„Bei Wefox darf man eine Menge erwarten“
Björn Godenrath.
Herr Valler, Sie sind als Partner für den Venture-Capital-Fonds Target Global unterwegs. Mit welchen Schwerpunkten wird investiert?
Target Global wurde 2015 gegründet und hat bislang rund 2 Mrd. Euro bei Investoren eingeworben. Erstes Closing von Growth Fund II war im November. Das finale Closing des überzeichneten Fonds mit 525 Mill. Euro Hard Cap wird in den nächsten Wochen erwartet. Ein neuer Fonds dürfte schon bald am Start sein. Hauptziel von Investments sind zum einen Finanzökosysteme rund um Fintech, Krypto und Payment. Zum anderen wird in E-Commerce investiert, wofür Portfoliowerte wie Auto1 und Delivery Hero stehen. Rund 70% der Gelder werden in Europa und Großbritannien investiert, davon der Großteil in Deutschland. 20% werden in Israel investiert, weitere 10% opportunistisch in anderen Regionen wie Afrika, wo wir zum Beispiel in die nigerianische Neobank Kuda investiert haben. Dort gibt es kein traditionelles Bankensystem, es entsteht alles neu auf mobiler Infrastruktur – und genau dort, wo solche Lücken in der Infrastruktur bestehen bzw. Applikationen auf Basis neuartiger Infrastruktur entstehen, investieren wir gerne.
Derzeit herrscht Funding-Fieber in der Start-up-Szene. Ist das die beste Zeit für Venture Capital (VC), die es jemals gab?
Im Prinzip ist das so. Für mich steht aber im Vordergrund, dass Venture Capital in den vergangenen 15 Jahren gereift ist und sich als eigenständige Assetklasse etabliert hat. Ich bin jetzt seit 18 Jahren dabei und früher wurden wir als die kleine Schwester von Private Equity betrachtet. Venture Capital hat inzwischen nachhaltig an Legitimität gewonnen, denn wir haben gezeigt, dass VC-Portfolios strukturiert und prognosegetreu gesteuert werden können – 50% meines Jobs ist Post-Investment-Risikomanagement.
Was kann Target Global tun, um gezielt weibliche Gründer zu unterstützen? Wir sehen ja, dass es häufig informelle Männerbündnisse von Gründern und VC-Investoren sind, die das Gros der Gelder steuert.
Das gehen wir gezielt an, aber wir möchten nicht, dass es auf künstlichem Weg geschieht. Bei Target Global gibt es eine ganze Reihe Frauen, die demnächst auf die Partnerebene aufrücken – man muss sich halt auch die Zeit geben, diese Pipeline für Beförderungen aufzubauen. Für mich persönlich ist es wichtig, Initiativen wie das unter Schirmherrschaft von Elke Büdenbender stehende Format „WunderNova – Das Frauen Sommer- und Thinkfest“ zu unterstützen. Denn dort werden Brücken gebaut, um Frauen ganz gezielt in Bereiche von „Hard Tech“ reinzubringen.
Dass Target Global mit der Feri-Gruppe zusammenarbeitet, wissen wohl die wenigsten. Worum geht es da?
Bei Feri wollte man sowohl für die institutionelle Seite als auch für Retail Zugang zu VC-Investitionen herstellen. Insbesondere der offene Zugang für Privatanleger zu Venture Capital ist uns wichtig, das wird nur langsam besser.
Bei Insurtech waren Sie mit Clark schon früh investiert, hatten das aber zugunsten von Wefox umgeschichtet. Mit Wefox sind seit der letzten Finanzierungsrunde hohe Erwartungen verbunden.
