Im Gespräch: Wolf Bussian, A&O Shearman

„Wir sind im deutschen Markt mitten in der Aufholjagd“

Mit dem Zusammenschluss zur globalen Kanzlei A&O Shearman sind auch im deutschen Markt neue Zeiten angebrochen. Managing Partner Wolf Bussian erläutert die strategischen Wachstumsziele der deutschen Praxen, denen zuletzt ein Rekordjahr gelungen ist. Die Kanzlei muss sich hierzulande deutlich vergrößern.

„Wir sind im deutschen Markt mitten in der Aufholjagd“

Im Gespräch: Wolf Bussian

„Wir sind mitten in der Aufholjagd“

Der deutsche Managing Partner der Kanzlei A&O Shearman über Wachstumstreiber, Impulse aus der globalen Fusion und neues grenzüberschreitendes Geschäft

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Mit dem Zusammenschluss zur globalen Kanzlei A&O Shearman sind auch im deutschen Markt neue Zeiten angebrochen. Managing Partner Wolf Bussian erläutert die strategischen Wachstumsziele der deutschen Praxen, denen zuletzt ein Rekordjahr gelungen ist. Die Kanzlei muss sich hierzulande deutlich vergrößern.

Am 1. Mai ist die Fusion der britischen Kanzlei Allen & Overy mit der US-Sozietät Shearman & Sterling in Kraft getreten. Aus dem Zusammenschluss entsteht eine internationale Kanzlei mit 4.000 Anwälten und 800 Partnern in fast 50 Büros und einem Umsatz von 3,5 Mrd. Dollar. In dem Merger haben sich zwei Traditionshäuser zusammengefunden: Shearman & Sterling wurde 1873 in New York gegründet, Allen & Overy startete 1930 als Londoner City-Kanzlei.

Im Juni fanden sich die Partner von A&O Shearman zum ersten Treffen in der neuen Formation in Kopenhagen ein. „Auf der Veranstaltung hat eindeutig Aufbruchstimmung geherrscht“, sagt Wolf Bussian, Prozessrechtler und Managing Partner der Kanzlei in Deutschland. Die Teilnahmequote sei besonders hoch gewesen. „Viele wollten die neue globale Kanzleiführung und neuen Partner aus aller Welt persönlich kennenlernen.“ Offensichtlich gab es wenig Berührungsängste. „Die Stimmung war wirklich so, als ob die Kanzlei schon immer zusammen gewesen wäre“, sagt Bussian.

Global präsent

Die globale Aufstellung von Kanzleien wird nach Einschätzung von Bussian immer wichtiger. Nur so könne man einheitlich über Jurisdiktionen hinweg beraten. „Die Mandanten agieren global, was für sie angesichts von Protektionismus, Handelskriegen und politischen Verwerfungen immer schwieriger wird. Für alle diese Themen brauchen die Unternehmen Anwälte.“

Ein zentrales Thema der neuen Kanzlei ist das Zusammenwachsen in den Regionen. Während es in Europa und Asien wenig Überschneidungen gibt, stehen in den USA umfangreichere Integrationsaufgaben an. Allen & Overy hatte in der Vergangenheit sechs Standorte mit knapp 300 Anwälten in Nordamerika aufgebaut. Allein in New York arbeiteten zuletzt 50 Partner, die nun ins dortige Shearman-Gebäude umgezogen sind. „Wir betrachten es als Ergänzung, denn auch in der neuen Größe der Kanzlei ist noch Luft nach oben. Der Markt ist tief, und man kann definitiv noch Partner in Litigation, M&A und Finanzierung benötigen“, sagt Bussian.

Kaum Überschneidungen

Im deutschen Markt ist die Integration indes mehr als überschaubar.  Viele Teams von Shearman sind schon im Zuge der zuvor mit Hogan Lovells geführten Fusionsgespräche von Bord gegangen. Shearman ist damit faktisch aus dem deutschen Markt verschwunden.

Wir können nicht die Nummer 16 nach Umsatz in Deutschland sein, aber weltweit Nummer 3.

Wolf Bussian, Managing Partner A&O Shearman in Deutschland

Für Bussian geht es somit in Deutschland vorrangig darum, die schon vor der Fusion angestoßene Wachstumsstrategie zu forcieren. „Wir sind zu klein in Deutschland, das galt schon vor dem Merger“, räumt er ein. „Wir sind 59 Partner, die größten Player haben 100 bis 120 Partner. Mir geht es zwar nicht um Größe per se, aber wir können nicht die Nummer 16 nach Umsatz in Deutschland sein, aber weltweit Nummer 3.“

Organisches Wachstum

Allen & Overy habe vor drei Jahren sehr genau identifiziert, in welchen Gebieten die Kanzlei wachsen wolle. „Wir sind im deutschen Markt mitten in der Aufholjagd. Wir wollen das Netzwerk in die Ausbaustufe bringen, von der wir glauben, dass es zur Größe des globalen Netzwerks passt“, sagt Bussian und erinnert daran, dass Allen & Overy die einzige Londoner Magic-Circle-Kanzlei ist, die sich in Deutschland nicht mit einer anderen Sozietät zusammengeschlossen hat.

