„Bislang haben wir unsere Planung nicht heruntergenommen“
Bernd Neubacher.
Herr Salsano, während die operativen Erlöse von HSBC Deutschland 2021 um 1% auf 900 Mill. Euro vorangekommen sind, ist der Vorsteuergewinn um 47% auf das Rekordergebnis von 294 Mill. Euro in die Höhe geschossen. Was steckt dahinter? Nicht nur eine fallende Risikovorsorge, oder?
Nein, das ist kein Phänomen der Risikovorsorge. Handels-, Provisionsergebnis und Zinsergebnis haben sich grundsätzlich sehr positiv entwickelt. Das vergangene Jahr war klar geprägt durch eine breite Primäremissionstätigkeit in Debt und Equity Capital Markets, aber ebenso von hohen Volumina im Handel sowie im Bereich Security Services. In der Umsatzentwicklung schlägt sich dabei nieder, dass wir nicht alles bei uns buchen, sondern die globale Aufstellung der HSBC-Bilanzen besser nutzen. Dies äußert sich dahingehend, dass wir aktiver dort buchen, wo es für uns und unsere Kunden sinnvoll ist. Die Entwicklungen sind für uns insgesamt sehr positiv und sehr zufriedenstellend. Es zeigt sich, dass unser Portfolio richtig zusammengestellt ist, der Erfolg steht auf mehreren Beinen.
Bereinigt um die Kosten des laufenden Umbauprogramms und um den Erlös aus dem Verkauf des Gebäudes an Düsseldorfs Königsallee zog der Gewinn um 13% oder gut 30 Mill. an. Der Rückgang der Risikovorsorge aber gab dem Ergebnis zugleich einen Schub um 77 Mill. Euro. Welche Faktoren sorgten dafür, dass dieser Effekt das Ergebnis nicht stärker in die Höhe getrieben hat?
Im bereinigten Ergebnis sind auch Transformationskosten verarbeitet. Das ist natürlich ein Faktor, der gegen die positive Ergebnisentwicklung läuft.
Wie viel hat eigentlich der Gebäudeverkauf in die Kasse gespült?
Das beziffern wir nicht.
Wie sieht es mit der Planung für 2022 aus? Wird es abermals ein Ergebnis auf Rekordniveau geben, oder planen Sie etwas vorsichtiger?
Bis vor vier Wochen hätte ich klar gesagt, dass wir erneut mit einem sehr, sehr positiven Ergebnis rechnen, in etwa auf vergleichbarem Niveau. Vielleicht wäre es auch ein drittes Rekordergebnis geworden. Nun müssen wir sehen, wie sich die tragische Situation im Osten Europas auswirkt. Bislang haben wir unsere Planung nicht heruntergenommen. Allerdings verbietet die gegenwärtige Marktlage schlichtweg eine seriöse Prognose. Das ist einfach im Moment zu unsicher.
Welche Treiber haben Sie bei Ihrer Prognose unterstellt?
Zum einen eine positive Entwicklung der Zinslandschaft, welche mittlerweile im Großen und Ganzen eigentlich schon eingetreten ist beziehungsweise sich zumindest schon abzeichnet. Für ein Haus wie unseres ist das ein ganz klarer Schub und angesichts unseres Produktmixes einer der wesentlichen Faktoren. Zum anderen treiben wir das Wachstum voran. So weiten wir in bestimmten Kundensegmenten das Kreditgeschäft wieder aus. Und nicht zuletzt wird auch der Markt ganz klar weiter eine elementare Stütze für den Handel und Security Services sein.
Wie ist das Jahr angelaufen?
Bislang nach Plan, die tragische Dimension im Osten einmal ausgeklammert. Wir haben Grund zu der Annahme, dass wir mit unseren Prognosen auf einem guten Weg sind – mit der Einschränkung, dass wir die Auswirkungen der aktuellen Situation noch nicht kennen.
Wie wirkt sich denn der Krieg in der Ukraine bisher auf das Geschäft von HSBC Deutschland aus?
