USA reichen wegweisende Kartellklage gegen Apple ein
US-Kartellklage greift Geschäftsmodell von Apple an
Justizministerium und Bundesstaaten werfen Konzern weitreichende Ausschlusspraktiken vor – iPhone-Entwickler fürchtet Verlust von Vormachtstellung
xaw New York
Apple muss sich einer potenziell wegweisenden Kartellklage stellen. In der am Donnerstag eingereichten 88-seitigen Schrift werfen das US-Justizministerium sowie 15 Bundesstaaten und der District of Columbia dem Technologieriesen wettbewerbsfeindliche Geschäftspraktiken vor, mit denen er Kunden und Entwicklern den Wechsel auf Konkurrenzprodukte und Plattformen erschwert habe. Der Konzern habe „seine Marktmacht nicht durch Überlegenheit, sondern durch unrechtmäßiges Ausschlussverhalten“ gefestigt, sagte Justizminister Merrick Garland.
So habe Apple andere Unternehmen durch eine Reihe beliebig angepasster Regeln davon abgehalten, Alternativen zu Anwendungen wie der Apple Wallet anzubieten, in der Nutzer digitale Varianten von Kreditkarten sowie andere Dateien speichern können. Letztlich habe der iPhone-Konzern die Preise für Verbraucher damit künstlich hoch gehalten.
Die Apple-Aktie setzte auf die Klage hin am Donnerstag um 4,1% zurück, lag im frühen New Yorker Handel am Freitag aber leicht im Plus. Der Tech-Riese kündigte an, sich „energisch“ verteidigen zu wollen. Die Klage „gefährdet, wer wir sind“ und bedrohe „die Prinzipien, durch die Apple-Produkte sich in einem hart umkämpften Markt abheben“, teilte eine Sprecherin mit. Sei das US-Justizministerium erfolgreich, würde dies das Unternehmen in seinen Möglichkeiten behindern, die Technologien anzubieten, die Kunden erwarteten.
Zahlreiche Klagen gegen Silicon-Valley-Riesen
Die Geschäftspraktiken, die dem iPhone-Entwickler einen Aufstieg zum Wirtschaftsgiganten mit 2,75 Mrd. Dollar Börsenwert ermöglicht haben, stehen schon seit Jahren im Fokus der Kartellbehörden – ebenso wie das Gebaren anderer US-Tech-Riesen. So haben das Justizministerium und die Wettbewerbsaufsicht FTC auch Klagen gegen Amazon, Alphabet und Meta Platforms eingereicht.
In nur wenigen Fällen erwarten Rechtsexperten eine Entscheidung vor den US-Präsidentschaftswahlen im November. Allerdings lassen US-Behörden Konflikte um Wettbewerbsrecht und Marktregulierung auch bei wechselnden politischen Mehrheiten in neuen Legislaturperioden nur selten fallen. Die demokratische FTC-Chefin Lina Khan beispielsweise hat eine der meistbeachteten Kartellklagen ihrer Amtszeit praktisch von ihrem republikanischen Vorgänger Joseph Simons geerbt.
Im Dezember 2020, also in den letzten Tagen der Präsidentschaft Donald Trumps, reichte die Wettbewerbsaufsicht eine Klage gegen Meta Platforms ein. Die Facebook-Mutter habe durch Übernahmen potenzieller Rivalen wie des Messaging-Dienstes Whatsapp oder der Foto- und Videoplattform Instagram unrechtmäßig versucht, den Wettbewerb zu umgehen.
Der Fall entwickelte sich zunächst nur langsam, im Juni 2021 verfügte ein US-Bezirksrichter, die Wettbewerbsaufsicht habe ihre Vorwürfe der Monopolmacht nicht ausreichend unterfüttert. Unter Khan dickte die FTC die Klage aber an und reichte sie neu ein, das zuständige Tribunal erlaubte ihr daraufhin, Zeugen vorzuladen. Die Aufsichtschefin treibt den Prozess seither voran; die Facebook-Mutter plädiert darauf, dass ein Verhandlungsauftakt vor Ende des laufenden Jahres unrealistisch ist.
Besondere Tragweite
Der Fall Apple basiert laut Wirtschaftskanzleien auch auf der Annahme, dass der Konzern verpflichtet ist, für ein möglichst reibungsloses Nutzererlebnis mit anderen Software- und Hardwareherstellern zu kooperieren. US-Gerichte haben diesen Zwang für De-facto-Monopolisten seit Beginn des Jahrtausends in der Regel nicht bestätigt. Das Justizministerium verweist in seiner Klageschrift allerdings auf eine besondere Tragweite der angeblich unfairen Praktiken des Technologieriesen, die eine Neudefinition der Kartellrechtsprechung rechtfertigen könnten.