Bei Wefox darf man auch eine Menge erwarten, denn dieses Insurtech ist einzigartig gut aufgestellt, um für alle im Assekuranz-Ökosystem Mehrwert zu schaffen. Über seine Plattform kann Wefox unter Einbindung der Makler Versicherungsprodukte digital und hochgradig automatisiert europaweit vertreiben, das ist etwas anderes als das von Lemonade betriebene Underwriting, wenn man die beiden mal benchmarken will. Wefox sorgt als Plattformvermittler dafür, dass im Sinne des Konsumenten Wettbewerb herrscht zwischen den Policen-Anbietern. Außerdem hat Wefox eine eigene volldigitale Erstversicherung – und die ist viermal so effizient wie die der traditionellen Assekuranz. Die Einnahmen für Wefox gehen grad richtig hoch – und ich denke, Wefox hätte eine deutlich höhere Bewertung durchsetzen können als die erzielten 3 Mrd. Dollar, wenn sie es darauf angelegt hätten.
In Deutschland werden Fintechs wie Wefox kritisch beäugt, weil sie noch rote Zahlen schreiben. Dabei sollte man doch meinen, dass die Priorisierung von Skalierung mittlerweile eine gängige Methode ist, oder?
Tja, manche Menschen wollen halt ihre Komfortzone nicht verlassen und verpassen damit Gelegenheiten. Es funktioniert zugegebenermaßen nicht für jedes Start-up, aber es ist in der Regel eine strategische Entscheidung, noch ein zusätzliches Verlustjahr in Kauf zu nehmen, um in weiteres Wachstum zu investieren. Und es ist unser Job als VC zu prüfen, ob dem realistische Annahmen zugrunde liegen.
Bei den Neobanken scheint es die Herausforderung zu sein, aus registrierten Nutzern umsatzbringende Kunden zu machen.
Na klar, die Neobanken müssen auf Kunden fokussieren, die ihre Dienste aktiv nutzen. Banken sind heute Plattformen, die Value-Added-Service bieten müssen. Bei Payment und Kontodiensten funktioniert das für Neobanken schon gut, die nächste Hürde ist die Erweiterung als Investment Plattform, also alles rund um Aktien und Altersvorsorge.
Wie denken Sie über Buy & Build? Ist M&A ein taugliches Instrument im Bereich Early Stage Tech?
Zunächst mal bin ich der Meinung, dass die Aufnahme von M&A-Prozessen sinnbildlich für das Erwachsenwerden des VC-Sektors steht. Für uns ist das ein gutes Mittel, um entweder schnell nationale Märkte zu besetzen oder aber, um flott ergänzende Technologie zu erwerben. Dafür betreiben wir ex ante eine ausführliche technologische Due Diligence, die Post-Merger-Integration ist dann aber zugegebenermaßen häufig eine Herausforderung.
Copper ist eines Ihrer Investments im Kryptosektor. Solche Start-ups sind mit gängigen Maßstäben kaum zu bewerten. Wie gehen Sie das an?
Zunächst mal sind wir immer bemüht, intern zusätzliche Expertise aufzubauen – und die meisten von uns haben einen Tech-Hintergrund und lernen dann mit der Industrie dazu. Copper passt sehr gut in unser Raster, weil die mit Instant Settlement Infrastruktur schaffen, welche die traditionelle Finanzwelt mit dem Kryptosektor so verbindet, dass für Investoren Compliance besteht. Unsere Aufgabe besteht ja insbesondere darin, Risiken zu identifizieren, diese zu bewerten und dann damit umzugehen – das ist aufwendig und deshalb ist Venture Capital auch kein billiger Investment-Service.
Bei uns in Deutschland ist aufgrund eines Positionspapiers eine Diskussion darüber entstanden, ob in der Presse fair über Gründer berichtet wird. Wie ist Ihre international geprägte Sichtweise darauf?
Es ist natürlich immer erlaubt und auch willkommen, wenn auf Basis belastbarer Fakten kritisch über Gründer und Venture Capital berichtet wird. Eine auch öffentlich ausgetragene Überprüfung von Erfolg oder Misserfolg ist Teil der demokratischen Spielregeln – wofür es allerdings eine informierte Öffentlichkeit braucht. In Großbritannien ist Venture Capital teilweise zum Spielball der Yellow Press geworden, wo als Teil einer Neiddebatte einfach wilde Gerüchte verbreitet werden.
Das Interview führte