Recruiting

Wo künstliche Intelligenz in der Personalberatung an Grenzen stößt

Bei der Vermittlung von Führungskräften und Mitarbeitern spielt Zwischenmenschliches eine große Rolle. Doch künstliche Intelligenz beeinflusst auch die Personalberatung. Der Arbeitskräftemangel stellt manchen Anwendungsfall allerdings infrage.

Wo künstliche Intelligenz in der Personalberatung an Grenzen stößt

Wo KI in der Personalberatung an Grenzen stößt

Kaum eine Branche hängt so stark von zwischenmenschlicher Interaktion ab wie die Vermittlung von Führungskräften und Beschäftigten. Doch künstliche Intelligenz beeinflusst auch die Personalberatung. Nicht überall bietet die Technologie allerdings Mehrwert. Der Arbeitskräftemangel stellt manchen Anwendungsfall infrage.

Dienstleister testen Anwendung bei der Texterstellung – Technologie verändert erst kleine Teile des Prozesses

sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Ein Algorithmus, der den Lebenslauf automatisch auf die wichtigsten Anforderungen hin überprüft, eine künstliche Intelligenz (KI), die mittels Sprachsoftware automatisiert ein Erstgespräch führt – Technologie kann einen kompletten Einstellungsprozess abbilden, ohne dass jemals ein Mensch mit dem Bewerber gesprochen hat. „Es gibt Unternehmen, in denen eine künstliche Intelligenz bereits die ersten drei Kontakte für Einstiegspositionen übernimmt. Ein Mensch kommt nicht vor dem vierten Kontakt ins Spiel“, berichtet Mark Krymalowski, Leiter des Berliner Büros von Egon Zehnder.

Die Branche sieht im KI-Einsatz Potenzial, zeigt die Studie „Facts & Figures zum Personalberatungsmarkt 2023“ des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberatungen, an der sich knapp 200 Beratungen beteiligt haben. Jeder zweite Studienteilnehmer geht davon aus, dass Kandidatenberichte und Exposés künftig zumindest in Teilen automatisiert erstellt werden. Beim Research glauben 59% an eine Automatisierung.

Eine rein automatisierte Ansprache hält Krymalowski allerdings für problematisch: „Auf diesem Wege findet man womöglich Mitarbeiter, die zwar das formale Anforderungsprofil erfüllen, aber nicht in ein Team oder in die Unternehmenskultur passen.“

„Die Zeiten, in denen ein Berater mehr Bewerbungen auf dem Tisch hatte, als er überblicken konnte, sind vorbei“

Susanne Wißfeld, Randstad

Ihre Stärke spielen intelligente Algorithmen aus, wenn es darum geht, große Datenmengen zu durchdringen. So könnte eine KI aus einem Bewerberpool von 100 Personen etwa diejenigen herausfiltern, die eine bestimmte Programmiersprache beherrschen. Doch das ist derzeit wenig hilfreich: „Die Zeiten, in denen ein Berater mehr Bewerbungen auf dem Tisch hatte, als er überblicken konnte, sind vorbei“, sagt Susanne Wißfeld, Geschäftsführerin Business Innovation bei dem Personaldienstleister Randstad. „Die Aufgabe besteht im aktuellen Umfeld eher darin, jede Bewerbung genau anzuschauen, und zu überlegen, wo es eine Vakanz gibt, auf die diese Person passt.“

KI unterstützt beim Texten

Patrick Wamelink, Head of Digital Products bei Randstad, sieht den größten Nutzen von KI zurzeit bei administrativen Arbeiten wie dem Erstellen von Anzeigen und Bewerberprofilen. Um zu prüfen, ob die Technologie wirklich Mehrwert bietet, werden die Reaktionen auf die Texte ausgewertet und mit der Wirkung von Anzeigen verglichen, die ein Consultant verfasst hat. „Es hilft nichts, wenn die KI einen Text schneller vorlegt, dieser dann aber weniger effektiv  ist.“ Beim Einsatz von KI müssen Personalberater streng auf den Datenschutz achten. Input für Texte, die Randstad mit Hilfe von KI erstellt, werde daher anonymisiert an die KI-Lösungen weitergeleitet, erklärt Wamelink. „Namen und konkrete Bezeichnungen werden erst hinterher manuell ergänzt, bevor die Texte beispielsweise an Kunden übermittelt werden.“ Bislang stehen KI-Anwendungen nicht jedem Consultant zur Verfügung, sondern werden zunächst in der Zentrale erprobt.

„KI hat Schwierigkeiten damit, das Besondere an einer Position herauszuarbeiten.“

Ron Weihe, Spencer Stuart

Auch Spencer Stuart testet den Einsatz von lernenden Algorithmen beim Erstellen von Texten. „KI kann zum Beispiel in kurzer Zeit eine Positionsbeschreibung erstellen“, sagt Ron Weihe aus der globalen Financial Services Practice von Spencer Stuart in Frankfurt. Die Entlastung von solchen Routinetätigkeiten könne für Berater wertvolle Freiräume schaffen.

Allerdings müssen auch diese Texte noch angereichert werden: „KI hat Schwierigkeiten damit, das Besondere an einer Position herauszuarbeiten: Warum könnte sie für Kandidaten interessant sein? Wie differenziert man sich im ‚War for Talent‘? Diese Kriterien kann ein Algorithmus – zumindest bislang – noch nicht zufriedenstellend aufzeigen.“ Im Top-Executive-Search sieht Weihe für den Einsatz von KI daher Grenzen. „Die Stellenbesetzung hat da Manufakturcharakter“, sagt er. Empathie, Branchenerfahrung und Urteilsvermögen seien unerlässlich.

Studie "Facts & Figures zum Personalberatungsmarkt 2023"

Für Mark Krymalowski von Egon Zehnder erhält der KI-Einsatz eine andere Dimension, je weiter oben in der Hierarchie eine Vakanz ist. Gerade bei der Besetzung von Führungspositionen gehe es vor allem darum, eine Person in der Tiefe zu kennen, ihre Motivation und ihr Potenzial zu erfassen. „Die Integration von KI in unsere Prozesse versetzt uns zukünftig in die Lage, noch mehr in die entscheidenden persönlichen Begegnungen mit Klienten und Kandidaten zu investieren.“

Was darf Personalberatung kosten?

Eine Preisdiskussion mit Kunden, wenn Routinetätigkeiten stärker automatisiert werden, fürchtet Krymalowski nicht. Für Susanne Wißfeld lässt sich noch nicht absehen, wie der Einsatz von KI die Preissituation beeinflusst. „Die Technologie verändert noch keine Prozesse, sondern nur kleine Teile.“ Unterdessen würden andere Themen arbeitsintensiver. „In einem Kandidatenmarkt mit Arbeitskräftemangel wird es immer aufwendiger, Positionen zu besetzen“, erklärt Wißfeld. Daher sei es wichtig, an anderer Stelle Zeit freizuschaufeln, um die Preise überhaupt halten zu können. „Die Zeit, die wir bei Routineaufgaben einsparen, können wir gut gebrauchen.“