Wall Street atmet nach ungebrochener KI-Stärke bei Nvidia auf
Nvidia reitet auf ungebrochener KI-Welle
Chipdesigner sorgt an Wall Street mit anhaltendem Erlösboom für Erleichterung – CEO erwartet abermals starkes Wachstum – Herausforderer im Fokus
xaw New York
Der Chipdesigner Nvidia reitet auf einer ungebrochenen Euphoriewelle. Im Ende Januar abgeschlossenen vierten Geschäftsquartal 2024 pulverisierte der größte Börsenprofiteur des Booms um künstliche Intelligenz (KI) einmal mehr die hohen Erwartungen der Wall Street. Der Umsatz schnellte zum Vorjahr um 265% auf 22,1 Mrd. Dollar in die Höhe, die Konsensprognose hatte gemäß dem Datendienst Factset auf 20,4 Mrd. Dollar gelautet. Der Nettogewinn zog um 769% auf 12,29 Mrd. Dollar an.
Die Investoren atmeten nach der Zahlenvorlage auf. Der KI-Boom und die Nvidia-Aktie sind über das vergangene Jahr zum Treiber für den US-Markt geworden und haben den S&P 500 zusammen mit der Aussicht auf Fed-Zinssenkungen zuletzt erstmals über das Schlussniveau von 5.000 Punkten geführt. Am Donnerstag legten Nvidia nach Eröffnung an der Wall Street zeitweise um mehr als 14% zu und schoben die großen US-Indizes an.
Optimistische Prognose
Die Prognose des Chipdesigners dürfte Anlegern nach Einschätzung von Investmentberatern zusätzlichen Mut verleihen. Für das laufende Geschäftsquartal rechnet der Konzern mit einem Erlös von 24 Mrd. Dollar mit einer möglichen Abweichung von 2% in beide Richtungen. Von Factset befragte Analysten hatten zuvor im Schnitt mit 21,9 Mrd. Dollar gerechnet.
Nvidia-CEO Jen-Hsun „Jensen“ Huang sprach zudem von „exzellenten Bedingungen für ein anhaltendes Wachstum in den Kalenderjahren 2024, 2025 und darüber hinaus“. Die Zeit für Allzweckcomputer laufe ab. Unternehmen benötigten Rechner mit höherer Leistung und Energieeffizienz, um größere Datenmengen verarbeiten und ihre Kosten zugleich niedrig halten zu können. Künstliche Intelligenz stehe damit an einem "Kipppunkt".
„Um generative KI herrscht natürlich jede Menge Hype, und der Markt befindet sich noch immer in einem sehr frühen Stadium, die Technologie birgt nichtsdestotrotz breites Anwendungspotenzial für viele Unternehmen“, sagte Dan Davidowitz, leitender Portfoliomanager bei Polen Capital, der Börsen-Zeitung. „Die aktuelle Entwicklung ist vergleichbar mit dem Ausbau der Internetinfrastruktur in den 1990er Jahren, als rund um den Globus erst einmal jede Menge Glasfaserkabel verlegt werden mussten.“
Wachsender Konkurrenzdruck
Nvidia, bei der Technologieriesen wie Amazon, Meta Platforms, Alphabet und Microsoft rund 40% des Umsatzes generierten, zähle zu den frühen Profiteuren des Booms, die ihre Wettbewerbsvorteile noch ausbauen könnten. Allerdings sollten Investoren auch nach Herausforderern Ausschau halten, die solche starken Wachstumsgeschäftsmodelle gefährden könnten. „Ein gutes Beispiel ist das Adobe-Designprogramm Firefly, das auf generativem maschinellen Lernen basiert und durch die OpenAI-Anwendung Dall-E Konkurrenz erhält“, sagt Davidowitz.
Wachsender Konkurrenzdruck
Auch Nvidia muss sich mit wachsendem Wettbewerbsdruck auseinandersetzen. So hat Advanced Micro Devices zuletzt neue Beschleuniger-Hardware an den Markt gebracht, die sie unter dem Namen MI300 vermarktet. Über diese will sie nach jüngsten Prognosen im laufenden Jahr 3,5 Mrd. Dollar einspielen, eine frühere Vorhersage hatte auf 2 Mrd. Dollar gelautet.
Nvidia dürfte laut Branchenexperten bald mit noch leistungsfähigeren Beschleunigern kontern. Die Abhängigkeit des einst auf Grafikprozessoren für Videospiele spezialisierten Konzerns von der Nachfrage nach KI-Hardware ist seit 2021 massiv gewachsen. Im abgelaufenen Quartal legte der Erlös der Datenzentren-Sparte zum Vorjahr um 409% auf 18,4 Mrd. Dollar zu, womit sie mehr als 83% des Konzernumsatzes generierte. Finanzchefin Colette Kress zeigte sich in einer Analystenschalte bemüht, auch die Wachstumsrate von 56% im Gaming-Geschäft und die verstärkte Adoption der Automobilplattform Nvidia Drive durch Fahrzeughersteller hervorzuheben.
Neue Vertriebskanäle aufgebaut
Aktuell treten Befürchtungen bezüglich einer zu starken Konzentration auf einen Geschäftszweig aber hinter die KI-Euphorie der Anleger zurück. Für Nvidia bestand über die vergangenen Monate eine der wenigen Sorgen darin, dass Auftragsfertiger wie TSMC nicht genügend Chips liefern könnten, um die Hardware-Nachfrage zu bedienen. Zugleich hat der Konzern neue Vertriebskanäle aufgebaut, unter anderem durch eine Kooperation mit Cisco Systems. Der Netzwerkausrüster soll dabei helfen, ganze KI-Systeme an Unternehmen zu verkaufen.
Zuletzt sind allerdings geopolitische Risiken verstärkt in den Fokus gerückt, darunter vor allem die Effekte ausgeweiteter Beschränkungen der US-Regierung auf Halbleiterausfuhren nach China. Dahinter steht die Befürchtung Washingtons, dass Peking hochleistungsfähige Halbleiter für Cyberspionage oder militärische Anwendungen nutzen könnte.
Probleme im Reich der Mitte
Nvidia hatte auf erste Ausfuhrbeschränkungen hin weniger leistungsfähige Chips für den chinesischen Markt fertigen lassen, war nach Regelverschärfungen aber neuerlich zur Entwicklung gesonderter Halbleiter für den Vertrieb in der Volksrepublik gezwungen. Insider Intelligence kritisiert, dass der Konzern so Kapazitäten binde, die andernorts benötigt würden.
Zudem sind Chinas Cloud-Riesen offenbar weniger scharf auf die gedrosselten Nvidia-Chips als angenommen. Finanzchefin Kress räumte ein, dass die Verkäufe nach China bereits im abgelaufenen Quartal signifikant zurückgegangen seien. CEO Huang deutete indes an, dass die Umsatzprognose trotz der Hindernisse konservativ angesetzt sei – damit besteht laut Analysten das Potenzial, dass die KI-Welle noch für längere Zeit nicht bricht.
Nvidia hat die Erwartungen im abgelaufenen Quartal erneut pulverisiert und an der Wall Street damit für Erleichterung gesorgt. CEO Jensen Huang sieht auch langfristig „exzellente“ Bedingungen für eine Fortsetzung des Booms um künstliche Intelligenz. Der Konkurrenzdruck auf sein Unternehmen wächst allerdings.