Es ist viel zu früh, um konkrete Antworten auf diese Frage liefern zu können. Unserer Beobachtung nach hat sich der Bedarf der Kunden in unserem Portfolio bisher nicht signifikant verändert. Unsere Kunden haben wenig direkte und wahrscheinlich auch relativ wenig indirektes Exposure nach Russland und in die Ukraine. Aber natürlich beschäftigt uns wie den gesamten Markt die Frage nach sekundären und möglicherweise auch tertiären Effekten. Da versuchen wir in diversen Szenarien zu denken. Natürlich werden wir als Gesamthaus mit den internationalen Regeln und Sanktionen konformgehen. Wir als HSBC Deutschland haben praktisch kein relevantes Exposure.
Bevor der Krieg Russlands gegen die Ukraine begann, hatte HSBC bereits politische Ressentiments und Druck in China beziehungsweise in Hongkong zu spüren bekommen. Befürchten Sie, dass der global aufgestellten Bank gerade vermehrt Märkte wegbrechen?
Wir fokussieren uns auf das, was wir können, das sind Finanzierungen. Und ich konzentriere mich in diesem Zusammenhang auf die deutsche Einheit und deren Kernkompetenzen.
Wo will die Bank in diesem Jahr investieren?
Wir investieren bewusst ins Geschäft mit Unternehmenskunden. Da haben wir ja ein relativ breites Spektrum: Wir haben die Mittelstandsbank, das Commercial-Banking-Geschäft, in welchem wir durchaus ein Wachstum der allokierten Risikoaktiva sehen. Ähnliches gilt für die Großkunden, Institutionellen und Public-Sector-Kunden. Zudem werden wir selektiv unsere Mannschaft verändern und ausbauen, was ebenso mit Investitionen einhergeht. Und ganz klar werden wir auch auf der IT-Seite investieren.
Auf welche Art von Eigenkapitalrendite dürfte dies hinauslaufen? Im vergangenen Jahr erzielte die deutsche Einheit 12% vor Steuern, womit sie europaweit überdurchschnittlich dastehen dürfte – Europa-Chef Colin Bell fasst europaweit und nach Steuern für dieses Jahr 5% und für 2024 eine Spanne von 7 bis 8% ins Auge.
Mit unserer Vorsteuerrendite liegen wir derzeit weiterhin bei gut 11% vor Steuern. Damit sind wir absolut zufrieden.
Auf der einen Seite hat HSBC Deutschland ein Rekordergebnis vorgelegt. Auf der anderen Seite gibt es schon seit Jahren Stellenabbau, Einschnitte ins Niederlassungsnetz, einen Rückzug von der Börse und nun auch die Integration der deutschen Einheit in die französische Tochter. Ist die Bank eigentlich eine Wachstumsstory oder eher ein Restrukturierungsfall?
Wir sind eine klare Wachstumsstory und unserem Motto, eine Leading International Bank zu sein, absolut treu. Wir haben eine profitable Strategie, wie wir in den zurückliegenden Jahren eindrucksvoll belegt haben, und dies, obwohl wir zugleich gewisse strategische Maßnahmen durchgeführt haben. Die Plattform ist sehr resilient und mit ihren Kunden sehr gut verdrahtet, was uns eben dieses profitable Wachstum ermöglicht. Zudem weise ich darauf hin, dass die Integration mit Frankreich in erster Linie regulatorische Gründe hat, wegen derer wir als Bank in Europa eine signifikante Einheit haben müssen, um das europäische Geschäft zu bündeln. Diese Entscheidung der HSBC-Gruppe, den kontinentaleuropäischen Hub in Paris anzusiedeln, ist vor vielen Jahren gefällt worden.
Was bedeutet die Integration für HSBC Deutschland?
Nun werden wir ein wichtiger Teil dieser kontinentaleuropäischen Bank und werden nach der Integration über eine breitere Bilanz und eine tiefere Produktpalette verfügen. Zudem wird die stärkere Einbindung in die Gruppe Systeme beschleunigen und Prozesse verschlanken. Von daher erwarten wir ohne tiefere Einschnitte in die Plattform eine sehr viel schlagkräftigere europäische Einheit, sobald die Integration abgeschlossen sein wird.
Müssen Sie befürchten, nach der Eingliederung nicht mehr nur Ansagen aus der Zentrale in London, sondern zudem von der Europa-Tochter in Paris zu bekommen?
