Kryptowährung

Bitcoin gewinnt an Legitimität

An den Aktienmärkten hat angesichts steigender Bondrenditen eine Rotation raus aus Risikoassets eingesetzt. Auf dem Verkaufszettel stehen heiß gelaufene Tech-Aktien, und auch die kürzlich über 58000 Dollar gekletterte Bitcoin-Notiz ist unter die...

Bitcoin gewinnt an Legitimität

An den Aktienmärkten hat angesichts steigender Bondrenditen eine Rotation raus aus Risikoassets eingesetzt. Auf dem Verkaufszettel stehen heiß gelaufene Tech-Aktien, und auch die kürzlich über 58000 Dollar gekletterte Bitcoin-Notiz ist unter die Räder gekommen. Bis auf 43000 Dollar ging es abwärts, bevor am Montag eine Erholung einsetzte. Erfahrene Investoren wissen, dass sich eine Korrektur am Aktienmarkt häufig über den Bondmarkt ankündigt – und so ist die Lage auch jetzt einzuschätzen, wo Anleger die Notenbanken angesichts anziehender Inflation auf deren Bereitschaft zur Alimentierung der Märkte testen. Und da Bitcoin mit Marktbewegungen zur Umschichtung von Assets korreliert, hat auch hier eine Korrektur eingesetzt.

Dass Bitcoin überhaupt einen solch steilen Aufstieg hin zu einer Marktkapitalisierung von mehr als 900 Mrd. Dollar nehmen konnte, erklärt sich aus dem Zusammentreffen von zwei Megatrends: Das ist zum einen die expansive Notenbankpolitik des Gelddruckens, die (nicht nur) den Bitcoin-Evangelisten zufolge zu Inflation und damit zur Entwertung von Guthaben führt. Und da sich nach dem jahrelangen Unterschießen der Inflationsziele nun ein heftiger Inflationsdruck aufgebaut hat, ist das natürlich Munition für den auf begrenzter Coin-Menge beruhenden Bit­coin-Kurs. Zum anderen gewinnt Bitcoin zunehmend an Legitimität am Kapitalmarkt, da Banken sich für digitale Assets wie Kryptowährungen öffnen.

Der größte Stimulus geht dabei von der Integration von Bitcoin in den Zahlungsverkehr aus. Die von einem Blogpost begleitete Mastercard-Ankündigung ist ein großartiges Plädoyer für Innovation. Man hat eine signifikante Nachfrage auf Retail- und Händlerseite festgestellt und will dies nun als Option für Wallet-Guthaben und Transaktionen anbieten, sofern die Compliance-Vorgaben erfüllt sind – Bitcoin ist nur in Japan gesetzliches Zahlungsmittel. Dabei ist Mastercard so positioniert, dass keine Kryptowährungen über ihre Infrastruktur gehen: Im Payment reicht es, dass Konten (Wallets) mit Liquidität befüllt sind. Bitcoin-Guthaben werden blitzschnell konvertiert oder von einer Prepaid-Karte abgerufen. Dermaßen agnostisch aufgestellt, hat Mastercard ihre Systeme auch schon aufnahmefähig für den digitalen Euro oder Dollar gemacht. Die Wallet-Ökonomie entfaltet sich in rasender Geschwindigkeit – und Banken tun gut daran, einen Zahn zuzulegen. Denn wenn Tesla erst mal angefangen hat, beim Fahrzeugverkauf Bitcoin zu akzeptieren, wird eine kaufkraftstarke Klientel das auch hierzulande einfordern.

Doch die Messe zur Heiligsprechung von Bit­coin ist noch längst nicht gelesen: In der Politik mehren sich Stimmen, die ein Verbot des Bit­coin-Handels sowie des Mining von Kryptowährungen verlangen. Zur Begründung wird auf das umweltschädliche Mining durch Rechenpo­wer verwiesen. Diesen Schuss haben die Bitcoin-Miner aber längst gehört und sind dem einzig zuverlässigen Report von Coinshares zufolge zu 70% auf den Bezug von erneuerbaren Energien sowie lokaler Überschussenergie übergegangen. Auch mit der Verlagerung des Mining von China in die USA wird der Anteil sauberer Energie größer.

Und mal ganz abgesehen davon, dass sich Bitcoin aufgrund der dezentralen Struktur eh nicht abschalten lässt: Ein Handelsverbot wäre eine nicht verhältnismäßige Beschneidung der wirtschaftlichen Freiheit und käme der Enteignung global verteilter Vermögenswerte gleich. Die entstehende Regulierung in den USA und Europa lässt auf einen integrativen Kurs schließen: An der Nasdaq steht mit dem Segen der SEC das Listing des Kryptohändlers Coinbase bevor, der auf eine Bewertung von 100 Mrd. Dollar zusteuert. Am Kapitalmarkt sind inzwischen selbst Bitcoin-Skeptiker davon überzeugt, dass ein Verbot der Kryptowährung nicht mehr machbar ist.

Darüber hinaus dürfte der für Bitcoin maßgebliche Makrotrend expansiver Geldpolitik intakt bleiben, da dieser im Zeichen der Pandemie alternativlos ist. Die Notenbanken müssen zudem immer mehr Kohle ins Feuer legen, da sich Tech/Digitalisierung preisdämpfend auswirken. Der EZB zufolge machen allein die direkten Effekte der sogenannten Tech Deflation 0,2% pro Jahr aus – das ist in Kombination mit unbezifferten indirekt preisdämpfenden Effekten eine gewaltige Hürde für die Inflationssteuerung. Bitcoin ist nur ein Symptom dieser Entwicklung, die eine Rekalibrierung des geldpolitischen Instrumentenkastens notwendig macht.