Globalisierung

Warum China für Konzerne an Bedeutung verliert

Kaum ein Land war in den vergangenen Jahrzehnten für Unternehmen wirtschaftlich bedeutender als das Reich der Mitte. Nun deutet sich ein Wandel an, der auch deutsche Konzerne trifft.

Warum China für Konzerne an Bedeutung verliert

In den vergangenen zehn Jahren stand der chinesische Markt für rund 45% des weltweiten Wachstums. Internationale Konzerne, darunter viele deutsche, bauten in diesen Boomjahren ihr China-Geschäft zu einer tragenden Säule aus. Doch die goldenen Jahre scheinen vorbei zu sein. Chinas Anteil am globalen Wachstum könnte in der aktuellen Dekade deutlich auf rund 30% zurückgehen. Im Zuge einer generellen Entflechtung der Weltwirtschaft wird sich daher die Bedeutung des Reichs der Mitte für global operierende Unternehmen verringern.

Der Cocktail, aus dem der Teilrückzug aus China gemixt ist, besteht aus mehreren Zutaten: Das Ende des rund 40-jährigen Hyperwachstums, die Sorge um immer neue massive Markteingriffe der Staatsführung, geopolitische Spannungen im asiatischen Pazifikraum sowie der Coronaschock bewegen internationale Konzerne, Teile ihrer Produktion zu verlagern und ihre Lieferketten regionaler zu sortieren.

Die relative Abkehr von China hat bereits begonnen. Betrug 2005 der addierte Umsatz internationaler Konzerne 16% an der chinesischen Wirtschaftsleistung, waren es 2018 nur noch 10%. China hat in dieser Zeit den Aufbau nationaler Champions auf Kosten der ausländischen Konkurrenz forciert. Ausländische Unternehmen wie die französische Supermarktkette Auchan, Amazon und Uber haben sich bereits aus dem Land zurückgezogen beziehungsweise ihre Pläne zurückgeschraubt.

In einer Reihe von Branchen stehen die Chancen für internationale Konzerne schlechter, in China ein profitables Geschäft zu betreiben. Hierzu gehört vor allem der Tech-Sektor. Die US-Riesen Facebook, Google und Twitter kämpfen um ihre Wettbewerbsfähigkeit gegen den lokalen, protegierten Wettbewerb. Auch ausländischen Hardware-Herstellern wie Qualcomm bläst der Wind neuerdings ins Gesicht. Angesichts des Megatrends, dass sich die Volkswirtschaften und technologischen Ökosysteme der USA und Chinas entkoppeln, wird es noch schwieriger werden, im Tech-Bereich in China Geld zu verdienen.

Restriktionen für Ausländer

Ähnlich schwierig sind die Aussichten im Handel. In den Ambitionen internationaler Player fehlte oft das Zusammenspiel von Kosten, schnellen Entscheidungen beim Sortiment, der Preisfindung und anderen Aspekten des Category Managements. Auch der passende Dreh zwischen digitalem und stationärem Angebot gelingt einheimischen Handelshäusern oft besser. Damit nicht genug: Chinas zehn größte Medienunternehmen sind national. Auch die Telekommunikation ist weitgehend in lokaler Hand. Wegen der Restriktionen für ausländische Firmen wird das bis auf Weiteres so bleiben.

In einigen Sektoren sieht es dagegen besser aus. Nach wie vor erfreuen sich beispielsweise internationale Private-Equity-Firmen großer Erfolge. Der Dealflow profitiert von Netzwerken und jahrzehntelangen Erfahrungen, die schwer zu sub­stituieren sind. Ein positiver Ausblick lässt sich zudem im Bereich Healthcare und bei Konsumgütern begründen. Ausländische Gesundheitsanbieter nutzten Marktchancen unter anderem für Krebsmedikamente, in der Orthopädie oder der diagnostischen Bildgebung. In diesen Wachstumsfeldern scheint Raum, um neben den zunehmend auftretenden chinesischen Wettbewerbern zu bestehen.

Für die Konsumgüterbranche wiederum war China lange der Wachstumsmarkt schlechthin. Heimischen Marken ist es zuletzt zwar gelungen, Anteile etwa bei Nahrungsmitteln und Getränken zu­rückzuerobern. Internationale Markenkonzerne werden in anderen Segmenten jedoch aussichtsreiche Mitspieler bleiben, insbesondere mit Luxusgütern.

Last but not least ist die Zukunft des gesamten Manufacturing-Bereichs essenziell – gerade aus deutscher Sicht. Während es im Billigsektor für ausländische Konzerne historisch immer schwierig war, in China Fuß zu fassen, hatten in höherpreisigen Segmenten Hersteller von Autos, Maschinen, chemischen Produkten oder in der Luftfahrt deutlich mehr Erfolg. Für diese Branchen bleibt das Land das wichtigste Betätigungsfeld.

Gerade deutsche Automobilhersteller erlebten ein Dorado. 2020 verkauften Hersteller wie VW, Daimler und BMW dort rund 30 bis 40% ihrer Fahrzeuge. Auch im deutschen Mittelstand finden sich unter den vielen Hidden Champions Firmen mit ähnlichen Relationen.

Aus den Chefetagen der Autohersteller heißt es zwar derzeit, solange das Chinageschäft so rund laufe und den Weg aus der coronabedingten Rezession ebne, bestehe nicht akuter Handlungsbedarf. Mittel- bis langfristig dürfte diese Position aber kaum zu halten sein.

Viele global orientierte deutsche Unternehmen suchen bereits nach resilienteren Strategien, selbst um den Preis höherer Kosten. Auch die hiesige Industrie braucht einen Plan B, der greift, falls sich die Rahmenbedingungen für sie in China verschlechtern sollten. Ein schlichtes „Weiter so“ wird es nicht geben. Der chinesische Machtanspruch nach außen und der Wille der politischen Führung, die ökonomischen Dinge nach innen zu regeln, sprechen augenscheinlich dagegen. Als Folge wird das China-Geschäft in dieser Dekade an Dynamik verlieren.

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