Das Geschäft läuft erst mal völlig unabhängig von den Berichtslinien. Das ist dankenswerterweise eine sehr harmonische Beziehung. Es gibt da kein Gegeneinander zwischen London, Paris und Düsseldorf. Die Frage nach den Berichtswegen beeinträchtigt uns nicht, da die Zusammenarbeit mit den Pariser Kollegen genauso intensiv wie mit den Londonern ist. Wir haben eine konstruktive Dreiecksbeziehung, und das, denke ich, wird auch in Zukunft in ähnlicher Weise so bleiben.
HSBS ist nicht die Einzige, die ihre Tochter in Deutschland auflöst. SEB hat schon vor Jahren ihre Deutschland-Tochter in eine Niederlassung umgewandelt, 2021 verlor Merck Finck den Status als eigenständige Tochter und wurde auf eine andere Tochter von Quintet verschmolzen. Ist das ein branchenweiter Trend, weil man einfach Kosten rausnehmen muss?
Was andere Institute tun, kann ich nicht kommentieren. Logischerweise haben wir uns angeschaut, was andere Häuser gemacht haben, und uns mit unserer Entscheidung dann in der Vorbereitung der Umsetzung auch ein bisschen daran orientiert. Aber das kann man tatsächlich immer nur begrenzt heranziehen, weil die spezifischen Konstellationen einfach zu unterschiedlich sind. Für uns ist natürlich die Einbettung einen globalen Konzern, der in 60 Ländern unterwegs ist, elementar. Die Kostendimension ist dabei nicht der bestimmende Faktor. Nach der Integration sind wir, was die Prozesse, die IT und die Bilanz angeht, einfach breiter aufgestellt. Das wird uns aus Kundensicht besser und attraktiver machen.
Europa-Chef Colin Bell hat als Strategie eine Fokussierung auf das Wholesale Banking, ergänzt um das Wealth Management und Private Banking, ausgegeben. Ändert sich mit dieser Losung etwas für HSBC Deutschland?
Tatsächlich finden wir uns in dieser Strategie schon jetzt sehr gut wieder. Wir setzen dieses Wholesale-Modell als Pionier schon seit Jahren um. Und das Private Banking und das Wealth Management laufen parallel dazu gleichwertig sehr, sehr gut, auch schon über Jahre hinweg. Wir sind eine Universalbank ohne Retail-Geschäft – eine kleinere Universalbank, die aber sehr stark integriert ist und daher überaus rund läuft.
Wie läuft eigentlich die Integration in die französische Europa-Tochter ab?
Wir peilen die Eingliederung 2023 an und arbeiten dabei eher auf Mitte 2023 hin. Da sind wir allerdings nicht ganz allein in unserer Arbeit. Denn es gibt es sehr, sehr viele, auch externe Stakeholder und Faktoren, ob es die Regulatoren oder andere Projekte der Gruppe sind, sodass wir uns immer wieder neu austarieren. Die Machbarkeitsstudie ist im Sommer abgeschlossen worden, und wir haben eine Validierung des Integration Cases erarbeitet. In unterschiedlichen Arbeitsgruppen haben wir zudem ein sogenanntes Target Operating Model definiert. Das ist eine Übung, die weit über die Grenzen Deutschlands hinausgeht. Das wird auf jeden Fall mit den kontinentaleuropäischen Kollegen synchronisiert und harmonisiert, teilweise aber eben auch global. Das hat die Basis gelegt für das, was wir jetzt vorantreiben, nämlich die konkreten Integrationsschritte nach Geschäftslinie oder Funktion, und parallel dazu auch der zu Grunde liegenden Support-Einheiten. Das kann man sich vorstellen wie eine Post-Merger-Integration, mit allen Facetten, nicht zu vergessen auch die regulatorische und die rechtliche Seite. Das geht jetzt seinen Gang, und das bedeutet ganz normales Projektmanagement mit Execution-Planung und sehr regelmäßigen Projektmeetings. Das ist eine umfassende Projektorganisation mit mittlerweile doch auch signifikantem Ressourceneinsatz und Investitionsbudget.
Die Bank hat ja schon deutlich gemacht, dass ihr im Zuge der Integration vor allem Einsparungen im Back Office und durch eine einheitliche IT vorschweben. Können Sie beziffern, was man da einsparen kann?
