Bitcoin-Rally lockt Amerikas Pensionsfonds
Bitcoin-Rally lockt Amerikas Pensionsfonds
Offensive Renditeziele treiben Kassen in zunehmend riskantere Assets – Einst konservative Vehikel unter größten Investoren in Krypto-ETFs
US-Pensionsfonds drängen in riskantere Assets, um über höhere Renditen ihre Finanzierungslücken aufzufangen. Neben wachsenden Beteiligungen an Private Equity und Private Credit nimmt auch die Aktivität bei digitalen Anlagen zu. Regulatoren und Analysten warnen vor einem Verlust der Risikokontrolle.
xaw New York
Der Kampf um höhere Renditen treibt Amerikas chronisch unterfinanzierte Pensionsfonds in zunehmend riskantere Assets. So mischen die einst konservativen Kassen zunehmend am Markt für Kryptowährungen mit: Das State of Wisconsin Investment Board und das State of Michigan Retirement System sorgen derzeit mit großvolumigen Investitionen in ETFs auf die führenden Cyberdevisen Bitcoin und Ether für Aufsehen.
Erstgenanntes Vehikel gehört zu den Top 10 der Vereinigten Staaten und verwaltet Renten- und Pensionsansprüche für den überwiegenden Teil der Angestellten im öffentlichen Dienst des Mid-West-Bundesstaats. Gemäß aktueller Veröffentlichungen war es Ende September der zwölftgrößte Anteilseigner im börsengehandelten Spot-Bitcoin-Fonds von Blackrock. Nach den jüngsten Kursanstiegen der Cyberdevise ist die Position derzeit 155 Mill. Dollar wert.
Sorge vor Kontrollverlust
Michigan zählt hingegen zu den führenden Investoren des Bitcoin-ETFs der von Starinvestorin Cathie Wood geführten Investmentgesellschaft Ark und dem Ether-Fonds von Grayscale. Bundesstaaten wie Texas und Oklahoma arbeiten unterdessen auf den Aufbau strategischer Bitcoin-Reserven hin. Fondsberater betonen, dass die Krypto-Rally der vergangenen Monate bei den Pensionskassen und ihren Mitgliedern für eine „Fear of Missing Out“ sorgt – die Angst, hohe Renditen zu verpassen. Bei Analysten weckt dies jedoch die Sorge vor zunehmenden Kontrollverlusten im Risikomanagement.
Über das vergangene Jahr haben sich im Digital-Assets-Segment einmal mehr Hoffnungen auf eine breitere institutionelle Akzeptanz Bahn gebrochen. Entscheidend dazu beigetragen hat die Zulassung Spot-basierter ETFs auf Bitcoin und Ether in den USA Anfang 2024. Befeuert werden die Wetten auf anhaltende Kursaufschwünge zudem durch die Aussicht auf eine deutlich Krypto-freundlichere Regulierung unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump.
Allerdings sorgt die zunehmende Aktivität von Vorsorgevehikeln am Digital-Assets-Markt bei der scheidenden US-Regierung für Unbehagen: Das US-Arbeitsministerium meldete bereits 2022 „ernste Bedenken“ bezüglich des Exposure der Pensionsfonds an. Branchenkenner befürchten, dass die zunehmenden Finanzierungslücken gerade der öffentlichen Kassen ihre Investmentvehikel in einen Teufelskreis aus Anlagen in renditeträchtigere, aber zunehmend riskantere Assets und ausufernden Verlusten treiben.
Die Funded Ratio, also der Quotient aus Assets und Verpflichtungen der Kassen, ist infolge einer durchwachsenen Performance und steigender Pensionsansprüche über die vergangenen zwei Jahrzehnte dahingeschmolzen. Lag sie zu Beginn des Jahrtausends noch bei nahezu 95%, geriet sie in der Finanzkrise 2008 schwer unter Druck und hat sich seither nie vollständig erholt.
Massive Finanzierungslücken
Laut der Strategieberatung Milliman schwankte die Kennzahl in den vergangenen Quartalen zwischen 70 und 80%, bei den 100 größten Pensionsfonds der Vereinigten Staaten lag sie infolge eines Aufschwungs an den Aktienmärkten Ende Oktober bei 81,2%. Die Federal Reserve errechnet im landesweiten Mittel regelmäßig weit niedrige Werte als Milliman für die Top 100. In Bundesstaaten wie New Jersey und Illinois kamen öffentliche Pensionsfonds laut der Notenbank zuletzt auf aggregierte Funded Ratios im Bereich zwischen 30 und 40%.
„Das Ziel für öffentliche Pensionsfonds muss es sein, jedes Jahr zu rund 100% finanziert zu sein“, heißt es bei der parteiunabhängigen Non-Profit-Organisation Equable Institute. Die Funded Ratios könnten zwar schwanken, „doch sie sollten nie mehr als drei Jahre in Folge unter 90% fallen“. Allerdings zeigen die Daten für dieses Jahrtausend keine Phase, in denen die Quote aus Assets und Verpflichtungen staatlicher und lokaler Pensionsfonds auch nur für länger als zwei Jahre in diesem „widerstandsfähigen“ Bereich lag. Dass die Funded Ratios trotz einer Rekord-Performance der globalen Finanzmärkte, einer Rekord-Allokation alternativer Investments durch die Kassen und einer durchschnittlichen Verdopplung der Beitragsraten lediglich um die 80% erreichten, sei besorgniserregend.
Offensive Renditeziele holen Fonds ein
Zugleich haben sich viele Pensionsfonds gemessen an ihrer vergangenen Performance äußerst offensive Renditeziele gesetzt. Um überhaupt in Reichweite zu gelangen, steuern sie nicht nur Kryptowährungen, sondern auch andere Alternatives an. So hat das California Public Employees Retirement System (Calpers), der größte US-Pensionsfonds, seine Beteiligungen an Private Equity und Private Credit im vergangenen Jahr bedeutend aufgestockt. Um trotz der illiquiden Positionen laufenden Verpflichtungen nachkommen zu können, nehmen viele Kassen ein steigendes Leverage in Kauf.
Seit Ende der 1990er Jahre liegt die Aktien- und Alternatives-Allokation staatlicher US-Pensionsfonds laut Pew Charitable Trusts bei 70 bis 75%, zuvor waren Fixed Income und Cash die dominanten Assetklassen. Ein Abschwung an den Finanzmärkten droht Amerikas Pensionsfonds damit besonders hart zu treffen. Und wie schnell gerade Digital Assets von einer Rally in die Krise schwenken können, hat der Krypto-Winter 2022 gezeigt. Die kanadische Caisse de dépôt et placement du Québec, die mit 150 Mill. Dollar bei dem Krypto-Dienstleister Celsius Network eingestiegen war, musste ihre Beteiligung an dem plötzlich insolventen Unternehmen damals abschreiben.
Belastung für den Haushalt
Infolge solcher Entwicklungen auch bei US-Pensionsfonds müssen regionale Regierungen den Vehikeln laut der Ratingagentur Fitch zunehmend mit Steuergeld unter die Arme greifen. Dabei erhalten Bundesstaaten wie Texas oder Kentucky selbst mehr Mittel aus Washington, als ihre Bürger im Bund an Abgaben zahlen. Die Schieflage und zunehmende Risikofreude der Pensionskassen droht, so Analysten, noch zur ohnehin rapide steigenden US-Staatsverschuldung beizutragen.