Im GesprächHendrik Brandis, Earlybird

„Venture Capital ist für Pensionskassen geeignet“

Nachdem Investoren 2024 wohl erneut weniger Geld in Europas Start-ups gesteckt haben, stehen die Zeichen aus Sicht von Hendrik Brandis nun auf Aufschwung. Der Mitgründer und Partner bei Earlybird ist „überzeugt“, dass die Assetklasse auch für institutionelle Anleger wie Pensionskassen geeignet ist.

„Venture Capital ist für Pensionskassen geeignet“

Im Gespräch: Hendrik Brandis

„Venture Capital ist für Pensionskassen geeignet“

Earlybird-Mitgründer blickt optimistisch auf Europas Wagniskapitalbranche – Bei institutionellen Anlegern in Deutschland herrsche ein „Wissensdefizit“

Nachdem Investoren 2024 voraussichtlich erneut weniger Geld in Europas Start-ups gesteckt haben, stehen die Zeichen aus Sicht von Hendrik Brandis nun aber auf Aufschwung. Der Mitgründer und Partner bei Earlybird ist „überzeugt“, dass die Assetklasse auch für institutionelle Anleger wie Pensionskassen geeignet ist.

Von Karolin Rothbart, Frankfurt

Neues Jahr, neue Hoffnung für Europas Start-up-Szene. Nachdem der finanzielle Befreiungsschlag auch im vergangenen Jahr ausgeblieben ist und die Wagniskapitalinvestitionen in der Region laut Pitchbook einmal mehr gesunken sind (um etwa 7% auf geschätzte 57 Mrd. Euro), stehen die Zeichen nun endgültig auf Aufschwung. So sieht es jedenfalls Hendrik Brandis, Mitgründer und Partner von Earlybird, einem Berliner Frühphaseninvestor, der in Europa als besonders aktiv gilt und hierzulande unter anderem Geld in das Quantencomputer-Start-up Eleqtron sowie die Neobank N26 gesteckt hat.

Er sei „fundamental optimistisch für 2025 und die folgenden Jahre“, sagt Brandis. Allein die langfristige Entwicklung der Assetklasse Venture Capital spreche für eine positive Entwicklung. „Studien, zum Beispiel von McKinsey, zeigen eindrucksvoll, dass sich die Performance seit fast einem Vierteljahrhundert kontinuierlich und signifikant verbessert“, so der Investor. Erst kürzlich hatte zudem der europäische Private-Capital-Verband in einer Analyse darauf hingewiesen, dass europäisches Wagniskapital seit dem Jahr 1986 eine bessere Rendite eingefahren habe als der MSCI Europe.

KI wird die Nachfrage nach Venture Capital weiter beschleunigen und das Angebot wird erneut nicht mitwachsen.

Hendrik Brandis

Aus Sicht von Brandis ist das kein Zufall. Vielmehr sei die Entwicklung – unter anderem – Resultat eines regelmäßig wiederkehrenden Marktungleichgewichts. „Die Nachfrage nach Wagniskapital wird ja getrieben durch technologische Innovation, welche exponentiell voranschreitet“, erklärt der Investor und promovierte Luft- und Raumfahrtingenieur. „Diese exponentielle Nachfrage nach Wagniskapital wird auf der Angebotsseite aber nicht entsprechend abgebildet.“ Dadurch entstehe ein Nachfrageüberhang, der dazu führe, „dass die wenigen Marktteilnehmer eine bessere Auswahl haben, günstigere Bewertungen realisieren und höhere Renditen erzielen können.“

KI treibt Nachfrage

Es gebe „keinen Grund zur Annahme, dass dieser langfristige Trend gerade jetzt im KI-Zeitalter zum Stillstand kommen könnte“, sagt Brandis. „Im Gegenteil: KI wird die Nachfrage nach Venture Capital weiter beschleunigen und das Angebot wird erneut nicht mitwachsen.“

Tatsächlich hat sich der Investorenhype um die Technologie auch im vergangenen Jahr nicht abgeschwächt. Laut Pitchbook-Zahlen sind in Europa bis Ende September mehr als 10 Mrd. Euro in KI-Start-ups geflossen und damit fast ein Viertel mehr als im Vorjahreszeitraum.

