„Vorstand bleibt Impulsgeber für Investitionen“
IM INTERVIEW: CHRISTIAN BAIER
„Uns gibt diese Vereinbarung extreme Freiheit“
Covestro-Finanzchef begrüßt neues Aufsichtsratsgremium – Angebotsüberhang drückt die Margen – Kein Ausblick auf 2025
Die erste Annahmefrist zur Übernahme von Covestro durch Adnoc läuft. Im Erfolgsfall könnte bald ein Dax-Wert vom Kurszettel verschwinden. Finanzchef Christian Baier blickt dennoch zuversichtlich nach vorn. Den neu zu schaffenden Investitionsausschuss im Aufsichtsrat bezeichnet er als „sinnvolles Governance-Gremium“.
Herr Baier, seit Freitag läuft das freiwillige Übernahmeangebot von Adnoc. Jetzt müssen Vorstand und Aufsichtsrat eine Empfehlung aussprechen. Ist das mehr als eine Formalie?
Absolut. Wir haben eine Angebotsunterlage von über 150 Seiten. Wir müssen sicherstellen, dass die Vereinbarungen aus der Investitionsvereinbarung im Angebot widergespiegelt sind. Daran haben wir keinen Zweifel. Dennoch muss das überprüft werden. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass die Unterlage unsere Unterstützung bekommt.
Warum wird es bis zum Abschluss der Transaktion so lange – also bis in die zweite Jahreshälfte 2025 – dauern? Was ist nach Ihrer Einschätzung die größte Hürde?
Es ist schwierig, eine höchste Hürde zu nennen. Es gibt zahlreiche Freigaben, die wir bekommen müssen. Die Prozesse sind extrem gut von Adnoc und von uns vorbereitet. Dennoch haben wir es mit verschiedenen Facetten der Regulatorik zu tun, die eine gewisse Zeit brauchen. Wir sind zuversichtlich, dass wir da gut durchkommen, und können keinen kritischen Pfad aufmalen.
Schaut man sich öffentliche Übernahmeangebote aus der Vergangenheit an, gibt es in der Regel keine Break-up Fees.
Gibt es eine Break-up Fee, wenn die Übernahme bedingt durch fehlende Freigaben doch noch scheitert? Laut Unterlage müssen alle Freigaben bis
2. Dezember 2025 vorliegen.
Wir sind zuversichtlich, dass wir die notwendigen regulatorischen Freigaben bis dahin erhalten haben werden. Schaut man sich öffentliche Übernahmeangebote aus der Vergangenheit an, gibt es in der Regel keine Break-up Fees, da sich der Bieter nach der Veröffentlichung seines verpflichtenden Übernahmeangebotes grundsätzlich nicht mehr ohne Weiteres hiervon lösen kann. Die Transaktion findet mithin in einem sehr regulierten Umfeld und gesetzlich strukturierten Verfahren statt, entsprechend sind Entschädigungszahlungen nicht vorgesehen.
Künftig gibt es im Aufsichtsrat einen Investitionsausschuss, der den Handlungsspielraum des Vorstands eingrenzt. War das das Zugeständnis, damit Adnoc bei anderen Governance-Themen zustimmte?
Unsere großen Investitionen wurden immer vom Aufsichtsrat genehmigt. Man muss auch fragen, wie viele Investitionen Covestro alljährlich tätigt, die größer sind als 200 Mill. Euro. Uns gibt diese Vereinbarung extreme Freiheit. Der Vorstand wird damit komplett in seiner Strategie unterstützt und bleibt nach wie vor der Impulsgeber für Investitionen. Das neue Subcommittee ist ein sinnvolles Governance-Gremium, das in keiner Weise die Handlungsfreiheit des Vorstands operativ und strategisch einschränkt.
Können Sie die Kritik von Kleinaktionären nachvollziehen, die auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrags drängen?
Wir sind davon überzeugt, dass wir eine für alle Stakeholder extrem ausbalancierte Transaktion ausgehandelt haben.
Sie haben die Prognose für 2024 an den unteren Rand des Zielkorridors verschoben. Sehen Sie schwarz für das Schlussquartal?
Wir erwarten für das vierte Quartal im Mittel immer noch ein Ebitda von 250 Mill. Euro. Das ist eine anspruchsvolle Perspektive. Wir erwarten weiterhin eine positive Volumenentwicklung, auch wenn das vierte Quartal saisonal schwächer ist. Aber wir bewegen uns natürlich weiterhin auf niedrigem Margenniveau.
Ein Wirtschaftswachstum in China unterhalb von 5% ist historisch niedrig.
Sie konnten die Absatzmengen steigern, sprechen aber zugleich von Nachfrage auf niedrigem Niveau. Zuletzt sprachen Sie davon, dass die Anlagenauslastung noch weit entfernt ist von der Normalauslastung. Gilt das weiterhin?
Das ist der Knackpunkt. Wir haben ein 6-prozentiges Volumenwachstum und sprechen zugleich von schlechten Margen. Wir haben weiterhin einen Angebotsüberhang im Markt. Daher ist das Thema Anlagenauslastung für uns auch weiter relevant, denn diese benötigen wir, um Margen zu erzielen, die im historischen Mittel liegen.
Schauen wir in die Regionen: Wie sieht die Lage in China aus?
Ein Wirtschaftswachstum in China unterhalb von 5% ist historisch niedrig. Die chinesische Regierung hat das erkannt und Ende September ein Programm aufgelegt, das den Immobiliensektor und den privaten, lokalen Konsum unterstützt. Wir sehen erste positive Wirkungen, wollen das aber noch nicht überbewerten.
In Nordamerika waren Sie mit einem Umsatzrückgang konfrontiert. Ist die Resilienz in den USA doch nicht so hoch wie immer behauptet wird oder gibt es dafür Covestro-spezifische Gründe?
Die Aussage zur Resilienz stimmt. Wir hatten im dritten Quartal des Vorjahres ein extrem starkes Quartal in Nordamerika. Gesamtheitlich haben wir eine relevante Verbesserung im Bau gesehen. Eher negativ ist die Entwicklung in Elektro und Auto. Das gilt ganz grundsätzlich, je weiter westlich man geht, desto schwieriger ist es in der Autoindustrie.
Mit welcher Entwicklung rechnen Sie 2025?
Das ist vergleichbar mit dem Blick in die Kristallkugel. Unser Orderbuch reicht nur sechs bis acht Wochen weit. 2025 ist daher schwer einzuschätzen. Erst wenn wir auf das Gesamtjahr zurückschauen, werden wir detaillierter in das neue Jahr blicken.
Das Interview führte Annette Becker.