Versuch der Weltrettung in Kattowitz

Kohleverstromer geraten durch die Klimakonferenz in Polen zusätzlich unter Druck - Einigung auf Regelwerk erhofft

Versuch der Weltrettung in Kattowitz

cru Düsseldorf – Begleitet von Warnungen vor einer intensiven Erderhitzung hat nach der ersten Plenumssitzung am Montag in Polen offiziell der 24. UN-Klimagipfel begonnen. Zum Auftakt in der Kohlebergbau-Stadt Kattowitz hat die Weltgemeinschaft dem Treffen die entscheidende Rolle für die Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015 zugewiesen. “Kattowitz ist die wichtigste Konferenz seit Paris”, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres in einem dramatischen Appell an die Teilnehmer aus fast 200 Ländern. Weltweit sei der Klimawandel für viele Menschen, Regionen und ganze Staaten eine “Frage von Leben und Tod”.Das Treffen erhöht den Druck auf Kohleverstromer wie RWE, Uniper oder Steag zusätzlich. Zahlreiche Großinvestoren verabschieden sich bereits aus diesem Feld: Norwegens größter börsennotierter Lebensversicherer Storebrand will bis 2026 alle Investments in Kohle beenden und hat seit 2013 bereits 64 Unternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt, darunter auch RWE. Auch Norwegens Staatsfonds mit fast 1 Bill. Dollar Volumen hat ähnliche Regeln für den Kohleausstieg eingeführt. Kraftwerke schreiben VerlustLaut Thinktank “Carbon Tracker” schreiben bereits weltweit 42 % der Kohlekraftwerke Verluste, bis 2040 könnten es 72 % sein, wie die Studie “Powering Down Coal” prognostiziert. Dagegen können erneuerbare Energien bereits heute in der gesamten EU billiger Strom liefern als neue Kohlekraftwerke. Laut Carbon Tracker ergibt es daher auch wirtschaftlich Sinn, Kohlekraftwerke im Einklang mit den Zielen des Pariser Abkommens zu schließen.Entwicklungsminister Gerd Müller forderte in Kattowitz eine EU-weite Zertifizierung für Soja und Palmöl, um die Regenwälder zu schützen. Zugleich hob Müller die Verantwortung der entwickelten Industrieländer hervor. “Die reichsten 10 % der Welt sind für 50 % der Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Von den Folgen sind am stärksten die armen Länder mit den niedrigsten Emissionen betroffen.” Polens Staatspräsident Andrzej Duda, dessen Land seinen Strom zu 80 % aus Kohle gewinnt, stimmte die Teilnehmer auf schwierige Verhandlungen ein. Beraten wird zwei Wochen lang darüber, wie die als historisch eingestuften Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz von 2015 durch klare Regeln zur Umsetzung und Überprüfung ergänzt werden können. Der langjährige Klimaberater der Bundesregierung und Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, fordert die Gründung eines Staatsfonds für den Klimaschutz mit einem Volumen von bis zu 0,6 Bill. Euro.Schon jetzt hat sich die Erde um rund 1 Grad aufgeheizt seit der vorindustriellen Zeit um 1750. In Paris war 2015 beschlossen worden, die Erderwärmung auf unter 2 Grad, möglichst sogar auf 1,5 Grad zu begrenzen. Trotz wachsender internationaler Widerstände erwartet Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Fortschritte.”Jeder soll nach dieser Konferenz wissen, was er zu tun hat, wie er Fortschritte beim Klimaschutz misst und transparent macht. Und jeder soll nachvollziehen können, was der andere tut.” Die bisher weltweit zugesagten Maßnahmen zur Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase reichen indes nicht aus.Trotz aller Absichtserklärungen fährt der Zug immer noch in die Gegenrichtung – die Emissionen nehmen zu. Die Weltbank will daher mit doppelt so hohen Investitionen wie bisher gegensteuern. Von 2021 bis 2025 sollen insgesamt 200 Mrd. Dollar fließen (umgerechnet 177 Mrd. Euro), um vor allem den ärmsten Ländern der Welt zu helfen, wie die Washingtoner Entwicklungsbank mitteilte.US-Präsident Trump, dessen Land als größter Verursacher von Treibhausgasen aus dem Pariser Vertrag ausgestiegen ist, hofft derweil, dass er weitere Abtrünnige aus der Klima-Übereinkunft herauslösen kann, etwa Brasilien, wenn Jair Bolsonaro im Januar sein Amt antritt – unter ihm könnte es eine Abholzungsoffensive im Regenwald geben. Als Wackelkandidaten sieht er auch die Türkei, Saudi-Arabien und Russland.Beim G20-Treffen am Wochenende waren die USA zufrieden, weil laut Kommuniqué “alle Energiequellen” genutzt werden sollen – einschließlich fossiler Stoffe, die im Sinne des Klimaschutzes eigentlich bis 2050 auslaufen müssten. In Brüssel demonstrierten vor der Kattowitz-Konferenz 65 000 Menschen für den Klimaschutz, in Berlin und Köln ebenfalls Zehntausende.—– Wertberichtigt Seite 6