Unternehmen schlagen sich gut
Von Heidi Rohde, Frankfurt
Eine Fülle von börsennotierten Unternehmen hat in den vergangenen Wochen mit vorab veröffentlichten Eckdaten für die ersten drei Monate des Jahres für eine positive Überraschung gesorgt. Allen voran scheinen die großen Autohersteller die Krise schneller und besser als erwartet hinter sich zu lassen, wie Absatz, Gewinn und Cash-flows von BMW, Daimler und Co zeigen. In der Dax-Liga gibt sich BASF nach dem ersten Quartal optimistischer als bisher geplant, auch Henkel berichtete vorab über einen guten Start. Am breiten Markt hagelt es scheinbar gute Nachrichten, und zwar quer durch alle Branchen. Nicht nur ausgewiesene Corona-Profiteure wie der Kochboxen-Lieferant Hellofresh nehmen sich mehr vor, sondern auch der Schmierstoffhersteller Fuchs Petrolub und der kleine IT-Dienstleister GFT Technologies.
Mit der guten Geschäftsentwicklung bei vielen Unternehmen korrespondiert die im Angesicht einer epochalen Krise doch überraschend geringe Zahl von Restrukturierungsfällen, wie Lutz Jäde, Partner und Leiter Restrukturierungspraxis für Deutschland und Europa bei der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman, feststellt. Dabei hat insbesondere auch die Unterstützung von Banken dafür gesorgt, dass deutsche Unternehmen bisher augenscheinlich ohne allzu große Schwierigkeiten durch die Krise gekommen sind.
Diese haben die Liquiditätsvorsorge der Firmen durch eine großzügige Kreditvergabe mitgetragen. In einer Studie zur Krisenbewältigung mit 200 Teilnehmern aus Banken und Industrie stellen die Berater heraus, dass trotz eines signifikanten Umsatzeinbruchs von 20% die Cash-Reserven der Unternehmen um 37% angeschwollen sind. Basis war hier eine breite Auswahl von rund 2700 Gesellschaften in Europa. Offenbar war den Banken bei der Kreditvergabe nicht bange, angesichts von vielfachen staatlichen Bürgschaften und gesetzlichen Erleichterungen.
Bald Restrukturierungswelle
Jedoch dürfte die große Restrukturierungswelle erst noch kommen. Zumal die Bundesregierung die gesetzlichen Regelungen zum Schutz vor Insolvenz, die am 30. April ausgelaufen sind, wohl nicht mehr verlängern will. Die Zahl der Insolvenzen dürfte im laufenden Jahr bei 15900 landen, ein Plus von 6% gegenüber Vorjahr, 2022 droht dann aber ein Sprung um 15% auf knapp unter 20000, schätzt der Kreditversicherer Euler Hermes, der auch von einer „tickenden Zeitbombe“ spricht (Bericht auf dieser Seite).
Im laufenden Jahr rechnen bei Oliver Wyman 83% der Studienteilnehmer damit, dass die Zahl der kriselnden Gesellschaften wächst. Teilnehmer aus dem Bankenbereich weisen darauf hin, dass eine erhöhte Anzahl von Restrukturierungsfällen bisher erst bei kleineren Unternehmen mit unter 500 Mill. Euro Umsatz aufgetreten ist. Dies haben 62% der Befragten beobachtet. Bei großen und sehr großen Gesellschaften erscheint der Restrukturierungsbedarf der Mehrheit der Teilnehmer unverändert in der Anzahl zu sein.
Jäde geht davon, dass dies die Ruhe vor dem Sturm ist. Denn der „Druck auf die Liquidität wird bei vielen erst kommen, wenn das Geschäft nach der Krise wieder hochläuft, wenn größere Bestellungen im operativen Alltag oder Investitionen nötig sind“. Konkret bezeichnen derzeit 36% der befragten Manager ihre Zahlen als „gut“, sehen jedoch Handlungsbedarf bei Strategie und Geschäftsmodell. 30% sind indes unzufrieden mit der Umsatzentwicklung, die hinter den Erwartungen zurückbleibe, 27% kämpfen mit Ergebnissen unter den Erwartungen, bezeichnen die finanzielle Lage aber immer noch als gut.
Refinanzierungen stehen an
Dies dürfte sich spätestens ändern, wenn 2022 oder 2023 die Refinanzierung von Krediten ansteht, die 2020 vor dem Hintergrund staatlicher Unterstützungsmaßnahmen gewährt wurden. Dann könnten die Banken deutlich kritischer auf Bilanzen und Geschäftsmodelle schauen. Anstelle von Kreditinstituten spielt in Krisensituationen von Unternehmen zunehmend Private Equity eine Rolle. Zahlreiche große Fonds haben eigene Debt-Sparten aufgebaut. Sie geben Kredite mit höherem Risiko „und natürlich etwas höherem Zins“, kalkulieren aber im Falle eines Falles einen „Debt-to-Equity-Swap“ ein.
Besonders krisenanfällig könnte in naher Zukunft der Maschinen- und Anlagenbau sein, aber auch Zulieferer in der Airline-Industrie, die einen nachhaltigen Absatzknick verkraften müssen. Darüber hinaus müssen sich die herkömmlichen Geschäftsmodelle bei den von Corona besonders getroffenen Branchen Einzelhandel, Reise und Touristik nach der Krise einem neuen Qualitätscheck stellen.