Im Gespräch: Melanie Sack, IDW

Wirtschaftsprüfer fordern Rechtssicherheit im Umgang mit KI

Melanie Sack, Leiterin des Instituts der Wirtschaftsprüfer, erläutert im Gespräch mit der Börsen-Zeitung die Rolle des Berufsstands in ESG-Regulierung und Digitalisierung – und was sich im Alltagsgeschäft ändert.

Wirtschaftsprüfer fordern Rechtssicherheit im Umgang mit KI

Im Gespräch: Melanie Sack

Wirtschaftsprüfer fordern Rechtssicherheit im Umgang mit KI

Die Leiterin des Instituts der Wirtschaftsprüfer über die Rolle des Berufsstands in ESG-Regulierung und Digitalisierung

Von Sabine Wadewitz, Düsseldorf

ESG-Transformation und künstliche Intelligenz sorgen für Umbrüche auch im Geschäft der Wirtschaftsprüfer. Melanie Sack, seit Jahresanfang Leiterin des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW), erläutert im Gespräch, wie sich der Berufsstand in den Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung positioniert und welche Hürden noch zu überwinden sind.

Die tiefgreifende Transformation der Wirtschaft ist zentrales Thema auch für die Arbeit der Wirtschaftsprüfer. Die Branche selbst ist vom rasanten Wandel mit Blick auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung getroffen und begleitet zugleich als Berater über alle Wirtschaftszweige hinweg die Veränderungsprozesse. Als Interessenvertretung des Berufsstands ist das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hier in zentraler Position am Drücker.

Eines der herausfordernden Themen ist derzeit die Umsetzung der ESG-Regulatorik, erläutert IDW-Vorstandssprecherin Melanie Sack. Die von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffenen Unternehmen hätten derzeit eine Herkulesaufgabe zu bewältigen, um zeitgerecht neue Systeme für das ESG-Reporting aufzusetzen. Der Aufwand für alle Beteiligten sei groß, die Umsetzung allerdings unumgänglich.

Regulierung mit Maß

Sack warnt davor, den Bogen zu überspannen. „Für mich persönlich ist das Thema Nachhaltigkeit eine Herzensangelegenheit. Wir müssen allerdings aufpassen, dass das Reporting auf einer sinnvollen und maßvollen Regulatorik aufbaut und die Unternehmen nicht überlastet werden. Letztlich erreicht man mehr, wenn man zwar ambitionierte, aber nicht unrealistische Anforderungen formuliert“, gibt sie zu bedenken. 

Die Umsetzung der CSRD-Richtlinie in deutsches Recht spielt für das Geschäft der Wirtschaftsprüfer eine wichtige Rolle. Der jüngst in Berlin vorgelegt Referentenentwurf zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive geht aus Sicht des IDW in die richtige Richtung. 

Kontinuität in der Prüfung

Für Unruhe im Berufsstand hatte zuvor gesorgt, dass die EU den Mitgliedstaaten das Wahlrecht einräumt, auch Dritte zur Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte zu mandatieren, etwa den TÜV oder einen Umweltdienstleister. Der Referentenentwurf des deutschen Umsetzungsgesetzes sieht jedoch vor, dass der Abschlussprüfer oder ein anderer Wirtschaftsprüfer beauftragt wird. „Der Berufsstand ist bereit, diese Aufgabe anzunehmen, und bereitet sich derzeit mit Hochdruck darauf vor“, sagt Sack. Den Unternehmen garantiere das Kontinuität im Prüfungsprozess. 

Das IDW treibt für den Berufsstand die Qualifizierung im Thema ESG voran. Dabei wurden verschiedene Formate entwickelt, darunter kostenlose Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen. Die IDW-Akademie hat den Sustainability Auditor als zertifizierten Lehrgang im Angebot, der den Prüfern breites Wissen über Nachhaltigkeit vermitteln soll. „Die Nachfrage ist groß, die Kurse sind innerhalb kurzer Zeit ausgebucht“, freut sich Sack. Ergänzt würden die Schulungen über niederschwellige Angebote, wie etwa eine aktuelle Podcast-Reihe „Fit für die Nachhaltigkeit“.   

Klare Verantwortlichkeiten

Das IDW sieht für den Berufsstand allerdings noch Risiken aus der Regulierung. Befürchtetet wird, dass die Politik die Prüfer am Ende für Defizite in den Anforderungen der Berichterstattung verantwortlich macht.

