Blue Chips dominieren „dunkelgrüne“ Fonds
Von Anna Sleegers, Frankfurt
Wenn der Boom der nachhaltigen Geldanlage tatsächlich helfen sollte, den Klimawandel noch aufzuhalten, wird dies aller Voraussicht nach noch eine ganze Weile dauern. Denn wie eine Auswertung der Ratingagentur Scope verdeutlicht, die der Börsen-Zeitung exklusiv vorliegt, verfolgen selbst die als „dunkelgrün“ klassifizierten Fonds, die den Vorgaben von Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung genügend, eine mit Blick auf die wirtschaftliche Transformation reichlich konservative Anlagepolitik.
Big Tech als Favoriten
Im Fokus der 117 untersuchten Fonds, die weltweit investieren, stehen nicht etwa Unternehmen, die den Ausbau der erneuerbaren Energie vorantreiben oder Innovationen mit positiven Effekten für das Klima entwickelt haben, sondern Microsoft, Alphabet und Apple. Unternehmen also, deren gewichtigster Beitrag zum Klimaschutz darin bestehen dürfte, dass sie in Branchen tätig sind, die vergleichsweise wenig zur Erderwärmung beitragen.
Etwas besser sieht es bei den 59 analysierten Fonds mit Anlagefokus Europa aus. Hier dominieren mit dem niederländischen Chiphersteller ASML und dem französischen Elektrotechnikkonzern Schneider Electrics Unternehmen, denen etwa die Nachhaltigkeitsexperten von Morningstar gute Nachhaltigkeitsnoten erteilt hat. Mit Roche, AstraZeneca, Nestlé und dem Luxusgüterkonzern LVMH Moet Hennessy Louis Vuitton gehören jedoch auch hier jede Menge Unternehmen zu den Favoriten der Portfoliomanager, die man auch in jedem beliebigen herkömmlichen Aktienfonds erwarten könnte.
Öl- und Atomkonzerne fehlen
„Anleger, die hohe moralische Ansprüche an ihr Investment stellen, könnten beim Anblick dieser Ergebnisse enttäuscht sein“, konstatiert Scope-Analystin Simone Schieg. Immerhin fehlen auf den Favoritenlisten Öl- und Atomkonzerne. Wie lange dies so bleibt, ist allerdings fraglich, nachdem das EU-Parlament für eine Taxonomie gestimmt hat, unter der auch Investitionen in Atomkraft und Erdgas als nachhaltig gelten können (BZ vom 6. Juli).
Tatsächlich führt die Scope-Analystin die bereits vorhandenen EU-Vorgaben als einen Grund für die hohe Gewichtung konventioneller Konzernen in den Portfolios der dunkelgrünen Fonds an. So würden die Ende 2020 per EU-Verordnung eingeführten Klimamindeststandards PAB (Paris Aligned Benchmark) und Climate Transition Benchmark (CTB) vor allem von passiv gemanagten Anlagevehikeln (ETF) genutzt, die im vergangenen Jahr Rekordzuflüsse verbucht haben.
Abhängigkeit von MSCI
Diese Klima-ETF bilden in der Regel einschlägige Subindizes der großen Indexanbieter ab, etwa den „MSCI World Climate Change Paris Aligned Index“ oder den „MSCI World Climate Change CTB Select Index“. Die langen Namen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Microsoft, Alphabet, Apple oder auch der Krankenversicherungsanbieter United Health in diesen Unterindizes ebenso zu den Schwergewichten gehören wie im breiter gefassten Oberindex MSCI World.
Bei der Bewertung anderer ESG-Kriterien sieht es ähnlich aus, hier kommen oft Best-in-Class-Modelle zum Einsatz, die auch nichtnachhaltige Geschäftsmodelle als positiv bewertet, solange der Emittent ein höheres Ambitionsniveau an den Tag legt als Wettbewerber. Schiegs Rat lautet daher: „Wer Artikel-9-Fonds nutzen will, dabei aber Mega-Caps wie Microsoft, Alphabet, Apple oder Amazon vermeiden möchte, sollte das Kapital in Impactfonds mit umfangreichen Ausschlusskriterien investieren.“
Wertberichtigt Seite 6
Beliebteste Top-10-Aktien bei globalen Artikel-9-Aktienfonds | |
Unternehmen | Anzahl* |
Microsoft | 76 |
Alphabet | 62 |
Apple | 39 |
Nvidia | 36 |
United Health | 33 |
Amazon | 27 |
Tesla | 25 |
Thermo Fisher Scientific | 24 |
Novo Nordisk | 17 |
Schneider Electric | 17 |
*) Fonds, bei denen die Aktie eine Top-10-Position ist | |
Quelle: Scope Fund Analysis, Stand: 30.4.2022Börsen-Zeitung |