„Banken sind doppelt betroffen“
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Die Offenlegung von nachhaltigkeitsrelevanten Daten bei Unternehmen rückt näher. Nach der politischen Einigung in der EU auf einen Entwurf für eine Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichtspflicht (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) sind jetzt Entwürfe zu Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Diskussion. Die Vorschläge von der europäischen Initiative Efrag und dem global orientierten ISSB in Verbindung mit den IFRS-Regeln machen eine einheitliche nichtfinanzielle Berichterstattung greifbar.
Ein besonderes Interesse an der Ausgestaltung der Berichtsstandards haben Kreditinstitute. „Als Banken sind wir von der Nachhaltigkeitsberichterstattung doppelt betroffen. Einerseits brauchen wir die Daten unserer Kunden für die eigene Berichterstattung und für die Integration von ESG-Aspekten in das Kreditgeschäft und das Risikomanagement“, sagt Adrian Schwantes, Fachmann für Sustainable Finance beim Bundesverband deutscher Banken (BdB). Neben dem Bezug über die Firmenkunden weist er darauf hin, dass Banken auch selbst nach CSRD berichten müssen. „Wir sitzen mit der Realwirtschaft in einem Boot.“
Klimawandel ist global
Nach dem Abschluss der Konsultationen zu den Vorschlägen von ISSB und Efrag werden nun die Gremien entscheiden, wie sie weiter vorgehen und wie sie die Standards konkretisieren. „Wir finden, dass die global ausgerichteten ISSB-Standards genau den richtigen Ansatz verfolgen, da sie für eine weltweite Vergleichbarkeit stehen. Schließlich ist der Klimawandel ein globales Thema. Die dahinterstehende IFRS-Stiftung hat zudem im Finanzwesen eine sehr große Expertise mit Standards“, sagt Schwantes. Aus seiner Sicht sollten die ISSB-Nachhaltigkeitsstandards sich in ähnlicher Weise durchsetzen. Damit würde man ein einheitliches Set an Daten und Definition schaffen.
Momentan stehen beide Entwürfe nebeneinander. „Anders als bei der klassischen Finanzberichterstattung wurde von Seiten der EU bisher darauf verzichtet, die internationale Ebene mit einem Add-on in eine europäische Standardisierung zu überführen. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstandards gibt es daher nun leider zwei voneinander getrennte Prozesse, die zeitlich parallel laufen“, bedauert Schwantes.
Auf inhaltlicher Ebene gibt es in den Entwürfen Unterschiede. „Während das ISSB stärker die Unternehmenswerte im Blick hat, versuchen die europäischen Standards alles auf einmal abzubilden –von der doppelten Wesentlichkeit in der Nachhaltigkeitsbetrachtung bis hin zu sozialen Aspekten und Governance-Themen“, so Schwantes, der es für besser hielte, mit übergreifenden Aspekten und Umweltthemen in der Berichterstattung anzufangen und dann weiterzugehen.
Einem Missverständnis möchte der Bankenverband indes vorbeugen. „Es ist zu kurz gegriffen, wenn man sagt, beim ISSB stünde nur der Investorenblick im Vordergrund. Das ISSB ist nicht blind auf einem Auge. Der vorgeschlagene Standard hat natürlich weitergehende Elemente, die in Richtung einer doppelten Materialität gehen“, so Torsten Jäger, Leiter der Themengruppe Sustainable Finance beim BdB. Bei den Efrag-Standards stört ihn am meisten, dass diese bis in die kleinsten Details Vorgaben machen und die Frage sei, welchen Mehrwert das im Einzelfall bringe.
Die Komplexität veranschaulicht Schwantes an einem Beispiel: „Bei den europäischen Standards gibt es mehr als 600 Datenanforderungen, von denen 170 quantitativ sind. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass für diese teils mehrere Berichtszeiträume oder Zukunftsprojektionen abgefragt werden.“ Unabhängig von der Fülle gehe es auch um den Sinn der Vorschriften. „Braucht es beim Thema Zusammensetzung von beaufsichtigenden Gremien Angaben zur Konfession? Müssen Mitarbeiter mit Behinderung im Unternehmen nach Geschlecht aufgeschlüsselt werden oder ist der Gesamtwert als solcher nicht aussagekräftig genug? Ein überbordendes System der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist nicht zielführend.“
„Doppelte Arbeit“
Die Nachhaltigkeitsexperten des Bankenverbandes befürchten außerdem, dass die neue, nichtfinanzielle Berichterstattung unnötig aufwendig werden könnte. „Die europäischen Efrag-Standards weichen in der Grundkonstruktion von einem internationalen Standard konzeptionell ab. Das bedeutet für global aktive Institute und Unternehmen doppelte Arbeit, denn sie müssten beide Standards erfüllen.“
In Europa tätige Unternehmen werden die europäischen Standards nutzen müssen, während global tätige Konzerne und Banken international vergleichbare Daten berichten werden. „Wir gehen nicht davon aus, dass sich die europäischen Standards weltweit durchsetzen. Das wird zu einer doppelten Berichterstattung führen“, sagt Schwantes.
Durch die Einführung der neuen Regeln im Rahmen der CSRD kommt es zu einer erheblichen Erweiterung der Berichtspflichten, sodass allein in Deutschland rund 15000 Unternehmen diese Vorgaben erfüllen müssen. „Gerade mittleren und kleineren Firmen dürften die Komplexität und die Detailliertheit der ESRS Probleme machen“, fürchtet Schwantes mit Blick auf die Kunden der Banken, die wiederum auch den Instituten Daten liefern müssen.
Nach Abschluss der Konsultationen zu den europäischen und internationalen nachhaltigkeitsbezogenen Berichtsstandards ist im Prinzip offen, wie es weitergeht. „Der Berichtsstandard der CSRD wird über zusätzliche Rechtsakte implementiert. Die Kommission ist nicht per se verpflichtet, die Entwürfe der Efrag eins zu eins zu übernehmen“, sagt Jäger und weist darauf hin, dass bei der weiteren Arbeit die EU-Kommission auch die ISSB-Vorschläge berücksichtigen könne. „Die Frage ist allerdings, für welche Richtung sich die Kommission entscheidet, also ob sie eher auf die internationalen Standards setzt oder sich an den europäischen Entwürfen orientiert, die sie selbst in Auftrag gegeben hat.“ Daran entscheidet sich aus Sicht des Bankenverbands letztlich, wie groß die Abweichung zwischen den europäischen und den internationalen Standards ausfallen wird.