Immobilien

Mietrendite trifft auf Nullzinsen

Immobilien sind sehr gefragte Anlagen. Beim Thema Nachhaltigkeit müssen Anleger aber genau hinsehen.

Mietrendite trifft auf Nullzinsen

Der Anlagedruck beim Betongold ist anhaltend groß. Einer der wesentlichen Gründe für das Kaufinteresse ist, dass es angesichts der Nullzinsen kaum attraktive Alternativen zu Immobilien gibt. „Investorenseitig ist noch einiges an Dry Powder vorhanden“, sagt Verena Rock, Professorin für Immobilienmanagement an der TH Aschaffenburg. Bei den einzelnen Marktsegmenten zeigen sich zwei Jahre nach dem Ausbruch der Coronakrise unterschiedliche Entwicklungen.

Gut sind die Perspektiven bei Wohnimmobilien. Für Thomas Beyerle, Leiter Research bei Catella, geht es weiter aufwärts auch mit den Preisen. „Der Wohnungsmarkt ist negativ korreliert mit der Entwicklung der Pandemie.“ Er verweist darauf, dass in dem Bereich nicht nur institutionelle Investoren, sondern auch viele private Geldanleger unterwegs seien, die angesichts der niedrigen Zinsen und des enormen Kapitals nach Häusern und Wohnungen suchen. Das Thema Wohnen ist dabei geprägt vom Trend zu urbanen Quartieren, die digitalisiert und nachhaltig sind. „Das geht in Richtung einer smarten Stadt, bei der Nutzer vernetzt und Mobilitätskonzepte integriert werden, also z.B. Car-Sharing-Angebote oder Stationen für E-Bikes“, sagt Rock und sieht hier attraktive Investmentchancen.

Etwas kritischer sieht Jochen Möbert, Volkswirt bei Deutsche Bank Research, die Entwicklung. „Wir erwarten, dass 2024 der Gipfel am Wohnungsmarkt erreicht ist und der Zyklus dann zu Ende geht.“ Bis dahin würden die Preise aber noch zulegen bei einem guten Umfeld mit Bruttomietrenditen von 4%. „Das ist eine Riesenlücke im Vergleich zu Anleihen. Allerdings steigt der politische Druck und damit ist das Steigerungspotenzial bei Mieten stark begrenzt.“ Möbert mahnt außerdem, dass die Zeit mit sehr riskanten Finanzierungen im Wohnungsmarkt vorbei sei.

Für Wohnen sprechen auch neue Trends und das Thema Nachhaltigkeit. „Zunehmend interessant sind auch unter ESG-Aspekten Investments im Bereich gefördertes Wohnen. Dort kauft man zwar vergleichsweise niedrige Mieten ein, aber mit langfristiger Perspektive rechnet sich das trotzdem“, sagt Henning Koch, Vorstandsvorsitzender Commerz Real.

Gefragt sind Bestände, die nach ESG-Kriterien gut umzuwandeln sind. „Bei Wohnimmobilien gibt es allerdings viele alte Häuser, die man kaum zu vertretbaren Kosten sanieren kann. Insofern wird man in dem Segment bald ‚Stranded Assets‘ sehen“, gibt Rock zu bedenken. Eine Hürde beim Thema ist die Preisentwicklung im Wohnungsmarkt, die kaum mit dem politischen Ziel von bezahlbarem Wohnraum zusammenpasst. Billige grüne Wohnungen mit niedrigen Mieten, das klingt nach der eierlegenden Wollmilchsau. „Vorgaben in Sachen Klimaschutz werden es schwermachen, in großem Umfang günstigen Wohnraum zu schaffen“, so Beyerle.

Das größte Segment im Immobilienbereich sind weiterhin Bürogebäude, die im vergangenen Jahr eine erstaunlich gute Entwicklung hingelegt haben. „Im Büromarkt ist das Schreckensszenario, dass die Nachfrage nach Flächen massiv einbrechen wird, vom Tisch. Vom Abgesang auf den Büroimmobilienmarkt ist kaum noch etwas zu hören“, sagt Möbert. In Mitleidenschaft gezogen werden könnten allerdings Büroflächen, die am Rand liegen, so Beyerle. Das werde aber die Mieten betreffen und weniger eine Frage des Leerstands sein. Der Leerstand nach anderthalb Jahren Coronakrise ist verglichen mit dem Leerstand nach der Finanzkrise 2008 sehr niedrig.

