Weitreichende Entscheidung

Unter Murren genehmigen Bayer-Aktionäre üppigen Kapitalrahmen

Das Bangen hat ein Ende: Die Aktionäre von Bayer stimmten in der Hauptversammlung allen Tagesordnungspunkten zu, wenn auch unter Murren. Selbst der üppige Kapitalvorratsbeschluss fand die erforderliche Dreiviertel-Mehrheit.

Unter Murren genehmigen Bayer-Aktionäre üppigen Kapitalrahmen

Mit der erforderlichen Mehrheit haben die Aktionäre von Bayer den gewünschten Kapitalvorratsbeschluss genehmigt. Bei einer Präsenz von knapp 52% des Grundkapitals sprachen sich 81,97% für den Antrag aus. Benötigt wurde eine Dreiviertel-Mehrheit. Damit ist der Vorstand ermächtigt, das Grundkapital um bis zu 35% zu erhöhen.

Dennoch war es den Bayer-Vorständen am Gesicht abzulesen, wie schwer ihnen in diesem Jahr der Gang vor die Aktionäre gefallen ist – unabhängig davon, dass die Hauptversammlung im rein virtuellen Format stattfand. Das ist insofern verständlich, als die Aktionäre 2024 erneut mit einem dramatischen Kursverlust von über 40% konfrontiert waren und nur die gesetzlich vorgeschriebene Minimaldividende erhalten. Hoffnung auf eine schnelle Besserung machte Vorstandschef Bill Anderson jedoch gleich zunichte: „Wir gehen davon aus, dass 2025 das schwierigste Jahr unseres Turnarounds wird.“

Uns bleibt gar nichts anderes übrig.

Ingo Speich, Deka Investment

Schwer im Magen lag den Aktionären die Entscheidung, dem Vorstand genehmigtes Kapital im Umfang von 35% des Grundkapitals zu bewilligen. Zwar signalisierten die Vertreter der deutschen Fondsgesellschaften wie auch die Kleinaktionärsvertreter, dem Kapitalvorratsbeschluss zuzustimmen – allerdings nur unter Murren. Die Rechtsrisiken, die sich Bayer mit Monsanto eingekauft hatte, sollten nun mithilfe der Aktionäre reduziert werden, monierte Ingo Speich von der Deka.

„Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als dem Kapitalvorratsbeschluss zuzustimmen“, fügte Speich an. Er mahnte allerdings eine bessere Kapitalmarktkommunikation an, sollte eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden. „Die Kommunikation zum Kapitalmarktbeschluss war miserabel“, sagte Speich.

„Zwischen Hölle und Hoffnung“

Hendrik Schmidt von der DWS geht davon aus, dass eine Kapitalerhöhung „nur dann zum Tragen kommt, wenn sich Bayer (damit) vollumfänglich von bestehenden und künftigen Ansprüchen lösen“ könne. Janne Werning von Union Investment kritisierte, dass Anderson im März 2024 eine Kapitalerhöhung in einem Interview „kategorisch ausgeschlossen“ habe. „Wir befinden uns zwischen Hölle und Hoffnung“, sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Es ist absurd, dass wir zustimmen, aber die Verzweiflung ist so groß“, begründete Tüngler.

Die Verwaltung versicherte noch einmal, das genehmigte Kapital nur im Zusammenhang mit einer weitgehenden Eindämmung der Rechtsstreitigkeiten in den USA zu nutzen. „Wir verpflichten uns, Kapital im besten finanziellen Interesse des Unternehmens einzusetzen, und wir sagen Ihnen dabei volle Transparenz zu“, sagte Anderson. Hinsichtlich der Strategie zur Beendigung der Klagewelle wiederholte Anderson, dass Bayer mehrgleisig fahre. Neben dem Vorhaben, den Fall vor den Supreme Court zu bringen – ein Antrag ist zwischenzeitlich gestellt, setzt der Konzern auch auf Initiativen auf Ebene der Bundesstaaten sowie auf Vergleichsvereinbarungen.

Wir bleiben gegenüber Strukturoptionen offen.

Bill Anderson

Die in seiner Rede ausgesprochene Drohung, sich im Zweifel aus dem Glyphosatgeschäft in den USA zurückzuziehen, relativierte Anderson: „Es gibt keine konkreten Pläne, die Glyphosatproduktion in den USA einzustellen.“ Da Bayer der einzige Glyphosatproduzent in den USA sei und global auf einen Marktanteil von 40% komme, habe man ein valides Argument in der Diskussion mit Politikern. Ein Komplettrückzug aus den USA komme für Bayer ohnehin nicht infrage. „Die USA sind unser größter und wichtigster Markt“, begründete Anderson. Bayer habe dort in den vergangenen Jahren viele Milliarden investiert und werde das auch künftig tun. Einer Aufspaltung zum jetzigen Zeitpunkt, erteilte Anderson erneut eine Absage, versicherte aber: „Wir bleiben gegenüber Strukturoptionen offen.“

Auch künftig virtuelle HV möglich

Massive Kritik manifestierte sich zudem am virtuellen HV-Format. „Sie muten ihren Aktionären eindeutig zu viel zu und ziehen sich in den bequemen Elfenbeinturm zurück – gerade wenn es kritisch wird“, warf Speich der Verwaltung vor. Nicht nur Deka und Union Investment lehnten einen entsprechenden Antrag der Verwaltung ab. Auch der Stimmrechtsberater ISS hatte empfohlen, gegen die beantragte Ermächtigung zur Durchführung virtueller Aktionärstreffen in den kommenden beiden Jahren zu stimmen. Am Ende kam der Antrag mit 75,62% Ja-Stimmen durch.

Weniger Zustimmung gab es lediglich bei der Billigung des Vergütungsberichts. Dafür stimmten nur 67,36% des Grundkapitals. Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann kündigte angesichts des schwachen Ergebnisses an, das erst 2024 geänderte Vergütungssystem vorzeitig zu überprüfen. Bei etwaigen Änderungen werde das System der Hauptversammlung 2026 erneut zur Billigung vorgelegt.

Nächste Enttäuschung

Enttäuschung rief auch die Tatsache hervor, dass Bayer – anders als im Vorjahr angedeutet –, nicht über die Klimastrategie abstimmen ließ. Das stieß vor allem den Vertretern der Fondsgesellschaften unangenehm auf. „Warum hat man sich in diesem Jahr nun doch gegen ein Say-on-Climate entschieden“, wollte Werning wissen. Bayer habe als erstes Dax-Unternehmen die Klimastrategie zur Abstimmung stellen wollen, sagte Speich. „Wir bedauern sehr, dass sie dieses Vorhaben nicht umgesetzt haben“, fügte er an. Die Entscheidung sei auf Basis von Investorengesprächen getroffen worden, sagte Anderson. Einige Aktionäre hätten signalisiert, dass „momentan nicht der richtige Zeitpunkt ist“. Dessen ungeachtet werde Bayer inhaltlich an der Klimastrategie festhalten.

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