Die Integration ist zuallererst ein Investitionsprogramm. Neben Wachstumseffekten werden wir möglicherweise auch Einsparpotenzial haben, weil der gemeinsame Marktauftritt effizienter wird und entsprechend dann auch eine robustere Plattform für ihr weiteres Wachstum liefert. Wir sind an einem Punkt, an dem wir noch analysieren, was das konkret bedeutet. Im Zuge der anstehenden Verlagerungen kann es ja auch sein, dass in Deutschland ein Aufbau stattfinden wird, und tatsächlich gibt es dafür auch ganz klare Anzeichen. Präzisere Aussagen sind im Moment noch schwierig, weil wir eben noch genau in der Phase sind, in der wir dies berechnen.
Können Sie denn eine Spanne nennen?
Das würde ich an dieser Stelle erst mal nicht kommentieren.
Wann werden Sie dies beziffern können?
Wenn wir Klarheit haben, werden wir dies zunächst mit den internen Stakeholdern besprechen.
Im Raum steht natürlich auch die Frage nach einem Stellenabbau im Zuge der Integration. Denn wenn Sie das Back Office integrieren, benötigen Sie nicht mehr so viele Leute wie bisher. Das liegt auf der Hand.
Die Restrukturierungen in Deutschland haben wir tatsächlich unabhängig von der Integration bereits weit vorangetrieben. Wir haben die Plattform also schon sehr stark verbessert. Im Übrigen bedeutet eine Integration nicht, dass ausschließlich Stellen wegfallen. Es kann durchaus sein, dass auch Stellen aufgebaut werden.
Im vergangenen Jahr sorgte die Commerzbank für Schlagzeilen, als sie die Übertragung der Wertpapierabwicklung der Commerzbank auf HSBC Securities Service nach Jahren der Vorbereitung abblies. Haben Sie sich bereits mit der Commerzbank geeinigt, was eine Kompensationszahlung an HSBC angeht?
Dem Scheitern lag eine Entscheidung der Commerzbank zu Grunde, deren Gründe und Motivation wir nicht kommentieren können. Natürlich war es eine Enttäuschung für uns.
Daher die Frage nach einer Kompensation, da HSBC ihren Teil der vertraglichen Pflichten erfüllt haben soll.
Wir haben unsere Pflichten bis Ultimo sehr zufriedenstellend auch für den Vertragspartner erfüllt. Wir haben mit unserem Partner intensiv gesprochen und haben eine für beide Seiten tragbare Einigung gefunden.
Ist dies so zu verstehen, dass die Commerzbank zahlt?
Wir haben zur Commerzbank grundsätzlich ein gutes Verhältnis, und wir begegnen uns auch bei vielen anderen Gelegenheiten. Wir haben eine Einigung erzielt und blicken jetzt nach vorne.
Das hört sich nach Vereinbarungen an, denen zufolge HSBC bevorzugter Partner bei künftigen Geschäften sein wird.
Wir haben uns geeinigt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Scheitern der Auslagerung diesen für uns so wichtigen Geschäftsbereich zwar beeinträchtigt hat, aber tatsächlich nicht zurückgeworfen hat. Wir haben auch dort absolute Rekordvolumina gesehen, getrieben durch verschiedenste Faktoren, nicht zuletzt auch eine angestiegene Volatilität, die uns weiterhin im Geschäft der Wertpapierabwicklung wirklich sehr, sehr gute Resultate auch erwarten lassen, auch perspektivisch.
Wie sieht nun die weitere Planung für die Wertpapierabwicklung der HSBC aus?
Die Pläne sind auf Wachstum ausgerichtet, über den gesamten Apparat betrachtet. Die Dienstleistungen für die Commerzbank waren ja nur ein Teil davon. Sie sind weiterhin gut ausgelastet und wir sehen keinen signifikanten Anpassungsbedarf dank der breiteren Aufstellung des Geschäfts. In der gesamten Securities-Services-Einheit sehen wir ein prozentual gut zweistelliges Wachstum, und wir sind nach wie vor sehr optimistisch, dass sich das Geschäft weiter gut entwickeln wird.
Gilt diese Aussage nur für dieses Jahr oder längerfristig?
Für dieses Jahr auf jeden Fall. Längerfristig ist eine Prognose wegen der tragischen Situation in der Ukraine schwierig. Wir können aber erwarten, dass sich das auch langfristig weiter sehr gut entwickeln wird.
Das Interview führte