Wettbewerb durch chinesische Wettbewerbsbehörde
China ist schon lange ein wichtiger Markt und Teil der strategischen Ausrichtung vieler deutscher Traditionsunternehmen, die durch Investitionen an dem signifikanten Wachstum partizipiert haben und weiter partizipieren wollen. Der wettbewerbsrechtliche Rahmen ist dabei entscheidend für die Attraktivität. Das chinesische “Anti-Monopoly Law” hat sich entsprechend in der letzten Dekade immer weiterentwickelt und das chinesische Pendant zur Europäischen Kommission, die “State Administration for Market Regulation” (SAMR), ist inzwischen zu einer der wichtigsten Kartellbehörden weltweit avanciert.SAMR hat sich nach gründlicher Vorbereitung einigen zentralen Themen gewidmet. Das sind die Wettbewerbs-Richtlinien für Geistiges Eigentum, den Automobilsektor und zu Kronzeugenanträgen und Zusagen. Diese sind jüngst in einem Buch, welches die kartellrechtlichen Richt- und Leitlinien von 2019 beinhaltet, veröffentlicht worden. Sie gelten schon seit Anfang des Jahres 2019 als interne Richtschnur für SAMR. Die Leitlinien sind zwar nicht bindend, in der Vergangenheit haben aber chinesische Gerichte ähnliche Richtlinien zur Abgrenzung relevanter Märkte in ihren Urteilen zitiert. Insofern ist die Veröffentlichung für Unternehmen eine große Interpretationshilfe, auch über die direkt betroffenen Sektoren hinaus. Viele GemeinsamkeitenZwischen den Richtlinien für Kronzeugenanträge und ihrem europäischen Gegenstück, der Leniency-Bekanntmachung der EU-Kommission, gibt es viele Gemeinsamkeiten. Gleiches gilt für die Sonderregelungen für den Automobilsektor. Die chinesische Wettbewerbsbehörde geht aber auch eigene Wege. Die Richtlinien zum Geistigen Eigentum etwa sind klar und übersichtlich, was für die über mehrere Verordnungen und Bekanntmachungen verstreuten europäischen Regelungen noch nicht der Fall ist. Auch arbeitet die EU-Kommission weiter an einigen kontroversen Themen, so an Regelungen zu standardessenziellen Patenten.Die chinesischen Richtlinien für Geistiges Eigentum fassen die einschlägigen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen zusammen. Für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen ist eine Bagatellgrenze vorgesehen, die mit 20% für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern großzügiger ist als die Grenzen der EU-Kommission und des Bundeskartellamts. Für zulässige Lizenzgebühren wird die Berechnungsmethode geregelt und für unangemessene und wettbewerbsbeschränkende Regelungen werden Beispiele aufgezählt, die durchaus mit den in der EU geläufigen Kernbeschränkungen vergleichbar sind. Zudem kann in China ebenso wie in der amerikanischen und europäischen Praxis die gerichtliche Durchsetzung eines Patents missbräuchlich sein.Die Richtlinien bestimmen außerdem, dass die Übertragung einer Lizenz der Fusionskontrolle unterliegen kann. Auch hier sind die Voraussetzungen mit denen in der EU vergleichbar: Die Lizenz muss einen eigenen Geschäftswert haben und in dem Jahr vor der Übertragung unabhängige und berechenbare Umsätze erzielt haben.Für die deutsche Wirtschaft dürften die ausführlichen Richtlinien für den Automobilsektor besonders interessant sein. Sie sehen eine Reihe von bekannten Einschränkungen wie ein grundsätzliches Verbot von Preisbindung vor, gestatten aber auch Ausnahmen. Eine Preisbindung ist beispielsweise bei einem Verkauf über Zwischenhändler (“Middleman”) und bei Autos mit neuer Antriebstechnik zulässig. Passive Verkäufe und Querlieferungen zwischen Händlern und beim Verkauf von Ersatzteilen an Endkunden dürfen – wie in Europa – nicht beschränkt werden. Patentpools werden auch in diesem Sektor immer relevanter. Ein bekanntes Beispiel ist der Avanci Pool, der standardessenzielle Patente an Automobilhersteller lizenziert. Patentpools und standardessenzielle Patente werden in den chinesischen Richtlinien in einem gesonderten Abschnitt behandelt. Sie sind für die exponentiell steigende Zahl von Produkten mit Konnektivität von erheblicher praktischer Bedeutung. Nach den Richtlinien von SAMR können Patentpools grundsätzlich den Wettbewerb fördern. Genannt werden mehrere Faktoren, die das verhindern können und die bei der Bewertung zu berücksichtigen sind. Das sind unter anderem der Marktanteil, ob die gepoolten Patente substituierbar sind, ob die Mitglieder daran gehindert werden, die Patente im Pool zu lizenzieren, und ob innerhalb des Zusammenschlusses Informationen zu Preisen und Mengen ausgetauscht werden. Relevant ist außerdem, ob für die Lizenzen zu hohe Gebühren verlangt werden. Die europäischen Vorgaben sind spezifischer, indem sie einen “sicheren Hafen” für Patentpools vorsehen, sofern alle der genannten Voraussetzungen erfüllt sind.Von hoher praktischer Relevanz – gerade für globale Kartellfälle – sind die neuen Kronzeugen-Richtlinien, die festlegen, wann ein Unternehmen als Kronzeuge Straffreiheit oder Milderung erlangen kann. Die Voraussetzungen entsprechen weitgehend der amerikanischen und europäischen Praxis. Es kann nur der erste Antragsteller völlige Immunität erlangen (Windhund-Verfahren), aber auch der zweite und dritte Informant kann mit einer Milderung der Strafe rechnen, wenn er wesentliche neue Beweismittel beibringt. Kronzeugenanträge werden von der Wettbewerbsbehörde vertraulich behandelt. Es gibt aber kein ausdrückliches Verbot ihrer Verwendung in Schadensersatzprozessen. Weitere Richtlinien in ArbeitDie Zusagen-Richtlinien erläutern schließlich, wie Unternehmen die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen ihres Verhaltens beseitigen und dadurch eine Einstellung von Verfahren der Wettbewerbsbehörde erreichen können. Geregelt werden sowohl die inhaltlichen Voraussetzungen als auch Verfahrensaspekte. Ausgeschlossen sind Zusagen bei echten Hardcore-Kartellen (Preis- und Absatzabsprachen, Marktaufteilung). Die Wettbewerbsbehörde überwacht die Einhaltung der Zusagen, wobei eine Frist nicht vorgesehen ist.Zwei weitere Richtlinien sind noch in Arbeit. Sie betreffen illegale Gewinne aus Wettbewerbsverstößen und die Sanktionen sowie die Freistellung von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen. Julia Schönbohm, Partner der Kanzlei Linklaters und Daniela Seeliger, Partner der Kanzlei Linklaters und Fay Zhou, Partner der Kanzlei Linklaters