Weniger Euphorie im Maschinenbau
kro Frankfurt
− Im deutschen Maschinen- und Anlagenbau wird die Versorgungslage mit Vorprodukten wie Stahl und Elektronikkomponenten immer ernster. Gut 70 % der Unternehmen sehen ihre Produktion durch einen Materialmangel mittlerweile deutlich erschwert, wie aus einer Umfrage des Ifo-Instituts hervorgeht. „Das ist mit Abstand der höchste Wert seit Veröffentlichung dieses gesamtdeutschen Indikators“, sagt der Chefökonom des Branchenverbands VDMA, Ralph Wiechers. Bei der letzten Erhebung im April hatten bereits mehr als 40 % der Teilnehmer über Engpässe bei der Materialversorgung geklagt − schon damals ein Rekordwert. In der gesamten Industrie waren zu dem Zeitpunkt noch 45 % von den Problemen betroffen. Mittlerweile sind es 63,8 % (siehe Bericht Seite 5).
Den Maschinenbau treffen die Engpässe somit überdurchschnittlich stark. Noch schlimmer sieht es jedoch unter anderem bei den Herstellern elektrischer Ausrüstungen sowie bei den Autoherstellern und ihren Zulieferern aus. Hier berichteten gute 84 beziehungsweise 83 % von Materialknappheiten. Daneben leiden auch die Hersteller von Gummi- und Kunststoffwaren unter den stark gestiegenen Preisen für Kunststoff-Granulate.
Aus Sicht des VDMA dürften die angespannten Lieferketten auch ein Grund für die weniger euphorische Stimmung der Maschinenbauer sein. So war der Ifo-Geschäftsklimaindex in der Branche im Juli erstmals nach neun Anstiegen in Folge wieder ins Stocken geraten. „Die Knappheit bei den Vorprodukten dämpft die Produktionspläne der Unternehmen“, sagt Wiechers. Zudem würden wieder ansteigende Infektionszahlen in vielen für den Maschinenbau wichtigen Märkten die Lieferketten weiter unter Druck setzen.
Hoher Kostendruck
Dabei sind es nicht nur die Engpässe an sich, die die Kosten der Unternehmen in die Höhe treiben. Auch die steigenden Ausgaben für Hygiene und Sicherheit sowie für die Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeit machen die Produktion zunehmend teurer. „Es dreht sich alles um die Kostenseite“, sagt BayernLB-Ökonom Alexander Kalb der Börsen-Zeitung. „Die Unternehmen werden nicht umhinkommen, ihre Preise anzuheben.“
Tatsächlich gingen in einer PWC-Umfrage zuletzt 60 % der teilnehmenden Führungskräfte aus dem Maschinenbau von steigenden Verkaufspreisen für ihre Produkte oder Dienstleistungen aus. Es war das erste Mal seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2018, dass die überwiegende Mehrheit ihre Bereitschaft dazu signalisiert hatte. Von sinkenden Preisen ging demgegenüber kein einziger Befragter aus. Das werde die Nachfrage belasten, ist sich Kalb sicher. „Nicht jeder ist bereit, die höheren Preise zu bezahlen.“
Ausblick unverändert
Beim VDMA bleibt man mit Blick auf die in diesem Jahr schon mehrfach angehobene Produktionsprognose dennoch zuversichtlich. Nach wie vor rechnet der Verband mit einem Zuwachs um 10 % im Vergleich zum coronabedingt schwachen Vorjahr. Dafür spreche unter anderem, dass die Kapazitätsauslastung im Juli mit 88,3 % deutlich über dem langjährigen Durchschnitt lag. Zudem planten zahlreiche Unternehmen Neueinstellungen und berichteten in dem Zusammenhang über zunehmende Besetzungsprobleme durch den Fachkräftemangel, der die Produktion bei fast 30 % der Firmen mittlerweile ebenfalls behindert. Die Kurzarbeit habe im Juni zudem nur noch geringfügig über dem Vor-Corona-Niveau gelegen. „Das ist ein klares Zeichen dafür, dass die Maschinen- und Anlagenbauer trotz aller Hindernisse und Herausforderungen engagiert und willens sind, ihre Produktion zu steigern und ihre Kunden wo immer möglich zeitnah zu bedienen“, resümierte Wiechers.
Solange die vielen aufgestauten Aufträge aus dem Vorjahr noch nachgeholt werden, dürften die Lieferketten nach Einschätzung von Kalb jedoch weiter angespannt bleiben. „Der Effekt könnte Ende 2021, Anfang 2022 langsam abebben“, sagt er. „Dann könnte sich der Materialmangel legen.“