Virtuelle Hauptversammlung

Aktionäre hinterfragen organisches Wachstum der Deutschen Börse

Auf der diesjährigen Hauptversammlung huldigten die Aktionäre CEO Theodor Weimer. Kritik gab es vor allem am virtuellen Format der Veranstaltung – doch auch das organische Wachstum der Deutschen Börse wurde hinterfragt.

Aktionäre hinterfragen organisches Wachstum der Deutschen Börse

Kritische Aktionärsfragen zum Wachstum der Börse

Aktionäre huldigen auf Hauptversammlung Deutsche-Börse-CEO Theodor Weimer – Virtuelles Format erntet Kritik

Von Philipp Habdank, Frankfurt

Die diesjährige Hauptversammlung der Deutschen Börse stand im Zeichen ihres Vorstandchefs Theodor Weimer. Da dieser zum Jahresende nach sieben Jahren an Stephan Leithner übergeben wird, fanden Aufsichtsratschef Martin Jetter und Aktionärsvertreter lobende Worte für Weimer und sein Wirken bei der Deutschen Börse. Weimer habe der Deutschen Börse wieder Selbstvertrauen gegeben und eine Kultur des Machens geschaffen. Er habe dem Unternehmen Stabilität verliehen, es zukunftsfähig umgebaut und die Deutsche Börse wieder zu einem internationalen Schwergewicht gemacht.

Deutliche Kritik äußerten Aktionäre allerdings am erneut rein virtuellen Format der Hauptversammlung. Aufsichtsratschef Jetter hob zwar die positiven Erfahrungen mit dem virtuellen Format hervor, betonte jedoch, dass man für die künftigen Formate nicht festgelegt sei. Die Teilnehmerquote betrug in diesem Jahr 73,74% des eingetragenen Grundkapitals. Im Vorjahr hatten noch 78,69% virtuell teilgenommen. Bei der letzten physischen Hauptversammlung 2019 lag die Quote bei 74,7%.

Deutsche Börse: Aktionäre hinterfragen Wachstum

Mit dem vergangenen Rekordgeschäftsjahr zeigten sich die Aktionäre zufrieden. So habe sich nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Erlöse durch den gestiegenen Anteil von wiederkehrenden Erlösen erhöht, sagte Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK). Die höhere Unsicherheit im Markt habe zwar zu weniger Handel, aber nicht zu weniger Umsatz bei der Deutschen Börse geführt, lobte Andreas Lang von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (SDW).

Mehrere Aktionärsvertreter sahen das hohe Ergebniswachstum, insbesondere das organische, jedoch deutlich nüchterner als der Vorstand um CEO Weimer. „Das beeindruckende Ergebniswachstum von über 17% setzt sich neben 5% strukturellem Wachstum allerdings auch aus 7% zyklischem und 5% anorganischem Wachstum zusammen, das einerseits aus der konjunkturell bedingten starken Zinsentwicklung sowie andererseits aus der Akquisition von Simcorp resultiert“, sagte Hendrik Schmidt vom Vermögensverwalter DWS. Nach diesen verstärkenden Effekten bleibe für das laufende Geschäftsjahr 2024 abzuwarten, auf welchem Niveau sich das Wachstum normalisiere.

Deutsche Börse profitierte von Zinswende

Auch Andreas Thomae von Deka Investment wies auf den hohen zyklischen Anteil der Erträge im Zusammenhang der Rückkehr der Zinsen hin, die deutlich zu den 12% Wachstum beigetragen hätten. Das strukturelle organische Wachstum habe um 5% zugelegt – und damit prozentual gesehen genauso stark wie die organischen Kosten im vergangenen Jahr. Damit relativierten die Aktionärsvertreter ein Stück weit Weimers Aussage, dass mit mehr Umsatz die Kosten unterproportional steigen würden.

Der Anteil der Nettozinserträge zum organischen Wachstum betrug im vergangenen Jahr 7%, was rund 700 Mill. Euro entspricht. Die Zinserträge generiert die Börse über ihre Clearstream-Tochter, wenn Kunden für die Abwicklung von Wertpapieren Bareinlagen als Sicherheit hinterlegen, die Clearstream über Nacht anlegen kann. In diesem Jahr rechnet die Börse Finanzchef Gregor Pottmeyer zufolge mit Zinserträgen in etwa auf Vorjahresniveau. In der Erwartung, dass die Zinsen bis 2026 in den USA und Europa auf 2,5 und 3% zurückgehen werden, dürfte der Zinsertrag dann auf 500 Mill. Euro zurückgehen.

Aktionäre der Deutschen Börse uneins bei Ausschüttungspolitik

Unterschiedlich bewerteten die Aktionärsvertreter die Ausschüttungspolitik der Deutschen Börse. Während DSW- und SDK-Vertreter eine stärkere Gewinnbeteiligung in Form von höheren Dividendenzahlungen forderten, hält die Deka die reduzierte Ausschüttungsquote von früher über 50% auf zuletzt 40% für sinnvoll: „Ein höher bewertetes Wachstumsunternehmen bringt uns Aktionären mehr als ein niedrig bewerteter lahmer Gaul“, so Thomae.

Abgesehen von der Entscheidung für die virtuelle Hauptversammlung zeigten sich die Aktionäre mit der Führungsmannschaft der Deutschen Börse zufrieden. Der Vorstand wurde mit 96,18% entlastet, der Aufsichtsrat mit 99,24% und Jetter als dessen Vorsitzender bestätigt. Die SDK stimmte aus Protest gegen die virtuelle Versammlung gegen die Entlastung des Vorstands.

Ex-ING-Risikochefin zieht in Aufsichtsrat ein

Sigrid Kozmiensky wurde mit einer Zustimmungsquote von 99,92% neu in den Aufsichtsrat gewählt. Die neue Risikochefin der BayernLB löst dort Michael Rüdiger ab, der seit Mai 2020 im Aufsichtsgremium saß. Die DWS stimmte gegen die Wiederwahl von Barbara Lambert in den Aufsichtsrat, da diese zu viele Aufsichtsratsmandate halte. Insgesamt wurde sie mit 92,96% dennoch wiedergewählt.