Das Vorgehen von Apple „begrenzt nicht nur den Wettbewerb im Smartphone-Markt, sondern hallt auch in durch diese Beschränkungen betroffenen Industrien nach, darunter Finanzdienstleistungen, die Fitness-, Videospiel-, Social-Media-, Nachrichtenmedien- und Unterhaltungsbranche“, kritisieren Garland und Kollegen. Werde das „antikompetitive und ausschließende“ Verhalten nicht gestoppt, werde der Konzern dies noch ausweiten und sein Monopol auch in anderen Märkten und Sektoren untermauern.
Cloud als Gefahr für Geschäfte
Dabei betrachteten Apple und CEO Tim Cook Cloud-Technologie als Gefahr. Denn diese könne es Nutzern ermöglichen, Spiele in App-Store-Qualität zu zocken, ohne dafür Hardware des Tech-Riesen zu benötigen. „Stell dir vor, du kaufst ein verdammtes Android-Handy für 25 Tacken auf dem Flohmarkt und hast eine solide Cloud-Computing-Vorrichtung“, zitiert das Justizministerium einen Apple-Manager. Dann käme es „nur noch darauf an, wer die günstigste Hardware hat“, soll ein anderer Konzernvertreter gesagt haben.
Aus ähnlichen Gründen soll Apple normale Textnachrichten nicht vollumfänglich in den hauseigenen Dienst iMessage integriert haben. Nachrichten von und an Android-Smartphones sind daher nicht verschlüsselt, zudem können Apple-Kunden in der Kommunikation mit Nicht-iPhone-Nutzern nicht alle Funktionen nutzen. Das Justizministerium verweist auf einen schnippischen Kommentar von CEO Cook bei einer Veranstaltung im Jahr 2022. Damals beschwerte sich ein Nutzer, dass er über iMessage bestimmte Videos nicht an seine Mutter schicken könne. „Kauf deiner Mutter ein iPhone“, gab Cook zurück.
Der Fokus der am Donnerstag eingereichten Klage fällt also deutlich größer aus als beim jüngsten Kartellprozess gegen Apple. Dabei klagte der Spieleentwickler Epic Games 2020 und wollte den Konzern zwingen, Downloads auf das iPhone auch von Quellen außerhalb des App Stores zuzulassen. Eine US-Bezirksrichterin urteilte, dass Apple die Zahlungsmöglichkeiten in Apps nicht auf die eigene Plattform beschränken darf, gab der Wettbewerbsklage von Epic damit aber nicht vollumfänglich statt. Apple hält an der Maßgabe fest, dass Downloads über den App Store erfolgen müssen, um iPhones frei von Viren zu halten. Bei App-Verkäufen behält der Konzern üblicherweise 30% der Erlöse ein.
Kreditgenossen ächzen unter Gebühren
Die Klage des Justizministeriums bezieht sich nicht auf die mit dem App Store verbundenen Zahlungsoptionen. Allerdings werfen Generalbundesanwalt Garland und seine Kollegen Apple vor, Payment-Mechanismen von anderen Banken blockiert zu haben, um die eigene Wallet als alternativlos erscheinen zu lassen. Eine Gruppe von Kreditgenossenschaften klagte 2022 bereits vor einem Bundesgericht in San Francisco gegen den Konzern und beschuldigte ihn, von Finanzdienstleistern „willkürliche und aufgeblähte Gebühren“ für die Anbindung an die digitale Geldbörse auf dem iPhone zu verlangen.
Das kartellrechtliche Vorgehen gegen Apple könnte sich laut Wirtschaftskanzleien noch über Jahre hinziehen. Insbesondere seine Geschäftspraktiken im App Store dürfte das Unternehmen laut Analysten unbedingt aufrechterhalten wollen. Denn dieser stellt für den Konzern eine entscheidende Umsatzquelle dar und liefert einen hohen Beitrag zur Profitabilität, während sich das Wachstum der Erlöse aus iPhone-Verkäufen verlangsamt hat.
Das US-Justizministerium und mehrere Bundesstaaten klagen gegen Apple. Sie werfen dem Konzern weitreichende Verstöße gegen Wettbewerbsrecht vor und gehen dabei weiter als in vergangenen Kartellprozessen. Der Tech-Riese sieht nun sein Geschäftsmodell gefährdet.