„Es ist nicht Aufgabe des Berufsstands, die Folgen von möglicherweise zu weitgehenden Berichtsanforderungen zu entschärfen“, stellt Sack klar. Die Unternehmen seien „sehr ambitioniert, aber auch belastet“ in der Umsetzung der neuen Standards. Die Prüfer könnten bei der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte aber nicht die Augen zudrücken, um die Unternehmen im ESG-Reporting zu entlasten. „Der Berufsstand wird nicht gegen Gesetze verstoßen. Wenn die Unternehmen stärker in die neuen Berichtsanforderungen reinwachsen sollen, muss die Politik dieses ermöglichen, beispielsweise mit zeitversetzten Anwendungsbereichen“, so Sack.

Mit Blick auf ein zweites zentrales Thema, die digitale Transformation, ist noch nicht klar, wohin die Reise im Wirtschaftsprüfermarkt geht. „KI kann für die Wirtschaftsprüfung zum Gamechanger mit disruptiver Kraft werden. Sie wird den Berufsstand stark verändern, auch wenn wir noch nicht genau wissen wie“, sagt Sack. Klar sei, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Abschlussprüfung den Umgang mit großen Datenmengen erleichtert. „Die Technologie kann insofern zur Qualitätssteigerung beitragen und kann eine Möglichkeit sein, auf einen Fachkräftemangel zu reagieren. Eine grundsätzliche Gefahr durch KI für den Berufsstand sehe ich nicht“, gibt Sack Entwarnung.

Erster Prüfungsstandard

Das IDW hat bereits für die freiwillige Prüfung von KI-Systemen in Unternehmen einen Prüfungsstandard erarbeitet. So soll gewährleistet werden, dass ein Unternehmen über ethische und rechtliche Anforderungen für KI verfügt, die KI in einer sicheren IT-Umgebung agiert und nachvollziehbare Ergebnisse liefert, die den vom Unternehmen definierten Anforderungen entsprechen. Der Standard gibt jedoch keinen Rahmen vor, wie der Prüfer in der Jahresabschlussprüfung mit KI umzugehen hat.

Welche Folgen es hat, wenn Unternehmen KI in der Erstellung des Jahresabschlusses einsetzen, ist noch nicht klar. Das IDW fordert Rechtssicherheit für den Berufsstand im Umgang mit KI im Rahmen der Abschlussprüfung: „Wenn KI eingesetzt wird, sind die Ergebnisse aus dieser Anwendung nicht immer eindeutig reproduzierbar“, erklärt Sack. Der Prüfer könne das Ergebnis seiner Prüfung zwar dokumentieren und darlegen, über welche Schritte er zu dem Resultat gekommen sei. Mit den gleichen Parametern komme er aber möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt zu anderen Ergebnissen, da die KI sich permanent verändere und weiter lerne. „Wenn die Rückschlüsse jeweils die zu diesem Zeitpunkt richtigen sind, ist der Einsatz von KI eine sinnvolle Unterstützung, aber es muss auch revisionssicher sein“, mahnt Sack.

Neue Plattform

Mit Blick auf KI-Anwendungen bietet das IDW eine Plattform an, um dem Berufsstand den Zugang zu Technologien in der Breite zu ermöglichen und Wissen zu teilen. SolonX verschaffe einen Überblick und Zugang zu verschiedenen technologiebasierten Tools und Services verschiedenster Anbieter, die für den Berufsstand von Interesse sein könnten.

Auch der missbräuchliche Einsatz von KI treibt das IDW um. Wirtschaftsprüfer seien „Vertrauensdienstleister, die Verlässlichkeit in Informationen geben, damit darauf informierte Entscheidungen getroffen werden können“. Das IDW werde sich daher mit Fraud intensiv beschäftigen und sich auch mit den Themen Deepfakes und Fake News befassen.

In der Abschlussprüfung sei der Prüfer gefordert, sich ein Bild über die wesentlichen Risiken eines Unternehmens zu verschaffen. Dabei könne auch Cybercrime eine Rolle spielen. Zu gravierenden Risiken muss sich das Unternehmen im Lagebericht äußern. Auf diesem Weg erhält das Thema Eingang in die Jahresabschlussprüfung. „Und sollte ein Angriff stattgefunden haben, hat das möglicherweise ebenfalls Auswirkungen, sowohl auf die Datensicherheit selbst wie auch auf die Risikosituation. Es ist aber nicht Aufgabe des Prüfers, die Cyberabwehr zu zertifizieren“, stellt Sack die Position des IDW klar.

Melanie Sack ist seit 1. Januar 2024 Vorstandssprecherin des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) in Nachfolge von Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann.

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