Darum haben Banken 2022 den Bondmarkt gestürmt
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Europäische Banken haben den Anleihemarkt zuletzt so stark angezapft wie nie zuvor. Wie Analysten der Hessischen Landesbank (Helaba) berichten, haben europäische Banken im vierten Quartal 2022 erstrangig besicherte Bankanleihen im Rekordvolumen von 45 Mrd. Euro begeben. Das sind 70 % mehr als im Vorjahreszeitraum und mehr als doppelt so viel wie im Durchschnitt der vorherigen sechs Schlussquartale. Mit einem Gesamtemissionsvolumen von 181 Mrd. Euro sei 2022 ein Ausnahmejahr gewesen, welches das bereits starke Vorjahr um 30 % und das Rekordjahr 2019 um 14 % übertroffen habe.
Noch größer war die Nachfrage nach besicherten Bankanleihen. Den Helaba-Analysten zufolge lag deren Emissionsvolumen bei 210 Mrd. Euro. Auch das ist ein Rekordwert, obwohl das Marktumfeld, speziell in der zweiten Jahreshälfte, mit steigenden Zinsen, Konjunktur- und Inflationssorgen, dem Ukraine-Krieg und stark steigenden Energiekosten schwierig war. Banken mussten den Analysten zufolge höhere Neuemissionsprämien und tendenziell kürzere Laufzeiten in Kauf nehmen.
Die hohe Aktivität der Banken am Anleihemarkt hat den Analysten zufolge mehrere Gründe: Zum einen seien 2022 viele Anleihen fällig gewesen und die Banken mussten diese refinanzieren, um weiterhin alle regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Zum anderen hätten viele Banken aber auch erst in diesem Jahr anstehende Refinanzierungen vorgezogen, da sie mit einer weiteren Verschlechterung des Marktumfelds gerechnet haben. Die Analysten weisen in diesem Zusammenhang explizit auf die sich ausweitenden Risikoaufschläge (Credit Spreads) und die gedrosselte Liquiditätsbereitstellung der Zentralbanken hin.
Anleihen statt Einlagen
Für dieses Jahr rechnen die Analysten wieder mit einer hohen Emissionsaktivität der Banken. Für die unbesicherten Anleihen prognostizieren sie rund 180 Mrd. Euro Emissionsvolumen und begründen dies mit erneut hohen Fälligkeiten und mit den sogenannten TLTRO-Rückzahlungen. TLTRO steht für „targeted longer term refinancing operations“, wohinter sich längerfristige Refinanzierungsgeschäfte mit der Europäischen Zentralbank (EZB) verbergen. Ende Oktober hatte der EZB-Rat beschlossen, die für Banken attraktiven Konditionen zu ändern, und hatte den Banken die Möglichkeit eingeräumt, ihre aufgenommenen TLTRO-Mittel zurückzuzahlen. Während das die Emission von unbesicherten Anleihen stützen dürfte, rechnen die Analysten bei den besicherten Anleihen 2023 nur noch mit einem Emissionsvolumen von rund 160 Mrd. Euro, was einem Rückgang von rund 24% entspräche.
Unter dem Strich dürfte der Refinanzierungsdruck für Banken zunehmen. „Wenn sich die jüngsten Trends im Kredit- und Einlagengeschäft fortsetzen, werden die europäischen Banken 2023 wahrscheinlich mehr Geld an den Kapitalmärkten aufnehmen müssen, als wir derzeit erwarten“, schreiben Analysten der Commerzbank. Zwar sei die Kreditvergabe in Europa zuletzt gesunken, dies bedeute jedoch nicht zwingend einen geringeren Refinanzierungsbedarf der Banken. Denn auch die Einlagen seien stark rückläufig gewesen. Vor allem im August, September und November hätten private Haushalte mehr Einlagen abgezogen als eingezahlt. Sollte sich dieser Trend verfestigen, könnte der Refinanzierungsbedarf der Banken 2023 steigen.