Beim Thema Cum-ex konsequent weggeschaut
Von Anna Sleegers, Frankfurt
Der wegen der Greensill-Pleite in die Kritik geratene Prüfungsverband des Einlagensicherungsfonds der privaten Banken hat offenbar auch beim Thema Cum-ex über Jahre konsequent weggeschaut. Wie am Donnerstag in der bis in die Abendstunden gehenden Zeugenvernehmung in der Cum-ex-Strafverhandlung gegen das Management der Maple Bank deutlich wurde, blendeten die Prüfer das Risiko komplett aus, dass der Fiskus die Steuererstattungen verweigern würde (Az.: 5/24 KLs 17/19). Eine Fehleinschätzung, die den Einlagensicherungsfonds im Falle der Maple Bank 2,6 Mrd. Euro kosten sollte.
Dabei standen die Chancen, den riskanten und mutmaßlich strafbaren Steuertricksereien auf die Spur zu kommen, gar nicht schlecht. Wegen ihres selbst für die Maßstäbe vor der Bankenkrise überdimensionierten Eigenhandels galt die Maple Bank beim Prüfungsverband als risikofreudig. Deshalb bekam sie alle drei Jahre Besuch von den Prüfern, während der Zeitraum zwischen den Besuchen bei Instituten, die als weniger riskant eingestuft werden, auf bis zu fünf Jahre ausgedehnt werden kann.
Drei Prüfer vor Ort
Wie im Rahmen der Beweisaufnahme deutlich wurde, waren für die Prüfung im Jahr 2008 vorab die Schwerpunkte IT, Risikomanagement und Handelsgeschäft festgelegt worden. Ein dreiköpfiges Prüferteam reiste nach Frankfurt, um die Bücher der Maple Bank zu untersuchen, für die komplexen Handelsgeschäfte zogen sie die Expertise eines Experten für Finanzmathematik dazu.
Leider schaute sich dieser dann aber nicht etwa die Leerverkäufe des Instituts rund um den Dividendenstichtag an, sondern konzentrierte sich wie seine Kollegen voll auf die „PV-Strategie“, also den Kauf von Call-Optionen auf VW-Aktien, mit dem der Sportwagenhersteller Porsche die Maple Bank beauftragt hatte, um sich an den Wolfsburger Konzern anzuschleichen.
Was vor allem die Verteidigung des Kronzeugen Alexander H. umtreibt – ein früherer Wertpapierhändler bei der Maple Bank, der sich von seiner Kooperation Strafmilderung erhofft –, ist das Verhältnis der Prüfer zu der Geschäftsleitung der Maple Bank. Zwar unterstrich der Prüfungsleiter im Zeugenstand, dass er keinen privaten Kontakt zu Vorstandschef Wolfgang Schuck oder den anderen beteiligten Managern unterhalten habe. Gleichwohl kannte man sich von früheren Prüfmandaten in den 1990er-Jahren, in denen die Maple-Manager bei den hiesigen Ablegern von US-Investmentbanken tätig waren. Ab und zu habe das Management ihn auch ins Restaurant eingeladen, was der Prüfer als unverdächtiges Geschäftsessen wertete.
Dass ihn das Management nur wenige Tage vor dem Beginn der Prüfung zu einem Bundesligaspiel in die Besucherloge des damals noch als „Commerzbank-Arena“ firmierenden Waldstadions einlud, habe ihm kein Störgefühl verursacht. Schließlich sei der Prüfungsverband keine Aufsichtsbehörde. Zudem habe er sich bei einer früheren Einladung bereits intern abgesichert, dass dies nicht gegen die Compliance-Richtlinien verstieß.
„What-if-Szenarios“ genutzt
Zum Ablauf der Prüfung selbst sagte er, dass sein Team mit „What-if-Szenarios“ gearbeitet habe, um die Risiken der im Vergleich zum Eigenkapital der Maple Bank sehr großvolumigen Handelsgeschäfte der PV-Strategie abzuschätzen. Die Frage, was passiert, wenn die Finanzbehörden die Steuererstattungen verweigern, fiel dagegen hinten runter.
Von den umstrittenen Cum-ex-Geschäften habe er zwar gewusst. Das damit einhergehende Risiko sei aber „höchstens mal beim Mittagessen mit Kollegen Thema gewesen“, niemals in Zusammenhang mit einem Prüfungsverfahren, weder bei Maple noch bei einem anderen Institut. Interne Schulungen, Arbeitskreise oder Vorgaben für den Umgang mit den aus diesen Geschäften resultierenden Bilanzposten? Fehlanzeige.
„Wir sind im Namen des Einlagensicherungsfonds tätig und müssen fragen, wo das größte Risiko liegt“, erläuterte ein anderer Mitarbeiter des Prüfungsverbands, dessen Aufgabe es war, den von den Kollegen im Außendienst erstellten Bericht kritisch gegenzulesen und bei Bedarf Korrekturen einzufordern. Zwar sei ihm und seinen Kollegen bewusst gewesen, dass der Profit dieser Transaktionen aus der Erstattung zuvor nicht entrichteter Kapitalertragssteuer stammte. Das damit verbundene finanzielle Risiko unterschätzte er aber offenbar: „Ich habe kein Insolvenzrisiko durch Cum-ex gesehen, sonst hätte ich das zum Prüfungsschwerpunkt gemacht.“
Auf die etwas verwunderte Frage des Vorsitzenden Richters, wie dies mit dem in der Jahresbilanz aktivierten Posten eines dreistelligen Millionenbetrags aus der zu erwartenden Steuergutschrift zusammenpasste, erwiderte der Zeuge: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass wir als Prüfungsverband einen Beitrag zum Meinungsstreit zwischen der Maple Bank und der Steuerbehörde leisten könnten.“
Fokus auf künftige Risiken
Letztlich habe es sich um „vergangenes Geschäft“ gehandelt, denn nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums im März 2009, in dem eine Neubewertung der Cum-ex-Geschäfte vorgenommen wurde, habe die Maple Bank das Neugeschäft nach seiner damaligen Kenntnis eingestellt. Der Fokus des Prüfungsverbands habe auf künftigen Risiken gelegen, auch der bereits testierte Jahresabschluss 2008 sei kein Thema der Prüfung gewesen. Einzelne Bilanzposten würden schon mangels personellen Kapazitäten nicht geprüft. „Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass eine deutsche Bank durch Steuerforderungen insolvent wird“, so der Berichtskritiker mit einem bitteren Lachen: „Jetzt bin ich eines Besseren belehrt.“