Bernd Deeken, Berenberg

Berenberg setzt auf die Energiewende

Als Konsequenz des Ukraine-Kriegs werden beim Energiemix die Karten neu gemischt. Bernd Deeken, Portfoliomanager bei Berenberg, verrät, wem das Wachstumschancen eröffnet.

Berenberg setzt auf die Energiewende

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Die gegenwärtige geopolitische Neuordnung ist nach Ansicht von Bernd Deeken, Portfoliomanager bei Berenberg, ein guter Grund, um über Investments im Bereich der erneuerbaren Energien nachzudenken. „Die schrecklichen Ereignisse in der Ukraine haben auch Auswirkungen auf die Frage, wie und woher wir unsere Energie künftig beziehen“, sagt er im Gespräch der Börsen-Zeitung. „Die Preise steigen und Versorgungsängste dominieren die Presse, was zur Folge hat, dass wir den Energiemix in Deutschland, aber auch in Europa und sogar weltweit hinter­fragen.“

Die Erzeugung und der Transfer von Energie war schon immer ein gigantisches Infrastrukturthema. „Nun sieht es so aus, als ob die geopolitischen Ereignisse wie ein Katalysator wirken und der Aufbau der erforderlichen Infrastruktur viel schneller und zielgerichteter geht, als man das bisher für möglich ge­halten hätte“, so der Investment­spezialist.

Deeken zeigt sich überzeugt, dass sich etwa mit Blick auf die Genehmigungszeiten unter der Ampel-Regierung bald etwas tun wird. „Die hierzulande teilweise üblichen acht bis neun Jahre sind wirklich viel zu lang.“ Auch bei lokalen Regelungen wie etwa der Abstandsregelung für Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen seien Veränderungen zu erwarten, zumindest wenn es zu einer Regierungsbeteiligung der Grünen kommt.

„Kurzfristig geht es erstmal darum, schnell unabhängig zu werden von russischen Energieträgern, ohne dass die Auswirkungen für die Konsumenten zu groß sind“, konstatiert Deeken. Dabei stünden zunächst fossile Alternativen im Vordergrund, etwa bei der Errichtung von LNG-Terminals, um Flüssiggas aus den USA beziehen zu können. Doch das ist nach Ansicht des Portfoliomanagers nur ein Zwischenschritt: „Auf mittlere Sicht geht es vor allem um einen Ausbau der erneuerbaren Energien.“

Längst gehe es nicht mehr nur um die Dekarbonisierung, um den Klimawandel aufzuhalten, sondern um geopolitische Erwägungen. „Die Sonne ist für alle da, den Wind kann Russland nicht kontrollieren“, wie es Deeken formuliert. Das versetze Deutschland trotz fehlender eigener Rohstoffe in die Lage, sich zunehmend unabhängiger zu machen.

 Chancen nur in der Nische

„Hoffnung auf eine Renaissance bei der Herstellung von Bauteilen für die Erzeugung von Solarenergie, in der Deutschland vor 15, 20 Jahren eine technologische Vorreiterrolle hatte, sollten wir uns nicht machen“, unterstreicht der Portfoliomanager. Die Produktion sei komplett nach China abgewandert, diesen Prozess könne man nur mit Hilfe massiver Subventionen wieder zurückdrehen. Chancen für deutsche und andere europäische Hersteller sieht er allenfalls in Nischen wie der System­­integration oder bei einzelnen Komponenten.

„Auch bei der Herstellung von Modulen für die Erzeugung von Windenergie haben die hiesigen Hersteller nach wie vor Schwierigkeiten, kostenseitig mitzuhalten, geschweige denn Wettbewerbsvorteile zu erlangen“, sagt er und ergänzt unter Verweis auf die jüngste Gewinnwarnung von Nordex, dass die wenigen europäischen Unternehmen, die hier noch im Rennen sind, stark unter den gestiegenen Rohstoffkosten und den Lieferkettenproblemen leiden.

