Unternehmen lassen Innovationen wegen Datenschutzes liegen
kro Frankfurt
− Die zunehmende Rechtsunsicherheit beim Umgang mit dem Thema Datenschutz bremst das Innovationsgeschehen in deutschen Firmen oft aus. In einer Bitkom-Umfrage unter 502 Unternehmen mit 20 oder mehr Beschäftigten berichteten neun von zehn Teilnehmern über Projekte, die aufgrund von Unklarheiten im Zusammenhang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gestoppt wurden, wie der Digitalverband mitteilte. Bei drei Vierteln seien Innovationsprojekte zudem wegen bestimmter Vorgaben aus der Verordnung gescheitert.
In den meisten Fällen ging es bei den auf Eis gelegten Vorhaben um den Aufbau von Datenpools sowie um Prozessoptimierungen im Bereich der Kundenbetreuung. Betroffen waren aber auch Projekte zur Verbesserung der Datennutzung und der Einsatz von Cloud-Diensten sowie von neuen Technologien wie künstliche Intelligenz oder Big Data. „Digitale Technologien sind quer durch alle Branchen die wichtigsten Innovationstreiber“, sagt Bitkom-Geschäftsleiterin Susanne Dehmel. „Wir brauchen eine bessere Balance von Datenschutz und Datennutzung.“
Die DSGVO war im Mai 2018 europaweit mit dem Ziel von mehr Transparenz und Einheitlichkeit bei der Verarbeitung personenbezogener Daten eingeführt worden. Seitdem müssen sich Unternehmen dafür fast immer unter anderem eine klare und explizite Einwilligung der betroffenen Person einholen. Bei gravierenden Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 20 Mill. Euro oder von bis zu 4% des weltweiten Jahresumsatzes. Mit fast 750 Mill. Euro hatte zuletzt die luxemburgische Datenschutzbehörde CNPD die bislang höchste DSGVO-Strafe gegen Amazon verhängt. In dem Fall ging es um den Einsatz von personalisierter Werbung mithilfe gesammelter Kundendaten auch auf Drittseiten. Der Online-Riese wollte gegen die Entscheidung in Berufung gehen.
Wenig Hilfe von Behörden
Eine komplette Umsetzung der Regeln wird von der Wirtschaft jedoch vielfach als äußerst kompliziert und teilweise sogar unmöglich erachtet. Hinzu kommt die unterschiedliche Auslegung in den einzelnen Bundesländern und der EU, die die Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen stellt. Generell gilt Deutschland im internationalen Vergleich als besonders streng bei der Strafverfolgung von Datenschutzvergehen − und schießt dabei nach Ansicht der Unternehmen offenbar teils über das Ziel hinaus, wie die Bitkom-Umfrage zeigt: Demnach finden 50% der Firmen, dass es die Bundesrepublik mit dem Datenschutz „übertreibt“.
Gleichzeitig gebe es von den Aufsichtsbehörden nur wenig brauchbare Unterstützung bei der Umsetzung der Vorgaben. Ein Viertel der Unternehmen berichtete in der Umfrage, auf ihre konkreten Fragen keine Antwort erhalten zu haben. 28% hätten zudem zwar eine Antwort bekommen, die aber nicht geholfen habe. Von denen, die eine Hilfestellung in Form von Leitfäden, Einzel- oder Gruppenberatung bekommen haben, war ein Großteil eher nicht oder überhaupt nicht zufrieden. „Um den Datenschutz in den Unternehmen nachhaltig zu befördern, reicht es nicht, Beschwerden abzuarbeiten und bei nachgewiesenen Verstößen Bußgelder zu verhängen“, erklärt Dehmel. „Für den gelebten Datenschutz könnte viel mehr erreicht werden, wenn die Aufsichtsbehörden präventiv tätig würden und Unternehmen bei der praktischen Umsetzung der Datenschutzvorgaben unterstützten, indem sie konkrete Auskünfte erteilen und praxisnahe Empfehlungen geben.“
Gerade für kleine Unternehmen sei das wichtig. Hier fehle es oft an entsprechender Expertise, was dazu führt, dass nach wie vor ein Drittel der Firmen mit 20 bis 99 Beschäftigten die DSGVO erst teilweise umgesetzt hat. Durch die Corona-Pandemie hätten sich hier zuletzt aber auch die Prioritäten verschoben.