Bussian hofft darauf, dass es mit der neuen globalen Größe und Sichtbarkeit leichter werden sollte, „Top-Talente zu halten und neue zu gewinnen“. Organisches Wachstum stehe im Vordergrund. „Bevorzugt besetzen wir unsere Wachstumsfelder mit internen Talenten. Zum 1. Mai haben wir fünf interne Partner ernannt, das ist Rekord in Deutschland“, betont er.

Private Capital als Wachstumsfeld

Auch Diversität bleibt ein Thema. Zwar sei der Anteil der Partnerinnen in der Sozietät in den vergangenen drei Jahren von 8,5% auf 17% gestiegen. „Aber wir brauchen noch mehr Partnerinnen, wir brauchen mehr Vielfalt, daran arbeiten wir“, sagt er. 

Wir sind sehr zufrieden und übererfüllen den eigenen Wachstumsplan

Wolf Bussian, A&O Shearman

Als Wachstumsfelder nennt Bussian Private Equity und Private Capital in vielen Ausdifferenzierungen − „das betrifft die Funds genauso wie aufsichtsrechtliche Fragen sowie große M&A-Transaktionen“. Auch Restrukturierung sei gefragt.  Zudem hätten sich Litigation und Investigation in den vergangenen Jahren zu einem immer wichtigeren Thema in der Strategie der Kanzlei entwickelt. „Zinserhöhungen, explodierende Energiepreise, Handelskonflikte, Sanktionen, Lieferkettenprobleme und neue Anforderungen an Lieferketten lösen immer mehr Streitigkeiten und behördliche Untersuchungen aus. Auch das hat leider Hochkonjunktur.“ Auch Kartellrecht gewinne an Relevanz, um globale Transaktionen abbilden zu können.  Nachgefragt werde auch Beratung im Arbeitsrecht im Zuge von Fachkräftemangel und Massenkündigungen.

Starkes Wachstum

Im abgelaufenen Geschäftsjahr per 30.4. zeigt die Kanzlei in Deutschland ein dynamisches Wachstum. Der Umsatz stieg um 14% auf 192 Mill. Euro. Maßgeblich dazu beigetragen haben laut Bussian höhere Preise, was er als „gutes Zeichen für die Qualität unserer Leistungen“ betrachtet. In der Profitabilität zeigt sich ein Anstieg des Umsatzes je Berufsträger um 5% auf 839.000 Euro bezogen auf 229 Vollzeitkräfte. Die Kanzlei habe mit diesen Kennzahlen erreicht, was sie sich „trotz eines unerwartet schwierigen Marktumfeldes“ vorgenommen habe. Der neue Turnus sei gut angelaufen mit ähnlicher Umsatzsteigerung in den ersten Monaten. „Wir sind sehr zufrieden und übererfüllen den eigenen Wachstumsplan.“

Große Energie-Mandate

Mit Blick auf wichtige Mandate nennt Bussian Restrukturierungen in der Immobilienbranche. So habe die Kanzlei das Unternehmen Corestate in einer komplexen und grenzüberschreitenden Restrukturierung unterstützt. Bei Branicks habe man Refinanzierungen im Rahmen des StaRUG-Verfahrens begleitet. Im Transaktionsgeschäft habe der Softwarekonzern SAP die Kanzlei in verschiedensten M&A-Deals mandatiert.

Im Energiesektor gebe es neben der Bewältigung der Energiekrise einige Mandate im Zuge von Transaktionen oder Finanzierungen. Allen & Overy habe Uniper in der mit 50 Mrd. Euro Transaktionswert größten Restrukturierung in dem Sektor zur Seite gestanden und im Nachgang zahlreiche Schiedsverfahren für Uniper und RWE begleitet.

Im Segment Energy ist Bussian auch stolz auf das Mandat von Iberdrola. Die Kanzlei hat den spanischen Energiekonzern beim Verkauf von 49% des Offshore-Windparks „Baltic Eagle“ an Masdar aus Abu Dhabi unterstützt, wobei der Windpark in der deutschen Ostsee mit 1,6 Mrd. Euro bewertet wurde. Das Mandat umfasste die Beratung zum Shareholders Agreement und alle wesentlichen Projektverträge.  

Nicht viele Kanzleien sind im Full-Service-Bereich so gut aufgestellt wie wir.

Wolf Bussian, A&A Shearman

Aus der globalen Fusion rechnet sich Bussian auch Impulse im deutschen Geschäft aus.  Hier gebe es bereits positive Resonanz. „Wir wollen nicht nur deutschen Mandanten das volle Beratungsspektrum in den USA und global anbieten, sondern US-Mandanten das gleiche Angebot unterbreiten. Mit genau dieser Begründung haben wir bereits Aufträge erhalten“, sagt er.

Wenn es um die Beratung amerikanischer Mandanten rund um den Globus gehe, sei Deutschland die wichtigste Jurisdiktion, weil hier die stärksten wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA bestünden. Bussian versprüht Zuversicht: „Das Geschäft aus den USA nach Deutschland sollte unsere Umsatzentwicklung in den kommenden fünf Jahren positiv beeinflussen und zum festen Bestandteil werden, das ist ganz klar. Die Achse ist sehr wichtig und nicht viele Kanzleien sind im Full-Service-Bereich so gut aufgestellt wie wir.“