Projektplaner gefragt

Anders stelle sich die Situation im Bereich der Energieerzeugung dar, die naturgemäß ein sehr lokales Thema sei. „Unternehmen mit Stärken in der Projektplanung, von denen es in Deutschland und Europa einige gibt, eröffnen sich hier große Chancen“, glaubt Deeken. Zumal die Energieerzeugung an sich sehr billig ist, wenn das Projekt verwirklicht ist. „Zugleich steht aus meiner Sicht aber auch zu erwarten, dass die Energiepreise in den kommenden Jahren auf einem relativ hohen Niveau verharren werden, was Projekte wie Windparks attraktiver macht und ihre Finanzierung erleichtert.”

Auch hier vollziehe sich gegenwärtig ein grundlegender Wandel, beobachtet Deeken. „Waren die Windparkbetreiber früher im Wesent­lichen von den Einnahmen über die staatliche Einspeisevergütung ab­hängig, rückt mit sogenannten PPA ein neues Geschäftsmodell in den Vordergrund“, sagt er. PPA steht für Power Purchase Agreements, das sind Verträge, mit denen der Projektentwickler den Strom direkt an Unternehmen mit hohem Energie­bedarf verkauft, beispielsweise an Amazon Datacenter oder auch Mi­crosoft.

 Blick auf die Pipeline

Auf die Frage, wie er die Unternehmen identifiziert, in die er investiert, entgegnet er: „Wir schauen uns vor allem an, ob die Projektentwickler eine gute Pipeline haben, gute zukünftige Parks mit viel Wind oder Sonne und Zugang zum Stromnetz.“ Essenziell sei aber auch die Qualität des Managements, die angesichts der steigenden Preise und Lieferengpässe an Bedeutung gewinne.

Auch mit den Namen seiner Investmentfavoriten hält Deeken nicht hinter dem Berg: „Interessant ist etwa Energiekontor, ein Unternehmen, das zu den PPA-Pionieren in der Windkraft gehört.“ Ähnlich aufgestellt sei im Bereich Solarenergie die spanische Grenergy Renovables.

Ein Investment wert ist in den Augen des Anlagespezialisten auch OX2 aus Schweden: „Die Firma ist schon sehr lange erfolgreich in der Projektentwicklung und hat nach ihrem Börsengang den Ansatz verstärkt, Projekte aufzukaufen und an große Investoren weiterzuverkaufen, sowohl an Energieproduzenten wie auch an Finanzinvestoren, die auf der Suche nach stabilen Cashflows sind.“ Auf diese Weise könne man sehr spezifisches lokales Know-how mit Akteuren zusammenbringen, die über das erforderliche Kapital und die entsprechende Einkaufsmacht verfügen – beides sei für die erfolgreiche Realisierung von Projekten notwendig.

Gamechanger Zinswende

Deeken verschweigt indes nicht, dass der Markt für erneuerbare Energien in der aktuellen Situation auch Untiefen birgt: „Mit der sich nun abzeichnenden Zinswende werden die Karten noch mal neu gemischt.“ Einige Projektentwickler seien enorm hoch verschuldet, weil sie den Leverage nicht nur auf das Projekt, sondern auch auf ihr Unternehmen geladen haben. Wenn sie dann auch noch darauf verzichtet haben, das Zinsrisiko abzusichern, werden diese Anbieter absehbar in Schwierigkeiten geraten. „Wir achten als Investor darauf, dass die Projektentwickler sich bei der Zinsbindung bei der Finanzierung an der Dauer orientieren, die sie für die Abzahlung des Projekts veranschlagen“, erläutert Deeken.

Schwierigkeiten bei Offshore

Schwierigkeiten bekommen dürften nach seiner Einschätzung auch Unternehmen, die auf Offshore-Windprojekte in der Nord- oder Ostsee gesetzt haben. „Das klingt erstmal nach einer guten Idee, weil es auf See jede Menge Wind und wenig Anwohner gibt, die Einspruch erheben könnten“, räumt er ein.

Tatsächlich baue sich hier jedoch eine massive Konkurrenzsituation auf, weil immer mehr Ölkonzerne im Zuge ihrer Dekarbonisierungsstrategie sehr viel Geld in Offhore-Windprojekte investierten. „Dadurch ist ein Druck entstanden, der die ursprünglich zweistelligen Renditeerwartungen massiv reduziert hat“, sagt er.

Aus Investorensicht rät er zur Vorsicht: „Auch für diese Firmen stellt das sich verändernde Zinsumfeld als eine große Belastung dar.“

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