschäftslage hat sich die Stimmung in den knapp 2000 befragten deutschen Jungunternehmen im Vergleich zum Vorjahr leicht verbessert. In Kombination mit den künftigen Erwartungen liegt der sogenannte Geschäftsklimasaldo damit noch über dem Wert des Jahres 2020. Der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr fällt hier mit 10 Punkten auch nicht ganz so gravierend aus wie der in der Gesamtwirtschaft: Hier ist die Stimmung im Juni nach Daten vom Münchner Ifo-Institut deutlich stärker eingebrochen; der Geschäftsklimasaldo ging um fast 21 Punkte zurück.
Schwierige Mittelbeschaffung
Besonders mau ist die Stimmung derzeit unter Gründern im Fintech-Bereich. Hier hat sich sowohl die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage als auch die der künftigen Entwicklung im Vergleich zum Vorjahr deutlich verschlechtert. Unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges, der Inflation und steigender Zinsen pochen Wagniskapitalgeber mittlerweile nicht mehr nur allein auf Wachstum, sondern auch auf Profitabilität. Die Vorsicht unter den Investoren ist groß − in keinem anderen Sektor ist das Finanzierungsvolumen im ersten Halbjahr hierzulande so stark eingebrochen wie im Fintech- bzw. Insurtech-Bereich, wie EY zuletzt in einer Studie ermittelt hatte. Aufseiten der Start-ups kam es infolge der Unsicherheit bereits zu Entlassungen, zum Beispiel bei der mittlerweile insolventen Berliner Kryptobank Nuri oder beim ebenfalls in der Hauptstadt ansässigen Banking-Anbieter Kontist. Gleichzeitig wurden im ersten Halbjahr deutlich weniger Finanz-Start-ups gegründet als im Vorjahr.
Die politischen und ökonomischen Verwerfungen und das veränderte Umfeld an den Finanzmärkten führten bei Investoren zu Zurückhaltung, gerade bei spätphasigen Finanzierungsrunden, sagte Verbandsvizechefin Miczaika. Über alle Branchen hinweg betrachtet sehen die Start-ups darin denn auch die größte Herausforderung: Fast 44 % nennen Finanzierungsengpässe als zentrales Hemmnis. An zweiter Stelle steht der Fachkräftemangel, von dem gut 35 % betroffen sind. Für Jungfirmen, die Unternehmen mit ihrer Technologie bei der Personalgewinnung und -verwaltung unterstützen, ist das Fluch und Segen zugleich. Zwar haben sich auch in diesem Sektor die Zukunftserwartungen eingetrübt. Die derzeitige Geschäftslage wird jedoch besser bewertet als im Vorjahr.
Dass auch Wagniskapitalgeber das Thema HR zuletzt noch als vielversprechendes Investment betrachtet haben, zeigt das Beispiel Personio. Der Münchener Software-Spezialist hatte Ende Juni im zweiten Teil einer Series-E-Finanzierungsrunde 200 Mill. Dollar eingesammelt, nachdem es im ersten Closing im Oktober 2021 bereits 270 Mill. Dollar waren. Die Bewertung erhöhte sich damit auf 8,5 Mrd. Dollar.