Umstritten ist in der Branche weiterhin, welchen Einfluss der Trend zum Homeoffice auf die benötigten Flächen hat. Die meisten Unternehmen haben, so Beyerle, „gar keinen Plan“. Es sei zwar klar, dass es in der Summe weniger wird, doch das sei bisher in den Zahlen nicht abzulesen. Deutsche-Bank-Experte Möbert glaubt fest an die Rückkehr der Angestellten in die Büros. „Es habe sich gezeigt, dass die Arbeitgeber auch bei der Qualität der Büros mehr bieten müssen, um Arbeitnehmer zu gewinnen und glücklich zu machen. Das ist ein Zeichen des zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangels.“ Das sieht auch der Chef von Commerz Real so: „Künftig wollen die Menschen den Tag im Büro mit einem Besuch im Kino, Shopping oder einem Essen im Restaurant verbinden. Junge Menschen wollen künftig sagen, es macht ihnen Spaß, ins Büro zu gehen.“ Davon profitierten die erstklassigen Lagen in der Nähe der Innenstädte. „In den Top-Lagen, also im hochpreisigen Segment, wird nichts passieren.“

Verena Rock meint aber, dass es immer mehr Branchen gebe, die für längere Frist auf Homeoffice setzen, auch Banken. Man werde Büros künftig viel kurzfristiger mieten wollen – so wie man zum Beispiel einen Tag im Gym verbringe. „Das unterschätzt die Immobilienwirtschaft“, sagt sie. Ein gegenläufiger Faktor ist der allgemeine Mangel an Besprechungsräumen, der sich in Nachfrage nach Bürohäusern umwandeln könnte.

Chancen für Opportunisten

Krise ist weiterhin angesagt im Handelssegment. Im Retailbereich gab es 2021 kaum noch Transaktionen bei Shoppingcentern. Von allen Immobilien sei das Segment am stärksten betroffen, so Beyerle. „Das zeigt sich daran, dass die Quadratmetermieten deutlich zurückgegangen sind. Das führt zu Abwertungen.“

Kapitalsammelstellen sind bei Shoppingcentern zurückhaltend. Das liegt auch daran, dass diese Investoren nicht auf Risiko setzen. „Preise in dem Segment sind so tief gesunken, dass für opportunistische Investoren Shoppingcenter schon wieder interessant sind“, so Koch. Sein Haus ist dabei, sich dem Rückgang im Einzelhandel anzupassen, und hat beispielsweise in Mülheim an der Ruhr die komplette erste Etage für medizinische und Gesundheitsnutzung umgebaut.

Beim stark gehypten Lebensmitteleinzelhandel, der gerne als Ankermieter genommen wird, ist Beyerle skeptisch. „Die Idee, dass dieses Segment immer und überall läuft, teile ich nicht.“ Die Belastung des Retailsegments ist aber nicht nur auf Covid zurückzuführen, sondern noch stärker auf den Trend zum Onlineshopping, der den Rückgang beschleunigen dürfte. Das betrifft nicht alle Lagen. „Eine Zeil hat eine Zukunft, aber sie wird kürzer werden, da 1A-Lagen schrumpfen und solche Einkaufsstraßen an den Rändern verlieren“, so Beyerle.

Die mit dem Onlinehandel verbundene logistische Infrastruktur scheidet für viele Investoren als Anlagemöglichkeit inzwischen aus. „Bei Logistik zahlt man für einen bescheidenen Substanzwert oft einen astronomisch hohen Preis. Die schlichte Halle auf der grünen Wiese werden wir nicht anfassen“, sagt CEO Koch. Interessant sei aus seiner Sicht aber die innerstädtische Logistik der letzten Meile. „Hier könnten wir uns gemeinsam mit Signa vorstellen, Teile der Kaufhof-Immobilien dafür zu nutzen.“

Ein Risiko für Logistikflächen ist das Thema ESG, denn diese Art von Gebäuden haben die mit Abstand meisten versiegelten Flächen. „Wenn es an Klimaziele und Dekarbonisierung der Immobilien geht, dann sehen Logistikimmobilien plötzlich schlechter aus“, gibt Beyerle zu bedenken.

Bei ESG ist in der Branche in den vergangenen Monaten viel passiert. So kristallisiert sich heraus, welche Standards man in der Branche nutzen will . „Das Nachhaltigkeitsthema hat deutlich an Tempo zugelegt“, sagt Rock. Auch Sozialwohnungen und bezahlbare Wohnungen rücken in dem Zusammenhang immer mehr nach vorne. „Ohne öffentliche Förderung ist das allerdings schwierig; gegebenenfalls muss sich die Immobilienbranche an der Stelle aber bei der Wirtschaftlichkeit strecken“, meint die Professorin.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

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