Besonders große Summen gingen dabei etwa an das britische KI-Start-up Wayve (1 Mrd. Dollar im Mai), an den Pariser Sprachmodell-Entwickler Mistral (468 Mill. Euro im Juni) oder auch an das Münchener KI-Rüstungs-Start-up Helsing (450 Mill. Euro im Juli).

Brandis schöpft seine Zuversicht aber nicht allein aus der langfristigen Performance der Assetklasse. Auch die kurzfristige Entwicklung am Markt spiele eine Rolle. „Nach dem Schock aus der Finanzkrise 2008 ging es am VC-Markt lange bergauf, bis es im Jahr 2022 aufgrund multipler Krisen wie der Corona-Pandemie und der Inflation zu einem Einbruch kam“, sagt er. „Solche kurzfristigen Abschwünge am VC-Markt dauerten in der Vergangenheit meist um die drei Jahre – und ich prognostiziere, dass es auch dieses Mal so sein wird.“ Die Wertschöpfung innerhalb der Tech-Branche entwickele sich schließlich unabhängig vom makroökonomischen Umfeld.

Fundraising läuft „erstaunlich gut“

Mit seiner Einschätzung scheint Brandis nicht allein dazustehen, gelinge das Fundraising bei Earlybird doch zurzeit „erstaunlich gut“. Auch branchenweit dürften 2024 trotz anhaltender Exit-Flaute wieder mehr Mittel zusammengekommen sein: Laut einer Erhebung von Dealroom haben europäische VC-Fonds allein bis zum dritten Quartal 27 Mrd. Dollar eingesammelt und damit fast so viel wie im gesamten Vorjahr. „Vielleicht spricht sich mittlerweile auch schon die Erkenntnis herum, dass Venture Capital und Technologieinvestitionen deutlich krisenrobuster sind als man denkt“, sagt Brandis.

Unter jenen Anlegern, die mit richtig großen Summen hantieren – also institutionellen Investoren wie etwa Pensionskassen, Versicherern oder Versorgungswerken – scheint sich das zumindest in Europa vielfach noch nicht herumgesprochen zu haben. Europäische Pensionsfonds investierten beispielsweise zuletzt gerade mal 0,01% ihres Kapitals in hiesiges Venture Capital, wie eine Studie des Londoner Wagniskapitalgebers Atomico im November gezeigt hat. Die Zurückhaltung der Institutionellen in Sachen Start-up-Finanzierung sorgt in der Szene regelmäßig für Frust.    

Er selbst sei jedenfalls überzeugt, dass Venture Capital für Pensionskassen geeignet ist, sagt Brandis. „In den USA, dem Mutterland der Pensionskassen, sind diese sehr umfassend in die Assetklasse investiert und fühlen sich damit außerordentlich wohl.“

Datenmangel als Hemmschuh

Er glaube, dass es mit Blick auf die in Deutschland ansässigen großen Versicherungen und Versorgungswerke in der Angelegenheit „grundsätzlich ein Wissensdefizit gibt“. „Das ist teilweise auch getrieben durch einen Datenmangel, der wiederum der Tatsache geschuldet ist, dass die Venture Capital Szene in Europa relativ klein ist.“ Für die großen Asset-Manager sei es dadurch schwierig, „das faktische Risiko von Venture Capital richtig einzuschätzen“.

Es gebe daneben noch einen weiteren Grund für die Zurückhaltung institutioneller Anleger bei Venture Capital: Die Solvency II-Richtlinie und ihre „holzschnittartige Risikoklassifizierung“, wie Brandis sagt. Die Richtlinie schreibt die Eigenkapitalunterlegung vor, die institutionelle Anleger je nach Risikoklasse eines Investments vorweisen müssen. „Bei Staatsanleihen braucht es null Eigenkapital, egal ob sie aus Deutschland oder Griechenland kommen“, erklärt Brandis. „Bei Unternehmen, die jung sind und stark wachsen, braucht es unter anderem wegen fehlender Langzeitdaten jedoch 100% Eigenkapital.“ Dabei spiele es keine Rolle, ob Investoren in ein einzelnes Unternehmen investieren wollen oder in ein breites Portfolio. „Das macht solche Investitionen für institutionelle Anleger natürlich extrem teuer“, sagt Brandis.