Caroline Schlienkamp, Talanx

Als Arbeitgeber mit Kultur und Atmosphäre punkten

Um Fachkräfte zu gewinnen und um für Mitarbeiter interessant zu bleiben, will die Talanx mit ihrer Unternehmenskultur punkten. Die Personalstrategie soll auch Finanzziele bis 2025 erreichbar machen.

Als Arbeitgeber mit Kultur und Atmosphäre punkten

Vor drei Jahren markierte die im Herbst 2012 an die Börse gekommene Talanx-Aktie bei 48,34 Euro ihr bisheriges Allzeithoch. Nicht einmal einen Monat später hatte sich der Kurs bis auf 22,36 Euro mehr als halbiert. Mit dem Beginn der Coronakrise geriet auch das vor allem auf institutionelle Kunden ausgerichtete Geschäftsmodell des Mehrmarkenversicherers aus Hannover unter Druck. Inzwischen hat sich das Ende Oktober 2021 in den MDax zurückgekehrte Papier jedoch wieder dem Rekordniveau vom 19. Februar 2020 angenähert.

Einfluss auf Anlegerverhalten und Kursentwicklung nehmen seit kurzem auch die beim Kapitalmarkttag verkündeten Ergebnis- und Dividendenziele, die die Talanx bis 2025 erreichen will. Seit dem Bekanntwerden der neuen mittelfristigen Vorgaben am 6. Dezember vergangenen Jahres legte die Aktie des drittgrößten deutschen Versicherungskonzerns bis zum 20. Januar um gut 8% auf 46,34 Euro zu. Für den Branchenindex Stoxx Europe 600 Insurance ging es im gleichen Zeitraum um 4,5% aufwärts. Zwischenzeitlich haben sich die Verlaufskurven gekreuzt. Doch gab die Talanx bei der Präsentation vorläufiger Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr am Donnerstag voriger Woche zu verstehen, dass man sich nach dem 2022 um 16% auf 1,17 Mrd. Euro gestiegenen Konzerngewinn und mit der Prognose von rund 1,4 Mrd. Euro für den aktuellen Geschäftsturnus „voll auf Kurs“ sehe, bis 2025 ein Ergebnis von 1,6 Mrd. Euro zu erreichen. Dann sollen die Aktionäre eine Dividende von 2,50 Euro je Aktie erhalten – nach 2 (i.V. 1,60) Euro für den abgelaufenen Turnus.

30 Einzelmaßnahmen

Wie die Talanx bei ihrem Kapitalmarkttag weiter mitteilte, soll auch eine neue Personalstrategie dazu beitragen, die Finanzziele zu erreichen. „Eine neue Personalstrategie, die einen Fokus auf die Gewinnung von Fachkräften legt als auch die sich bietenden Chancen von Diversity und New Work nutzt, unterstützt diese strategischen Zielsetzungen der Gruppe“, lautete die Auskunft des Unternehmens mit seinen rund 24000 Beschäftigten. Diese Strategie mit mehr als 30 Einzelmaßnahmen stellte der Versicherer Mitte Januar intern in einem einstündigen Live-Stream aus dem hauseigenen TV-Studio in Hannover vor.

„HDI X“ begegne den aktuellen Herausforderungen eines sich ständig verändernden, volatilen Umfelds durch neue Arbeitsweisen und finde Lösungen, um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, erklärt Caroline Schlienkamp, seit Mai vergangenen Jahres Mitglied im Talanx-Vorstand und seit Juli als Arbeitsdirektorin für Personal verantwortlich, auf Anfrage der Börsen-Zeitung. Die erste und aktuell einzige Frau im siebenköpfigen Führungsgremium des Versicherungskonzerns, die in einem neu geschaffenen Ressort auch für die Bereiche Compliance, Recht, Datenschutz, Einkauf sowie Innere Dienste zuständig ist, sagt, Mitarbeiter und Unternehmenskultur seien „entscheidend für das Erreichen unserer ehrgeizigen Ziele“. Die neue Personalstrategie setze als ein wesentlicher Bestandteil der Konzernstrategie kulturelle Schwerpunkte und habe einen übergreifenden Fokus. Sie schaffe die Voraussetzungen, um die Unternehmenskultur weiterzuentwickeln.

Fachkräftemangel

Schwerpunkte der Personalstrategie sieht man bei der Talanx unter anderem im Talentmanagement, der Entwicklung von Führung, in Diversität und in neuen Arbeitsformen. „Durch den demografischen Wandel und den damit einhergehenden Fach- und Arbeitskräftemangel ergibt sich eine angespannte Situation auf dem Stellenmarkt“, weiß Schlienkamp. Waren vor einigen Jahren vor allem IT-Kräfte schwer zu rekrutieren, spürt die Talanx heute neben IT eine starke Nachfrage nach Personal in den Bereichen Mathematik, Underwriting und Recht. Um dem zu begegnen, setzt man in Hannover auf zielgruppenspezifische Maßnahmen, wie die Personalchefin erklärt.

