Banken

Das Ende der kleinen Schritte

Wir alle erinnern uns an die Belastung durch die regulatorischen Anforderungen der letzten Jahre, die die Branche hunderte Millionen Euro gekostet haben. Die Wahrheit ist jedoch, dass die Kombination der aktuellen Einflussfaktoren eine disruptivere Veränderung erzeugen.

Das Ende der kleinen Schritte

Wir alle erinnern uns an die Belastung durch die Vielzahl der vor allem regulatorischen Anforderungen der letzten Jahre, die die Branche hunderte Millionen Euro gekostet und weitgehend alle Ressourcen gebunden haben. Die Wahrheit ist jedoch, dass die Kombination der aktuellen Einflussfaktoren, bei denen Regulatorik erfreulich klein ausfällt, in der Kombination eine drastisch disruptivere Veränderung erzeugen. Die Schlagworte sind bekannt und viel diskutiert: Digitalisierung, Sustainability, New Work, Customer Centricity, Ökosysteme, Komplexitätsreduktion und noch einiges mehr.

Halbherzig, kleinteilig

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Diskussionen bisher deutlich zu allgemein geführt und in vielen Fällen nur halbherzige und kleinteilige Veränderungen hervorgebracht haben: Die Zahl der Digitalisierungsinitiativen ist groß, aber echte E2E-Digitalisierung der Kernprozesse ist selten. Sustainability wird regulatorisch und in einzelnen Produkten angegangen, aber die Implikationen auf die Geschäftsmodelle wird kaum adressiert. Ökosysteme sind in aller Munde, aber die Umsetzung ist kleinteilig bis nichts existent. Die Liste lässt sich fortführen.

Massive Startvorteile

Das wäre verzeihlich, wenn die Veränderungen „nur“ die Margen reduzieren, die Risiken leicht steigern oder die Kosten erhöhen würden. Die Kombination der aktuellen Trends stellt aber das Geschäftsmodell „Bank“ – insbesondere für Retail – grundsätzlich in Frage. Der Tag, an dem alle attraktiven Produkte von Fintechs, die Kundenschnittstelle von Big Techs und Ökosystemplattformen und Abwicklung von schlanken Factory-Spezialisten besetzt sind, ist nicht mehr undenkbar weit.

Noch ist ein struktureller Wandel machbar. Banken verfügen über massive Startvorteile. Sei es Finanzkraft, kompetente Mitarbeiter, Kundenbasis oder, ja, sogar ein regulatorisches „Schutzschild“. Die Liste der Auswege ist grundsätzlich bekannt.

Statt immer weiter an der Komplexität der eigenen IT zu verzweifeln, erlaubt die Technologie heute schlanke Strukturen auf der grünen Wiese. Statt halbherzig die ESG-Richtlinien umzusetzen, können viele Institute einen echten Wettbewerbsvorteil daraus entwickeln. Statt punktuelle Kooperationen kann ein echtes digitales Ökosystem wieder Endkunden-Relevanz erzeugen. Statt immer höherer eigener Fertigungstiefe wäre die Nutzung des Universums von Auslagerungspartnern möglich. Die Liste ist lang und die Auswahl stark von der Ausgangssituation des Instituts abhängig. Aber eines ist immer Voraussetzung: radikaler Umbau und signifikante Investition statt inkrementeller Schritte.

Erfolgsbeispiele geben Mut

Einige Institute sind den Weg mit größerer Konsequenz gegangen als der Markt. Ob ein Spezialfinanzierer ganze Prozessstraßen auf der grünen Wiese neben seiner Kern-IT baut oder eine Bausparkasse schrittweise die IT-Landschaft in eine moderne, modulare Plattform umbaut und dabei je Schritt sofort wirksame Kosten- und Kundenvorteile realisiert. Ob eine Förderbank mit einem Partner ganze Prozessteile und Produktbereiche als Service auslagert oder eine Großbank ESG radikal über alle Produkt- und Geschäftsbereiche neu denkt. Es gibt Beispiele, die Hoffnung machen. Jedes dieser Beispiele hat Potenzial, schneller und konsequenter den strukturellen Wandel voranzutreiben. Aber empirisch setzt sich eine kleine Gruppe vom Markt ab.

Damit ist aber auch aufgezeigt, dass diese radikaleren Wege mit heutiger Technologie und Vorgehensmethoden machbar sind. Die Komplexität ist immer noch hoch. Aber die Abbildung von Prozessen, Schnittstellen oder Oberflächen ist heute deutlich einfacher umsetzbar.

Woran liegt es dann, dass nicht in der Breite die Prozesslandschaften radikal modernisiert werden? Wie immer sind die Gründe individuell für jedes Haus – drei Barrieren aber kristallisieren sich dabei übergreifend heraus.

Die strukturelle Transformation ist ein Marathon, der erst über Jahre seine volle Wirkung entfaltet. Zu viele Entscheider sind auf die nächsten zwölf Monate fokussiert und arbeiten lieber an kurzfristigen Optimierungen. Diese Barriere lässt sich zwar durch eine MVP-Logik reduzieren, aber nicht gänzlich methodisch lösen. Es braucht den Willen der Entscheider und längeren Atem.

Die zweite Herausforderung ist die Vielzahl an Lösungsoptionen und der schnelle technologische Wandel. Ein klares Zielbild aus den dutzenden von Plattformanbietern und hunderten von Modullösungen zu entwickeln ist komplex, aber durch eine sauber aus dem Ziel-Geschäftsmodell abgeleiteten Prozess leistbar. Flexibilität und Ausbaufähigkeit haben hier maximalen Funktionsumfang und große Namen abgelöst.

Strategische Barriere

Die wesentlichste Barriere ist aber eine strategische: Wie beschrieben stehen viele Geschäftsmodelle von Banken nachhaltig auf dem Prüfstand und befinden sich zunehmend in Rückzugskämpfen. Bevor eine prozessual-technologische Transformation erfolgreich sein kann, muss das Geschäftsmodell in fünf Jahren klar definiert sein. Eine Ökosystemplattform, ein Plattformvertrieb, ein Produktspezialist oder eine Transaktionsbank erfordern massiv unterschiedliche Strukturen von Kundenprozessen bis Infrastruktur.