Neue Strategie

Volkswagen drückt bei Digitalisierung aufs Tempo

Volkswagen will die Elektrifizierung und vor allem die Digitalisierung rasant vorantreiben. „Die echte Disruption steht noch bevor“, kündigt VW-Markenchef Ralf Brandstätter an.

Volkswagen drückt bei Digitalisierung aufs Tempo

scd Frankfurt

Volkswagen plant mit einer deutlich schnelleren Ausweitung des E-Auto-Angebots. In Europa sollen bis 2030 gut 70% der Gesamtverkäufe der Kernmarke VW Pkw rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge sein. Das sei eine Verdopplung des bisherigen Planziels, sagte Marken-CEO Ralf Brandstätter bei der Vorstellung der neuen Strategie „Accelerate“. In den anderen beiden wichtigen Märkten USA und China soll Ende des Jahrzehnts zumindest jedes zweite verkaufte Fahrzeug ein reines E-Auto sein. Dazu will VW jedes Jahr mindestens ein neues E-Fahrzeug auf den Markt bringen. Neben Deutschland soll Spanien für den Konzern ein zentraler Produktionsstandort von Elektroautos werden, wie VW separat mitteilte.

Die beschleunigte Elektrifizierung soll bei den Wolfsburgern nicht auf Kosten der Marge gehen, verspricht Brandstätter. Der Marken-CEO kündigte an, die operative Marge solle bis 2023 auf 6% zulegen. 2019 hatte VW Pkw eine Umsatzrendite von 4,3% vor Sondereinflüssen erwirtschaftet. Er plant dazu, die Fixkosten um 5% und die Materialkosten um 7% zu senken, sowie eine Steigerung der Produktivität um 5%. Zur Marge der E-Fahrzeuge äußerte sich Brandstätter nicht konkret. Allerdings seien die ID-Fahrzeuge heute schon profitabel.

Die Elektrifizierung sei nur ein erster Schritt. Der wahre „Gamechanger“ sei die Digitalisierung. „Während Wettbewerber noch mitten in der Elektrotransformation stecken, gehen wir mit großen Schritten in Richtung digitale Transformation.“ Während VW mit zwei E-Autos im Volumensegment zwar mittlerweile recht gut aufgestellt scheint, bleibt softwareseitig viel zu tun. Ein erster wichtiger Schritt sei geschafft, da nun beide ID-Modelle seit gut einer Woche drahtlose Software-Updates erhalten könnten, befand Brandstätter. Allerdings zieht Volkswagen damit der Konkurrenz lediglich hinterher. Tesla bietet Softwareaktualisierungen „over the air“ schon seit Jahren an. Aber auch traditionelle Autobauer bieten teils schon länger Updates ohne Werkstattbesuch.

Die ID-Fahrzeuge sollen VW dank ihrer hohen Stückzahl helfen, den Rückstand wettzumachen. In zwei Jahren werde VW eine halbe Million voll vernetzte ID-Fahrzeuge auf der Straße haben, erwartet Brandstätter. „Das ist die Voraussetzung für datenbasierte Geschäftsmodelle.“

Wie die Schwestermarke Audi mit „Artemis“ hat sich VW mit „Trinity“ ein Leuchtturmprojekt vorgenommen. Dieses sei der Kristallisationspunkt der Strategie Accelerate, sagte Brandstätter. Das Fahrzeug, das auf einer neu entwickelten Fahrzeugarchitektur basiere, soll 2026 in Serie gehen und Maßstäbe bei Reichweite, Ladegeschwindigkeit und Digitalisierung setzen. Derzeit setzen die Maßstäbe andere. So ist Hyundais unlängst vorgestellter Ioniq 5 preislich nur leicht oberhalb des ID4 angesiedelt, verspricht aber Ladegeschwindigkeiten, wie sie im VW-Konzern bislang nur den deutlich teureren Porsche Taycan und Audi E-Tron vorbehalten sind.

Mit „Trinity“ will VW die Art und Weise, wie Fahrzeuge entwickelt werden, neu ausrichten. So werde die Hardware je Modell künftig weitgehend vereinheitlicht. Die Autos hätten dann quasi alles an Bord und der Kunde könne gewünschte Funktionen jederzeit „on demand“ freischalten – so wie heute schon etwa die Autopilot-Funktion im Tesla. Das biete einerseits Einnahme-Chancen und reduziere andererseits die Komplexität in der Produktion. Vertriebschef Klaus Zellmer erwartet, dass über ein solches Modell „durchaus dreistellige Millionenbeträge“ zu­sätz­lich verdient werden könnten.