Gesucht werde zum einen extern. Experten von außen würden vermehrt selbst aktiv angesprochen, zum Beispiel über soziale Medien, teilt Schlienkamp mit. In Netzwerken wie Linkedin, Instagram und Tiktok sei man heute sehr viel stärker präsent als in der Vergangenheit. „Wir sind da, wo sich auch unsere potenziellen Mitarbeitenden bewegen.“ Zum anderen bemüht sich die Talanx vermehrt um Weiterentwicklung des eigenen Personals und um Ausbildung.

Neue duale Studiengänge

So will der Versicherer in diesem Jahr mit drei neuen dualen Studiengängen in den Bereichen Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Data Science, IT-Security sowie Wirtschaftsmathematik und Aktuarwissenschaften beginnen. 2023 soll die Zahl der jährlichen Neueinstellungen von Auszubildenden und dual Studierenden um 30 auf rund 130 steigen. Auch über die berufsbegleitende Aktuariatsausbildung, Entwicklungsprogramme für angehende Führungskräfte, Hochschulaktivitäten sowie Praktikums- und Werkstudentenstellen würden Nachwuchskräfte aufgebaut und Positionen intern besetzt, wie Schlienkamp weiter ausführt.

Auch bei der Talanx ist man sich bewusst, dass im Wettbewerb um Personal Beweglichkeit und Fantasie gefragt sind, dass es sich von anderen abzuheben und spannende Geschichten zu erzählen gilt, um Fachkräfte und Talente anzuziehen – aber auch, um interessant zu bleiben für die Beschäftigten im Unternehmen. „Eine klare und inspirierende Strategie, eine attraktive Kultur und der tief im Unternehmen verankerte Purpose ,Together we take care of the unexpected and foster entrepreneurship‘ machen die HDI Group einzigartig“, sagt die Personalchefin, die davon ausgeht, dass in den kommenden zehn Jahren das Durchschnittsalter der Beschäftigten bei der Talanx von derzeit 45,8 Jahren sowie die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit von aktuell 15 Jahren abnehmen werden.

Mehr Frauen auf Top-Posten

Von flexiblen Arbeitszeiten und der Möglichkeit, über ein Quartal verteilt bis zu 60% mobil zu arbeiten, über Kinderbetreuung in der be­triebseigenen Kita bis hin zu Angeboten in der Pflege von Angehörigen sowie zur Unterstützung in verschiedenen Lebenslagen werde die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit unterstützt, sagt Schlienkamp. Auch Führen in Teilzeit werde gefördert. Fortschritte sieht die Talanx-Personalchefin auf dem Weg, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Von Ende 2020 stieg der Anteil weiblicher Führungskräfte bei der Talanx in Deutschland von 21,3% auf 24,3% zum 31. Dezember vergangenen Jahres. Am Ziel sieht sich der Versicherer damit nicht: Um den Anteil noch deutlich auszuweiten, wurde die sogenannte „Succession Quote“ von 25% auf 50% erhöht. Jede zweite vakante Führungsposition soll künftig mit einer Frau besetzt werden.

Zugleich betont Schlienkamp, als Arbeitgeberin stehe die HDI für die gleiche Bezahlung aller Geschlechter ein. Neben regional angemessenen, wettbewerbsfähigen Gehältern sei eine Beteiligung am Konzerngewinn über ein Aktienprogramm für Mitarbeiter möglich. Ferner würden herausragende Leistungen honoriert. Jenseits des monetären Benefits, so Schlienkamp, sei aber auch zu beobachten, dass der Sinn der Arbeit, die Kultur und die Atmosphäre bei potenziellen Mitarbeitern zunehmend in den Vordergrund rückten. „Hier können wir als HDI Group punkten.“

Was die Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen binde, sei die Unternehmenskultur, unterstreicht die 48 Jahre alte Juristin und Versicherungskauffrau, die selbst fast ihr gesamtes Berufsleben im Konzern verbracht hat. Als Vorstandsmitglied sei sie „mit der Vision angetreten, die kulturelle Transformation im Konzern voranzutreiben und die Attraktivität der HDI Group als Arbeitgeberin zu steigern“. Die neue Personalstrategie stehe für ihr Selbstverständnis als „Kulturmacherin“. Ihr sei es wichtig, dass die Menschen einen Sinn in ihrem Tun sehen und sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit und Kreativität einbringen können. „Wenn jeder weiß, was sein Beitrag zum Erfolg ist, fördert das die Motivation, die Leistungsorientierung und nicht zuletzt auch den Spaß der Arbeit.“

Zuletzt erschienen:

Unter der Sonne für die Firma in Deutschland arbeiten (11. Februar)

„Da haben Frauen keinen Bock drauf“ (26. Januar)

Auf Du und Du mit dem Vorstand (25. Januar)

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