US-Einzelhandel fürchtet China-Zölle

Angeschlagenem Sektor droht nächste Pleitewelle - Bittbrief der Schuhproduzenten an Präsident Trump

US-Einzelhandel fürchtet China-Zölle

Von Sebastian Schmid, FrankfurtDer US-Einzelhandel kämpft seit Jahren ums Überleben, was zahlreiche geschlossene oder zunehmend leere Einkaufscenter im ganzen Land bezeugen können. Doch als ob die bisherige Hauptursache des sogenannten Mall-Sterbens – die Verlagerung der Einkäufe aus dem stationären in den Online-Handel – nicht schon genug wäre, droht nun mit der Ausweitung der Zölle – überwiegend auf Konsumartikel wie Bekleidung, Schuhe und Spielzeug – schon der nächste Schlag. Gemäß dem Einzelhandelsverband National Retail Federation stammen 42 % aller in den USA verkauften Textilien aus dem Reich der Mitte. Das klingt viel, ist im Vergleich mit anderen Kategorien aber noch überschaubar. So liegen die Anteile bei Haushaltsgeräten (73 %) und Spielwaren (88 %) weit höher. In einem Brief vom 20. Mai drängten 170 Schuhproduzenten und -händler US-Präsident Donald Trump, Schuhe als Kategorie von der Liste der Produkte zu nehmen, auf die die neuen Einfuhrzölle aus China erhoben werden sollen. Sieben von zehn Paar Schuhen, die in den USA verkauft werden, wurden in China hergestellt. Der Branchenverband Footwear Distributors & Retailers of America rechnet mit Zusatzkosten von 7 Mrd. Dollar, die jährlich auf US-Verbraucher allein aufgrund der Schuhzölle zukämen. Diese beträfen zudem überproportional Amerikaner mit geringer Kaufkraft.Während die weniger wohlhabenden Amerikaner allerdings oft Kaufentscheidungen aufgrund höherer Preise verschieben können, gilt die Wahlfreiheit für knapp oberhalb des Break-even operierende Einzelhändler nicht. Die zuletzt gestiegene Schließungswelle im US-Einzelhandel droht deshalb, sich weiter zu erhöhen. Per Ende Mai waren bereits mehr als 7 000 Schließungen angekündigt worden. Im gesamten Jahr 2018 waren es nur 5 854, wie die “New York Times” mit Bezug auf das Marktforschungsunternehmen Coresight Research berichtet hat. Coresight schätzt, dass die Zahl der Schließungen im laufenden Turnus bis auf 12 000 steigen könnte. Insgesamt sind im US-Einzelhandelssektor seit Jahresbeginn über 50 000 Jobs weggefallen. Da der Einzelhandel bei einem Konsumanteil von 70 % am Bruttoinlandsprodukt eine enorme Bedeutung hat, gilt es unter den US-Einzelhändlern immer noch als unwahrscheinlich, dass die Zölle durch die Bank und ohne Ausnahme erhöht werden. Wo Ausnahmen gemacht werden, scheint indes unvorhersehbar.UBS-Analyst Jay Sole geht davon aus, dass die vollen Auswirkungen einer Zollanhebung auf breiter Front am Aktienmarkt noch nicht eingepreist seien. Die Kurse würden weiter fallen, ist er überzeugt. Denn viele Firmen müssten ihre Gewinnprognose senken, dürften dies aber auch erst, wenn es konkret werde. Wie hoch die Auswirkungen sein werden, ist zudem schwer abzuschätzen, weil bei großen Einzelhandelskonzernen wie Walmart unklar ist, welche Gewinnanteile die Produkte aus China beitragen.Dass die Chinesen sich auf einen längeren Streit und damit wohl auch auf weitere US-Zölle einstellen, zeigen die jüngsten Aussagen von Huawei. Der von den USA auf die schwarze Liste gesetzte Mobilfunkausrüster, der Trump zufolge Teil einer Einigung im Handelsstreit sein könnte, hat seinen Erlösausblick drastisch gesenkt und rechnet auch erst in zwei Jahren mit einer Besserung (siehe Bericht auf dieser Seite).